Es gibt Schmerzen, die neurobiologisch real sind.
Die keinen Ort haben und doch den ganzen Körper besetzen. Sie liegen nicht an einer Stelle, sondern überall zugleich. Sie dämpfen das Denken. Und lassen das Fühlen ins Leere laufen.
Es gibt ganz besondere Bindungen, nicht bewusst gewählt, sondern gewachsen. Sie sind kein Vertrag, sondern eine Selbstverständlichkeit. Und dann passiert etwas, das keine Ursache braucht. Die Selbstverständlichkeit endet. Nicht, weil etwas zerstört wurde – sondern weil sie einfach nicht mehr gilt. Und was nicht mehr gilt, kann nicht zurückgefordert werden. Was dann geschieht, ist kein Konflikt, sondern ein Entzug. Und Entzug kann nicht verhandelt werden. In diesem Moment beginnt der Schmerz, der keinen Anlass kennt und keinen Adressaten findet.
Worte verlieren ihre Kanten, Gedanken ihr Gewicht. Man sitzt da, atmet, lebt – und ist zugleich betäubt, als hätte sich ein Schleier zwischen Welt und Bewusstsein geschoben. Nicht tot. Nicht lebendig. Nur da. Der Schmerz nimmt mir den Atem. Nicht bildlich, nicht metaphorisch, sondern konkret. Als würde sich etwas im Brustraum zusammenziehen, enger werden, bis kaum noch Platz bleibt. Atmen ist möglich, aber es hilft nicht. Jeder Atemzug bleibt unvollständig, erreicht nichts. Und mit ihm kommt dieses Gefühl, es nicht aushalten zu können – nicht aus Schwäche, sondern weil der Körper an eine Grenze geführt wird, die nicht verhandelbar ist.
Gleichzeitig ist da eine Gewissheit. Still, klar, nicht zu erschüttern: dass nichts, wirklich nichts geschehen ist, was diesen Schmerz rechtfertigen könnte. Kein Wort, keine Tat, kein Versagen von solcher Schwere. Diese Gewissheit schützt nicht. Sie lindert nichts. Sie ist nur da – kalt und klar wie Glas – und sie steht da wie ein innerer Befund, der sich nicht wegdiskutieren lässt. Und genau darin liegt eine zusätzliche Grausamkeit: dass der Schmerz nicht nur überwältigt, sondern auch unverdient ist.
Aus dieser Unverhältnismäßigkeit wächst etwas Endgültiges. Die Erkenntnis, dass es kein Zurück mehr geben kann. Nicht aus Trotz. Nicht aus Härte. Sondern weil etwas getroffen wurde, das sich nicht reparieren lässt, ohne sich selbst zu verleugnen. Nach dieser Verletzung ist der Raum, in den man zurückkehren könnte, nicht mehr vorhanden. Er ist nicht verschlossen – er ist verschwunden. Und nichts daran ist eine Entscheidung.
Was bleibt, ist kein Entschluss, sondern ein Zustand. Ein Dasein nach dem Schlag. Mit einem Körper, der weiterlebt, und einem Inneren, das weiß: Hier ist etwas unwiderruflich zerbrochen. Nicht laut. Nicht dramatisch. Aber endgültig.