


Ich wollte eigentlich nur nachlesen, was Hannah Arendt über Arbeit und Konsum geschrieben hat. Ein kluger Gedanke, eine kleine Recherche – mehr nicht. Aber irgendetwas daran traf mich tiefer. Etwas an ihrer Unterscheidung zwischen Arbeiten, Herstellen und Handeln.




Plötzlich war sie wieder da – die Erinnerung an eine Zeit, in der ich nicht mehr fotografieren konnte und das Nähen mich gehalten hat.
Ich nähte viel mit Stoff und Mixed-Media-Material, und dann kam eine Jeans. Getragen, ausgeleiert, abgelegt. Nicht mehr schön, nicht mehr neu – aber auch nicht vorbei. Ich sammelte sie. Ich schnitt sie auf. Ich ließ aus ihnen etwas Neues entstehen: Taschen, Objekte, textile Fragmente meines Weges. Nicht, weil ich musste – sondern weil ich nicht anders konnte. Das Nähen war damals kein Hobby. Es war eine Antwort. Ein Halten. Ein Stoffwerden mit mir selbst in einer Zeit, in der ich nicht mehr fotografieren konnte.




Und dann – Jahre später – lese ich Hannah Arendt. Sie unterscheidet zwischen Arbeit, Herstellen und Handeln. Zwischen dem, was vergeht, und dem, was bleibt. Zwischen Konsum – und Weltgestaltung.
Plötzlich verstand ich: Das, was ich mit diesen Jeans getan hatte, war kein Nebenweg. Kein Ablenken vom Eigentlichen. Sondern eine tiefere Form der Erinnerung. Ein Tun, das nicht produziert, sondern bewahrt. Nicht funktioniert – sondern antwortet.
Ich habe ein weiteres Kapitel für meine Autobiografie geschrieben: „Von der Kamera zur Nadel“, weil es geschrieben werden wollte, weil ich nicht vergessen habe, was mich gehalten hat, als ich mich selbst nicht tragen konnte. Und vielleicht ist das genau das, was Schreiben kann: Ein Faden zurück zu dem, was nicht laut war – aber wesentlich.





