Ein poetischer Essay über Gegenstände, Bedeutung und stille Begleiter.
Nachdem ich durch das Fäden-Entwirren auf meinem Handy scheinbar wieder zu einer gewissen Ordnung im Inneren gefunden habe, spüre ich nun das ganz dringende Bedürfnis, in meiner Wohnung auszumisten, zu sortieren, wegzuschmeißen und zu bewahren.
Als ich vor zwei Jahren meine Stillleben kreierte, war ich darüber froh, dass ich diese Dinge in meiner Wohnung finden und fotografieren konnte. Ich bewohne diese Wohnung seit Oktober 1989, also schon recht lange. Die Zimmer, außer Küche und Bad, wurden schon oft umgeräumt und bekamen neue Aufgaben. Bei der letzten wirklich monumentalen Aktion zog ein Fotostudio in meine Wohnung ein. Daraus resultieren noch immer Kartons mit Sachen, für die ich keinen endgültigen Platz gefunden habe. Das will ich jetzt ändern. Leider weiß ich nicht, wie ich das hinbekomme.
Die Dinge, die mich hier in meiner Wohnung umgeben, tragen Fingerabdrücke, Schatten, Spuren früherer Versionen meiner selbst. Sie erinnern – auch dann, wenn ich selbst vergessen wollte.
Die Bedeutung dieser Dinge haben sie meist nicht von sich aus. Ich habe sie ihnen gegeben – sie mit Erinnerung, mit Emotion, mit Geschichte belegt. Ein alter Kameragurt. Eine alte Kameratasche. Ein zerfleddertes Notizbuch. Und so vieles mehr, bei dem ich oft nicht mehr weiß, warum ich es behalten habe. Manche Dinge sind leise Speicher. Andere: kleine Proteste gegen das Verschwinden.


Es gibt Dinge, die wir besitzen. Und Dinge, die uns halten. Die einen sind Mittel zum Zweck – sie erfüllen Funktionen, sie lassen sich einordnen, zählen, verstauen. Die anderen sind mehr als das: Sie tragen Erinnerungen, stützen uns in Momenten der Unsicherheit, verbinden uns mit einem Gefühl von Zuhause oder Zugehörigkeit.
Der alte Kameragurt zum Beispiel: Er hat mich über Jahre begleitet, lag in meiner Hand, wenn ich gearbeitet habe, wenn ich gesehen habe. Er hält nichts mehr – außer der Erinnerung daran, wie ich gehalten wurde, in meiner Arbeit, in meinem Tun.
Diese Dinge halten uns nicht fest. Sie halten uns – innerlich. Sie stabilisieren, wenn wir wanken. Sie erinnern, wenn wir zweifeln. Sie helfen uns, uns selbst zu verorten – nicht als Besitz, sondern als Teil unserer Geschichte. Besitz ist etwas, das man haben kann.
Bedeutung ist etwas, das man nicht verlieren möchte.


Wir geben Bedeutung oft den Dingen, die in Übergangsphasen bei uns waren – Trostspender, Brücken, Anker. Nicht alles, was wir behalten, ist nützlich. Aber manches ist notwendig. Weil es uns erinnert, wer wir waren. Oder wer wir geworden sind. Sie erzählen keine Geschichte. Aber sie enthalten welche.
Vielleicht habe ich sie deshalb fotografiert: Diese Gegenstände, die keine Menschen brauchen, um etwas auszusagen. Sie liegen, stehen, lehnen – und lassen sich ansehen. Ohne sich zu verstellen. Ohne Eile. Ohne Anspruch. Sie bleiben.
Sie werden bedeutungsvoll, weil wir ihnen etwas anvertrauen: unsere Blicke, unsere Hände, unsere Geschichten. Und manchmal lassen sie uns selbst darin erkennen.
Was hebe ich auf? Was lasse ich gehen?
Was liegt in deiner Schublade, das nicht nützlich, aber notwendig ist?
Was in deinem Raum ist nicht Ding – sondern Spiegel?
Vielleicht sind es gerade die Dinge, die wir nicht suchen, die uns am längsten begleiten. Vielleicht, weil wir ihnen etwas gegeben haben, dass sie für uns aufbewahren. Vielleicht geht es nicht darum, alles zu behalten. Sondern darum, zu erkennen, was uns noch trägt – und was wir getrost loslassen dürfen.

Dieses alte Bügeleisen wurde im Haushalt meiner Mutter* 1913 benutzt.

Dies ist ein Kaffeezubereiter – Flohmarktfund.

Flohmarktfund auf einem amerikanischen Flohmarkt – gefunden auf meiner ersten Reise durch die USA.

Tortenbodenformen aus dem Haushalt meiner Mutter.