Endlich, tue ich das, worauf ich schon lange Lust habe: Ich beschäftige mich mit Theorie. Der Grund ist, dass ich gelesen habe, dass es massive Kritik an der Ausstellung „The Family of man“ gibt. Das hat mich neugierig gemacht.

If only I knew a better term than humanity, that poor, provincial term of a halfeducated European. But I don’t.
Max Horkheimer (1895–1973)

Der Vorwurf lautet, Edward Steichens „Blockbuster-Ausstellung“ wäre die „fotografischen Ideologie der Nachkriegszeit“ und „die Verklärung der Vorkriegsavantgarde- und sozialdokumentarischen Fotografie in das Werbe- und Modevehikel des Konsumkapitalismus“.

Für Susan Sontag ist sie eine „Ideologische Übung in sentimentalem Humanismus im Dienste der Propaganda des Kalten Krieges und der visuellen Kultur, die vom Life-Magazin verkörpert wird.

In dem Buch „Über Fotografie“, im Original „On Photography“, das 1977 erschienen ist, schreibt Susan Sontag etwas, das mich hat aufhorchen lassen:

Seit den zwanziger Jahren sind ehrgeizige Berufsfotografen, deren Arbeiten den Weg in die Museen finden, immer mehr von poetischen Motiven abgekommen und haben sich ganz bewusst an unscheinbaren, kitschigen, ja sogar faden Sujets versucht. In den letzten Jahrzehnten ist es der Fotografie gelungen, unser aller Vorstellung von dem, was schön und was hässlich ist, einigermaßen zu revidieren – und zwar im Sinne der Thesen Whitmans.
Wenn (um mit Whitman zu sprechen) »jeder bestimmte Gegenstand, jeder Zustand, jedes Zusammentreffen, jeder Vorgang Schönheit offenbart, wird es oberflächlich, einige Dinge als schön und andere als nicht-schön zu definieren. Wenn alles, was ein Mensch tut oder denkt, von Bedeutung ist«, wird es unwillkürlich, einige Momente im Leben als bedeutsam und die meisten anderen als banal zu betrachten.
Fotografieren heißt Bedeutung verleihen.“.
Weiter spricht Sontag davon, dass, „... Fotos von Kümmerlingen zeigen nicht Majestät und Schönheit. Sie zeigen Kümmerlinge.

Sie nimmt sich das Recht heraus, zu entscheiden, was Schönheit ist. Und teilt nicht diese Ansatz:
Kein Augenblick ist bedeutsamer als irgendein anderer, kein Mensch interessanter als jeder andere.

Sie kritisiert Whitmans Philosophie:
Whitman predigte Einfühlungsvermögen, Eintracht in der Zwietracht, Einheit in der Vielfalt. Seelisch-geistige Verbindung mit allem und jedem – und überdies (wenn irgend möglich) sinnliche Vereinigung, das ist der schwindelerregende Weg, den einzuschlagen er in seinen Vorworten und Gedichten immer wieder nachdrücklich empfiehlt.”

Und hier Susan Sontags Kritik an der Ausstellung “The Family of man“:

Der letzte Nachhall von Whitmans erotischer Umarmung der ganzen Nation, jetzt allerdings auf die ganze Welt bezogen und jedes genaueren Anspruchs entkleidet, war in der Ausstellung Family of Man zu spüren, die 1955 von Edward Steichen, dem Zeitgenossen von Stieglitz und Mitbegründer der Foto-Sezession, zusammengestellt wurde. Fünfhundertdrei Aufnahmen von zweihundertdreiundsiebzig Fotografen aus achtundsechzig Ländern sollten einem gemeinsamen Zweck dienen, nämlich beweisen, daß die Menschheit »eins ist und daß alle Menschen, ungeachtet ihrer Schwächen und Niederträchtigkeiten, anziehende Geschöpfe sind. Die fotografierten Personen repräsentierten alle Rassen, Altersstufen, Gesellschaftsschichten und Erscheinungstypen. Viele hatten ungewöhnlich schöne Körper, manche schöne Gesichter. Hatte Whitman seine Leser gedrängt, sich mit ihm und mit Amerika zu identifizieren, so wollte Steichen mit seiner Ausstellung jedem Betrachter die Möglichkeit bieten, sich mit vielen der fotografierten Personen, vielleicht sogar mit allen, zu identifizieren: Bürger der Welt sie alle.“

 

Susan Sontag ist nicht alleine mit Kritik an der Ausstellung, da wären noch andere Namen:

Ich hoffe sehr, dass ich zu allen die entsprechenden Texte finde.

Im Moment bin ich der Meinung, dass diese Kritik sicher berechtigt ist und hier ein alter weißer Mann – Edward Steichen – seine Sicht auf die Welt darstellt im Sinne einer triumphalistischen amerikanische Kultur.
Vielleicht bin ich der manipulativen Kraft der Fotografien erlegen, wenn ich trotz allem der Meinung bin, dass diese Ausstellung den Wunsch nach Humanität ausstrahlt, bzw. bei mir den Wunsch antriggert, dass wir Menschen endlich begreift, dass wir alle auf diesem Planeten das Recht haben in Frieden, Freiheit und Glück zu leben.

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