Brüssel 1983 – Das Ende des Frauen Friedensmarsch
Ein visuelles Zeitdokument
Mit dem Foto des Polizeieinsatzes gegen die demonstrierenden Frauen in Brüssel habe ich 1985 den 1. Preis bei der „bifota, Berliner Internationalen Fotoausstellung“ gewonnen. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese Situation und an das Grinsen im Gesicht der belgischen Polizisten, als sie die Frauen gewaltsam abdrängten. Ich musste rückwärts gelaufen sein, um diese Fotos zu machen, jedoch erinnere ich mich daran nicht. Ich erinnere mich aber daran, dass diese gesamte Situation mich emotional sehr mitgenommen hat, schließlich wurden dort Macht und Gewalt praktiziert.
Männliche Gewalt gegen Frauen, etwas, das ich weiterhin nicht aushalten kann, egal ob ich selbst betroffen bin oder nicht.
Diese Fotografie zeigt nicht nur einen Moment der Geschichte – sie zeigt, was es heißt, nicht wegzusehen.

Diese Schwarzweiß-Fotografie ist ein Beispiel für eine dichte, spannungsreiche Reportageaufnahme mit klarer politischer Aussagekraft. Sie zeigt Frauen im Vordergrund, umringt von männlichen Polizisten in Uniformen und Helmen – eingefroren in einem Moment physischer und psychischer Konfrontation.
Komposition und Bildaufbau
Die Komposition ist zentral verdichtet: Zwei Frauen dominieren die vordere Bildebene – eine ältere Frau rechts, eine jüngere links –, umrahmt und fast eingekesselt von einer dichten Formation von Polizisten. Die Hauptfigur der Polizei – mittig positioniert, in heller Uniform – fungiert fast wie eine Achse oder eine Barriere im Bild. Sein Blick richtet sich frontal in die Kamera, was ihn ungewollt zur Figur der Macht macht – ruhig, aber unnachgiebig.
Die Polizist:innen im Hintergrund bilden durch ihre Helme und Uniformen ein visuelles Raster: rhythmisch, anonymisierend, abschottend. Ihre Präsenz ist dominant, aber kontrolliert – keine physische Gewalt ist unmittelbar sichtbar, doch das Bild atmet Bedrohung durch Präsenz. Die diagonale Bewegung von links unten nach rechts oben (von der jungen Frau zur alten Frau) gibt dem Bild eine innere Dynamik. Sie führt das Auge entlang der Arme, Hände, Gesichter – eine Bewegung, die von Abwehr, Schutz und Festhalten spricht.
Körpersprache und Mimik
Die ältere Frau wirkt erschöpft, aber nicht gebrochen – ihr Blick geht nach vorn, leicht nach oben, als suche sie Orientierung oder Luft.
Sie trägt ein dunkles Tuch, das ihre Figur noch schlichter, verletzlicher erscheinen lässt – und gleichzeitig würdevoller. Die lange Kette um ihren Hals wirkt wie ein stilles Symbol, ein persönlicher Talisman.
Die jüngere Frau an ihrer Seite hat eine gespannte, schützende Haltung – sie ist bei ihr, hält, stützt, vermittelt. Ihre Kleidung ist schlicht, ihr Ausdruck konzentriert. Ihr ganzer Körper scheint zu sagen: Ich bin da.
Der Kontrast zur Körpersprache der Polizei ist auffällig: Ruhig, aber entschlossen. Uniformiert im doppelten Sinn – äußerlich wie innerlich. Viele der Polizisten tragen den gleichen Ausdruck: abwartend, distanziert, teilweise auch zynisch.
Licht und Tonwert
Das Licht ist weich, wohl durch eine bewölkte Himmelsdecke gebrochen – ideal für die Differenzierung der Graustufen. Die Helme glänzen leicht, das Gesicht der älteren Frau ist hell modelliert. Die Mitteltöne dominieren, die Kontraste sind nicht hart, aber klar.
Spannungsverhältnisse und Bildwirkung
Das Spannungsverhältnis liegt im Kontrast: weiblich gegen männlich, zivil gegen uniformiert, Mensch gegen Macht.
Doch das Bild ist kein plakatives Gegenüberstellen – es zeigt keine Eskalation, sondern eine Phase des Dazwischen: angespannte Kontrolle. Diese Zwischenzeit ist es, die das Bild so aufwühlend macht. Es ist ein Moment kurz vor dem Umkippen – sichtbar, fühlbar, aber nicht eindeutig lesbar.
Die Fotografie arbeitet nicht mit Symbolen, sie ist selbst ein Symbol für zivilen Widerstand, für das dokumentarische Sehen als Form von Zeug:innenschaft.