Garten der Spuren

Es gibt Tage, da scheint mein Archiv wie ein undurchdringlicher Wald. Überall stapeln sich Kisten, Negative, Mappen. Jeder Fund erinnert mich an das, was bisher nicht geordnet ist – und sofort flammt dieses Gefühl auf: Ich werde es nie schaffen.

Seit Jahrzehnten sammle ich. Bilder, Notizen, Begegnungen. Was als lebendige Spur begann, wuchs zu einem Geflecht, das größer ist als ich selbst. Manchmal fürchte ich, in diesem Dickicht zu verschwinden. Doch heute Abend war es anders. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, einen Weg zu sehen. Kein Endpunkt, kein Zielstrich – aber eine Richtung. Ich habe begonnen, Ordner anzulegen, Dossiers zu schreiben Namen sichtbar zu machen. Jeder kleine Schritt öffnet einen neuen Raum.

Plötzlich begreife ich: Mein Archiv ist kein Berg, den ich bezwingen muss. Es ist ein Garten. Ein Garten der Spuren. Manche Wege sind frei, andere noch verwildert. Aber ich kann hindurchgehen, nach und nach, Stein für Stein, Spur für Spur.
Die Freude kam leise, fast unscheinbar. Ein Gefühl von Zufriedenheit, das mich heute Abend erfüllt: Ich schaffe nicht alles auf einmal, aber ich schaffe mir Räume. Aus dem Nebel wächst eine Karte. Aus der Last wird ein lebendiges Gewebe.

Vielleicht ist das Archiv gar nicht dazu da, jemals „fertig“ zu sein. Vielleicht ist es ein Garten, in dem ich weitergehe, solange ich kann.

 

 

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