In einer Diskussion mit einer sehr lieben Kollegin und Freundin kam dieses Thema auf:

 

Die eigene Komfortzone einmal zu verlassen.

 

Die Frage war, ob ich was verändern sollte oder will an der Art, wie ich fotografiere.
Ich hatte meine Freundin zu einem Projekt befragt und sie meinte, ich hätte meinen eigenen Stil und in dem würde ich eben fotografieren, ob ich das beabsichtige?
Weiß ich nicht, war meine Antwort.
Doch, warum weiß ich das nicht?

Bei FB werden oft Fotos eingestellt und dann die Hoffnung geäußert, dass das Foto bitte schön auch gefällt. Mich nervt so was, denn, das Foto muss in erster Linie dem gefallen, der es fotografiert hat, nicht mir, finde ich.
Ich z.B. zeige nur Fotos, die mir gefallen und ich like auch nur Fotos, die mir gefallen. Ok, es ist ein langer Weg bis zu dieser Sicherheit, doch wenn ich fotografiere, sollte ich mich darum bemühen, ein Gefühl für meine Arbeit zu bekommen, oder mich darin ausbilden lassen, ein Gefühl dafür zu haben. Alles andere ist visuelle Vermüllung.

Ich sehe mir gerne Fotos an. Dabei ist es egal, ob es bekannte Fotografierende sind oder nicht, ich bin nun mal ein visueller Mensch und sehe gerne Fotos, Gemälde und Filme. Und ich reagiere darauf emotional, also mit meinen Gefühlen, meiner Intuition. Meine Gefühle sind direkt und spontan. Entweder gefällt mir etwas, oder es gefällt mir nicht. Manches langweilt mich, oder ist abstoßend, oder uninteressant. Ich habe auch bemerkt, dass bestimmte Fotos mir nicht guttun. Das sind dann, aus meiner Sicht, meist schlechte Fotos, die mir mein Hirn voll müllen können, was ich nicht will. Nun frage ich mich:

Warum sollte es falsch sein, so zu denken?

Habe ich mich nicht die längste Zeit meines Lebens mit Fotografie beschäftigt? Theoretisch und praktisch. Also hat sich eine Meinung, eine Einstellung und Fachwissen gebildet, aus der sich auch mein fotografischer Stil entwickelt hat.

Ich frage in der Regel nicht, wenn ich ein Foto veröffentliche, ob meine Arbeit gefällt – auch wenn Zustimmung und anerkennende Kommentare guttun und ich diese benötige. Doch bestätigen lobende Kommentare nicht weitestgehend mein eigenes Gefühl? Geben diesem Gefühl Sicherheit?
Ja, auch ich brauche das.
Ok, es geht hier in meinem Blog oft darum, wie ich und andere meine Arbeit wahrnehmen, doch noch nie ist mir so klar geworden wie in diesem Moment, was dieser innere Kritiker für eine Macht hat. Darum noch einmal in aller Deutlichkeit:

 

Ich finde, meine Arbeit ist „gut“.

Bei meinen Kundenaufträgen gehe davon aus, dass meine Kunden zufrieden sind mit dem, was ich ihnen vorlege und sie genau deshalb auch zu mir gekommen sind, weil sie meinen Stil gut finden. Ich veröffentliche auf den verschiedenen Plattformen oder meiner Homepage nur Fotos, die mir auch gefallen.

Es hat für mich einige Zeit gedauert, bis ich begriffen habe, wie ich ticke.

 

Was ich damit meine?
Wenn ich z.B. ein Shooting auswerte, dann kann ich in den wenigsten Fällen begründen, warum ich das eine Foto nehme und das andere nicht. Die Entscheidung fällt intuitiv. Ich muss mich mit dem Motiv wohlfühlen, ohne lange darüber nachzudenken. Wenn ich jedoch anfange nachzudenken und mich frage, was der Kunde wohl gut finden würde, dann wird es kompliziert, weil ich mich dann nicht entscheiden kann, weil ich nicht auf meine Wahrnehmung und mein Gefühl achte. Es gibt daher bei mir immer eine Vorgespräch, vor einem Shooting. Das hilft mir, ein Gefühl für den Menschen zu bekommen, denn das ist mir wichtig. Warum kann das falsch sein? Warum sollte ich diesen Gefühlen nicht vertrauen?

Letztendlich bekommen meine Kunden nur eine Auswahl von den Motiven vorgelegt, bei denen ich ein gutes Gefühl habe. Alles andere wäre für mich eine Art Überwindung. Doch, das war ein nicht gerade kurzer Weg bis dahin, zugegeben.

Ich bin Portraitfotografin und bei meiner Arbeit im Studio geht es genau darum: Um ein Portrait der Person, die vor meiner Kamera steht. Also doch ganz einfach, oder? Bei einem Shooting komme ich, wenn es gut läuft, in so eine Art Flow. Die Voraussetzung ist die, dass die Person, die vor meiner Kamera steht, sich auf die Situation und mich einlässt, dass sie mit mir in Kontakt ist. Angesichts dessen lasse ich auch keine Zuschauer bei einem Shooting zu, weil die genau diesen Prozess verhindern würden.
Ich liebe es, so zu arbeiten.
Wenn ich an einer Serie arbeite, wie z.B. an dem GreyProjekt oder FuckyouCancer, dann habe ich den Kontext im Kopf, also die Motive, die ich gerne hätte, damit daraus eine Serie wird, was sich ja immer auch erst im Laufe der Arbeit an dem Projekt herausstellt. Manchmal verliere ich auch den Faden, bei so einem Shooting, weil die Person vor der Kamera, mir gerade etwas anderes vermittelt. Das ist dann auch gut und richtig. Wie zuvor besprochen, ich liebe dieses Gefühl, diesen Flow, der sich bei einem Shooting einstellen kann.

