Andrea erscheint mir als eine Frau von bemerkenswerter Zerbrechlichkeit und zugleich von unermesslicher Stärke. Ihre Porzellanhaut ist mir gleich aufgefallen. Seit dreißig Jahren widmete sie als Kinderkrankenschwester ihr Leben der Kinderkrebsstation, wo Hoffnung und Verzweiflung aufeinandertrafen.

Auch in ihrem eigenen Leben blieb sie nicht verschont, im Mai 2022 hat sie ihren geliebten Ehemann verloren, und seitdem führte sie ein Leben als Witwe. Doch ihre Trauer hatte sie nicht gebrochen, sondern gestärkt. Sie fand Trost in der Arbeit, in den Kindern, die sie pflegte, und in den Erinnerungen an die Liebe, die sie einst erlebt hatte und im Dasein für ihre Tochter, gerade einmal achtzehn Jahre alt. Ein junges Mädchen, das gerade erst begann, das Leben zu erkunden.

Dann ist da noch Andrea’s demente Mutter, eine weitere Last auf ihren Schultern. Tag für Tag kämpfte sie gegen die Vergesslichkeit an, gegen die Einsamkeit und die Angst, die ihre Mutter umgeben.
Das Thema, das uns zusammenführte, waren ihre Haare. Sie erinnerte sich daran, wie sie einst begonnen hatte, ihre Haare zu färben, als die ersten grauen Strähnen auftauchten. Wie sie versucht hatte, dem Alter zu entkommen, dem Urteil der Welt zu entgehen. Doch irgendwann hatte sie aufgehört, sich zu verstecken. Sie hatte ihre Haare kurz geschnitten, die Farbe rauswachsen lassen und sich selbst angenommen, so wie sie war.

Es war ein befreiendes Gefühl, sich nicht mehr zu schelten für das, was man ist. Andrea spürte die Blicke der Menschen auf sich ruhen, wenn sie durch die Gänge des Krankenhauses ging, spürte die Fragen in ihren Köpfen, die sie nicht zu stellen wagten. Doch sie lächelte nur und ging weiter, stolz auf die Frau, die sie geworden war.

In den stillen Stunden, wenn das Krankenhaus zur Ruhe kommt oder in ihrer Freizeit, wenn die Welt draußen verstummt, liest Andrea oft Bücher oder hört Hörbücher und träumt von Abenteuern, die fernab der Realität liegen.
Doch hauptsächlich lebt sie für die Kinder, die sie liebte, für die Familie, die sie beschützte, und für sich selbst, für die Frau, die sie geworden ist: eine Kämpferin, eine Heldin, eine Frau namens Andrea.

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