Zufällig hielt ich ein altes Manuskript in den Händen. Geschrieben 1988, im Rahmen meiner Einstufungsprüfung an der Gesamthochschule Essen. Der Titel: Die Entwicklung des Bildjournalismus in Verbindung mit der Darstellung der Arbeiten des Kriegsberichterstatters Robert Capa.
Ich begann zu lesen – und war überrascht, wie sehr mich meine eigene Stimme von damals berührte.
„Fotos von Robert Capa haben meines Erachtens genau diese neue Wahrheit zum Inhalt. Die Aussage seiner Fotos ‚schießt‘ in mein Herz. In meinen fotojournalistischen Arbeiten bin ich genau um diese Art von Fotografie bemüht.“
Dieser Satz ließ mich innehalten. Er ist über dreißig Jahre alt, und doch erkenne ich darin etwas von meinem heutigen Credo: dass Fotografie mehr ist als Abbildung. Dass sie eine Sprache ist, die das Herz trifft – im besten Fall dort, wo Worte nicht hinreichen. Damals schrieb ich voller Bewunderung über Robert Capa, über seine Haltung inmitten des Krieges. Heute weiß ich, dass mich nicht allein seine Bilder faszinierten, sondern sein Festhalten an Menschlichkeit. Dass er selbst im Chaos, im Grauen, im Verlust den Blick nicht verlor für Würde, für Nähe, für das, was uns als Menschen verbindet.
Beim Wiederlesen spüre ich, wie konsequent ich diesen Faden in meiner eigenen Arbeit aufgenommen habe – ob bewusst oder unbewusst. Die junge Frau von damals schrieb noch im akademischen Ton, belegt mit Literaturzitaten, geschult am Kanon der Fotogeschichte. Die Frau von heute schreibt in der ersten Person, fragt nach Resonanzräumen, nach Verantwortung, nach Sichtbarkeit.
Ist das Nostalgie? Vielleicht. Aber eher ist es eine Begegnung mit mir selbst. Ein Echo aus der Vergangenheit, das sich mit meiner Gegenwart verschränkt.
Ich nehme diesen Text heute nicht als bloßes Relikt, sondern als Dokument meines Weges: So habe ich damals gedacht, so habe ich mich verortet. Und manches davon gilt bis heute.
Vielleicht ist das die eigentliche Aufgabe des Erinnerns: Nicht im Damals zu verharren, sondern das Früher als Spiegel für das Heute zu nutzen.
Schlussgedanke:
Fotografie ist für mich bis heute Herzschlag und Haltung. Ein Bild darf treffen – aber nicht verletzen. Es darf „ins Herz schießen“, um etwas in Bewegung zu setzen. Das wusste ich 1988 schon, auch wenn ich es erst viel später wirklich verstanden habe.