Seit Tagen sortiere ich.
Doch „sortieren“ ist eigentlich das falsche Wort.
Es klingt nach Mühe, nach Stapeln, nach Entscheidungen, die man am liebsten vertagen möchte.
Es klingt nach Ordnung herstellen, wo Chaos war.

Aber heute ist etwas passiert.

Ich habe verstanden, dass das Sortieren meines Printarchivs nicht das Abtragen eines Berges ist, sondern das Wiederaufnehmen eines Gesprächs. Ein stilles, fast zärtliches Gespräch mit meinem eigenen Werk. Kein Kampf, kein Pflichtgefühl, eher ein Wiedersehen. Ich halte ein Bild in der Hand und merke, dass es nicht allein das Motiv ist, das spricht. Es ist die Beziehung, die es trägt: Haltung, Verletzlichkeit, Nähe, Übergang, Körper, Präsenz, Erinnerung.

Und vielleicht hat sich dieses Denken schon früher in mir vorbereitet. Vor ein paar Tagen fand ich alte Fotokopien aus meiner Studienzeit, Texte über Strukturalismus, Bildsprache, Bedeutungsebenen.
Ich hatte vergessen, dass ich mich damit einmal beschäftigt habe. Oder vielleicht habe ich es mir damals nicht zugetraut, dass dieses Denken etwas mit mir zu tun haben könnte.

Jetzt, beim Sortieren meines Archivs, beginnt es wieder zu sprechen. Nicht als Theorie, sondern als Haltung.

Etwas darin erinnerte mich daran, dass ich schon lange so arbeite, nur ohne den Begriff dafür zu haben.

Mir wurde klar, dass meine Art zu fotografieren längst struktureller ist, als ich gedacht hatte. Jedes Bild erzählt, warum es entstanden ist, für wen, aus welcher Haltung heraus, und in welchem Beziehungsknoten es verankert ist.

Ich begreife langsam etwas, das ich viele Jahre übersehen habe: Mein Werk ist kein Haufen von Motiven, sondern ein Gewebe von Beziehungen.

Wenn ich also sortiere, lege ich keine Kategorien an.
Ich folge Verbindungslinien.
Ich gehe von Bild zu Bild und frage nur: Welche Beziehung trägt dieses Bild?

Und plötzlich entsteht Ordnung ganz von selbst. Nicht, weil ich sie erzwinge, sondern weil das Werk mir zeigt, wohin es gehört.

Das Sortieren verliert damit seinen Schrecken.
Es wird leise. Es wird klar.

Und ich merke:
Am Ende geht es nicht um Ordnung im Regal, sondern um Orientierung in mir selbst.

Das Sortieren ist ein Gespräch.
Ein Wiederhören meiner eigenen fotografischen Stimme. 

Die Fotografien stammen aus unterschiedlichen Jahrzehnten meines Archivs. Sie sind Teil der Situationen, die ich gerade wieder in die Hand nehme:
Begegnungen, politische Momente, Übergänge, Körper, Nähe.

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