Das ist Frau Timmermanns in ihrem übersichtlichen, liebevoll gefüllten Laden.

Eine dokumentarische Aufnahme, ein Porträt gelebter Alltagskultur. Ein Mikrokosmos von Nähe, Versorgung, Vertrauen – und sicher auch von nachbarschaftlicher Beziehung. Sie steht da, wie man sie kannte: freundlich, präsent, mit beiden Händen auf der Ladentheke – als wollte sie sagen: „Hier bin ich, das ist mein Platz.“  Gemeinsam mit ihrem Mann führte sie den kleinen Laden im Erdgeschoss jenes Hauses auf der Bankstraße, in dem ich damals lebte.

Es war mehr als ein Geschäft. Es war ein Ort des Ankommens. Für frisches Gemüse, ein Schwätzchen, den kleinen Austausch über das Wetter, das Leben, die Stadt. Ihr Lächeln – keine Pose. Ihre Haltung – klar, verbindlich, nahbar. Diese Aufnahme gehört zu den Fotografien, die mich selbst erinnern: an Gerüche, Geräusche, Bewegungen im Treppenhaus, und an das leise Gefühl, Teil eines Gewebes zu sein, das Nachbarschaft hieß.

Im Zentrum der Aufnahme steht eine Frau mittleren Alters in weißer Arbeitskleidung hinter einer Ladentheke. Sie blickt lächelnd in die Kamera. Umgeben ist sie von Regalen mit Konserven, Obst und Gemüse, Preisschildern, Produkten des täglichen Bedarfs. Im Vordergrund ist eine Waage sichtbar. Die Szene wirkt lebendig, aber ruhig komponiert. Der Blick der Fotografin ist direkt, unprätentiös, zugewandt.

Diese Fotografie ist mehr als ein Porträt: Sie ist eine soziale Momentaufnahme – und ein Fenster in ein verschwundenes Stadtbild. Der Bildaufbau ist klar und frontal. Frau Timmermanns steht zentral im Bild, eingerahmt von einer Fülle an Waren, Schildern, Strukturen. Diese Überfülle ist kein Chaos, sondern erzählt von Sorgfalt und Selbstverständnis. Alles hat seinen Platz – wie sie selbst. Ihre Körperhaltung ist offen, fast einladend. Die Arme stützen sich auf die Theke, der Kopf ist leicht geneigt, das Lächeln wirkt echt.
Die Lichtführung ist weich, die Kontraste zurückhaltend. Dadurch entsteht keine dramatische Bühne, sondern ein Raum der Nähe. Der Hintergrund – ein voll bestücktes Regal – ist nicht nur dekorativ, sondern verweist auf eine Zeit, in der Kleinstläden Teil des Alltags waren. Jeder Zettel, jede Wurst, jeder Bund Petersilie erzählt mit.
Formal gesehen: Es ist ein klassisch dokumentarisches Porträt. Doch in seiner Haltung liegt etwas zutiefst Persönliches: Ein Blick, der Vertrauen voraussetzt. Eine Szene, die nicht gestellt wirkt, sondern gefunden. Die Fotografin ist Teil der Situation – nicht Beobachterin von außen, sondern jemand, der dazugehört.
Die Bildsprache ist unaufgeregt, präzise, leise beobachtend – und gerade dadurch berührend. Sie lässt Raum für Erinnerung. Für Gerüche, Stimmen, Schritte auf dem Boden. Für das Gefühl, wie es war, als der Gang in den Laden noch ein Gespräch bedeutete, kein Konsumakt.

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