Bei meinem Shooting, am letzten Mittwoch, wollte ich mal ein anderes Lichtset testen. Wollte meine Komfortzone verlassen, weil, es soll wichtig und richtig sein, dass wir das gelegentlich tun – heißt es? Es war daher ein steiles, hartes Oberlicht, mit dem ich shooten wollte. Nach den ersten Auslösungen wurde mir richtig übel. Es hat mich gewürgt, als ich mir die Fotos auf dem Bildschirm der Kamera angesehen habe. Darum habe ich sofort damit aufgehört, denn, wenn ich so eine starke körperliche Reaktion spüre, dann kann es für mich nicht richtig sein in dieser Art zu fotografieren.

Daraus ergab sich für mich die Frage: Warum sollte ich diesem, meinem Gefühle nicht vertrauen? Warum stelle ich immer wieder infrage, dass das, was ich tue, richtig ist und ich mit meiner Meinung recht haben könnte?
Ich meine das im Kontext meines Lebens und meiner Arbeit und nicht anders.

Beim darüber Nachdenken wird mir bewusst, ich vertraue mir nicht.  Wie schlimm ist das denn?
Da gibt es ganz offensichtlich einen Kritiker in mir, der nörgelt an allem herum, was ich tue und denke. Ja, wirklich so ist es. Jetzt bin ich doch bei meinem Leben insgesamt angekommen, denn der Kritiker beschränkt sich nicht auf meinen fotografischen Stil, sondern auf mein Leben insgesamt.

Das muss aufhören – sofort! Ich benötige keinen Kritiker, der mir sagt, dass ich alles falsch mache, denn genau das tut er. Denn ich mache nicht alles falsch. Sollte ich etwas „falsch“ machen, dann gibt’s da ein Gefühl in mir, das sagt mir, dass dann schon. Darauf werde ich vertrauen. Darauf habe ich zu vertrauen, denn nichts anderes zeigt mir den Weg durch den Tag, durch die täglichen Fragestellungen und Anforderungen, durch meine Arbeit, mein Leben.

Zurück zur Komfortzone. Es kann ja für den ein oder anderen richtig sein, sie manchmal zu verlassen, um Neues auszuprobieren. Um etwas Neues zu erfahren, bin ich auch niemals zu alt. Alles klar, doch warum sollte ich meinen fotografischen Stil infrage stellen. Hat es nicht gedauert, bis ich ihn so klar hatte. War es nicht auch Arbeit und Selbstkritik, bis der da war? Eben. Nun habe ich einen Stil, der marketingtechnisch mein „Alleinstellungsmerkmal“ ist, wobei das nicht das Wichtigste ist. Wichtig ist, ich fühle mich damit wohl. Mein Eindruck ist, damit kann ich die Fotos machen, die mir wichtig sind und meine Philosophie umsetzen, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, auf meinen Fotos gut auszusehen.

Verlangen wir von Avedon, dass er seine Komfortzone verlässt? Oder von Salgado? Haben Peter Lindbergh, oder Jim Rakete in der letzten Zeit  ihre fotografische Komfortzone verlassen?
Sicher nicht.
Warum auch?

Warum sollte ich es tun?

 

Ich könnte noch jede Menge anderer Fotografen nennen. Damit will ich nicht sagen, dass meine Arbeit die gleiche Bedeutung hat, wie die Arbeiten dieser Fotografen, doch für mich ist meine Arbeit eben mein Leben, darum hat sie für mich eine sehr hohe Bedeutung. Ich will noch viele Jahre fotografieren, und zwar so, dass ich mich damit wohlfühle.
Es kann sein, dass ich nicht „modern“ bin, dann ist es eben so. Ich will nun mal „Klassiker“ schaffen, also Fotografien, die wir uns noch in vielen Jahren gerne ansehen. Und ich denke, in meinem Stil fotografiert, kann das funktionieren.
Und ich werde meine Komfortzone nicht mehr mutwillig verlassen, oder darüber nachdenken es machen zu müssen. Ich will mich weiter entwickeln, keine Fragen, will fokussierter arbeiten, an dem, was ich fühle und will genau das umsetzen. Solange, bis es mich langweilt oder es mich nicht mehr interessiert.

Wenn ich ein  sogenanntes „freies Projekt“ beginne, gehen dem niemals lange Überlegungen voraus, es sind immer Bauchentscheidungen. Da ist ganz plötzlich dieser Gedanken in meinem Kopf und dem vertraue ich einfach. Warum auch sollte ich das nicht tun?

Meine Freundin und Kollegin schrieb: „Es sind aber immer die gleichen Posen und Haltungen und Ausschnitte, die du bei allen anderen Serien auch machst. Es ist deine Art zu fotografieren.“ … „Man sieht deine Handschrift, absolut. Vielleicht ist es auch das, was du willst und dann ist alles gut.”

 

 

Ja: Alles ist gut!

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