Es ist ein ruhiger Herbstsonntag mit wunderbarem Licht. Ich sollte draußen in der Natur sein, das Leben genießen. Doch in meinem Kopf herrscht Unruhe – eine Flut von Gedanken, die ich nicht entwirren kann. Wie beginne ich, sie zu ordnen? Vielleicht hilft es, sie aufzuschreiben.

Ich sehe mir gerne Videos von schlafenden Katzen an, ja ich bekenne mich dazu, ebenso gerne sehe ich Videos von liebevollen Tiereltern. Ich bewundere Menschen, die aus einem alten Doppeldeckerbus ein wunderbares Heim auf Rädern machen, oder die, die eine alte heruntergekommene Villa wieder mit Leben füllen wollen. Auch würde ich gerne Bücher binden oder endlich den Quilt zu Ende nähen, den ich Anfang des Jahres begonnen habe. Ich würde auch gerne mehr Bücher lesen, als ich im Moment schaffe. Ach ja, da wäre noch das Werkverzeichnis meines fotografischen Archivs, an dem ich gerne weiter arbeiten möchte, und dann ist da das Problem mit meiner Gesundheit, das meine Aufmerksamkeit verlangt. In die Muckibude würde ich gerne mit mehr Regelmäßigkeit gehen, ach ja, schwimmen würde ich auch gerne endlich mal wieder. Es würd mir auch gefallen, wenn ich eine Morgenroutine schaffen könnte – doch dafür scheine ich nicht der Typ zu sein. Da ist jedoch mein Wunsch nach Struktur – ein Packende, an dem ich beginnen kann.

 

Dann die Foto-Ausstellungen, die ich mir angesehen habe und noch ansehen will und die, an denen ich selbst beteiligt bin. Da stellen sich viele Fragen in Bezug auf meinen eigenen Weg als Fotografin. Was will ich noch, wo will ich hin?

Ich brauche einen Raum, in dem ich mir diese Fragen stellen kann, um eine Antwort zu finden, ist mein Eindruck.

Doch während ich nach Ordnung in meinem eigenen Leben suche, ist auch in der Welt um uns herum Unruhe. Es scheint kaum zu glauben, dass es immer noch Krieg auf diesem Kontinent gibt. Die Wahlen in den USA sind eine Horrorstory, ebenso das, was da in Thüringen gerade abgeht.

Dann der Prozess in Avignon. ‘Nicht alle Männer’ – wie oft haben wir diesen Satz gehört? Doch wie lange können wir ihn noch ertragen? Es ist längst Zeit, dass jene Männer, die sich nicht mitschuldig fühlen, aufstehen und laut verurteilen, was dort geschehen ist. Ihr Schweigen ist ohrenbetäubend. Schweigen heißt Zustimmung – das wissen wir aus der Geschichte. Es reicht nicht mehr, sich passiv als ‘nicht Teil des Problems’ zu betrachten. Genauso wie es im Kampf gegen Rassismus nicht genügt zu sagen: ‘Ich bin kein Rassist’. Nein, jetzt ist antirassistisches Handeln gefordert. Ebenso fordere ich von den Männern: Es reicht nicht mehr, einfach nur zu behaupten, ‘nicht alle Männer’ seien so. Es ist an der Zeit, aktiv gegen sexuelle Gewalt einzustehen.

Gisèle Pelicot, für mich eine wahre Heldin, hat den Mut, diese monströsen Verbrechen ans Licht zu bringen. Und wer sitzt bei der Verhandlung? Vorwiegend Frauen. Ihre Anwesenheit ist ein Zeichen der Solidarität und des Widerstandes. Doch wo sind die Männer? Ihre Gleichgültigkeit ist der Nährboden, auf dem diese Gewalt gedeihen kann. Also, Männer, schweigt nicht länger – erhebt eure Stimmen, bevor es wieder zu spät ist.

Anfang des Jahres war diese beeindruckende Demonstrationsbewegung gegen die AFD. Ich war aktiv daran beteiligt, dass es bis zu den Europawahlen eine Mahnwache vor dem Düsseldorfer Rathaus gab. Leider konnte ich aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst daran teilnehmen. Meine Gesundheit ist der Grund, dass ich mich auf Dinge konzentrieren möchte, die ich auch umsetzen kann, doch was könnte das sein?

OK, da war am Freitag endlich die Ausstellungseröffnung, an der über 2 Jahre gewerkelt worden ist. Zu Anfang war ich gelassen, weil ich mir vorstellen konnte, wie schwerfällig so ein Uni-Betrieb sein kann, schließlich habe ich über 10 Jahre im Öffentlichen Dienst als Angestellte gearbeitet. Die an dem Projekt mitarbeitenden Frauen der Krebsberatungsstelle waren sehr engagiert und es war eine wunderschöne Veranstaltung. Beim Aufhängen meiner Ausstellung habe ich mich bedauerlicherweise vollkommen überfordert. Daraus muss ich lernen, dass ich akzeptieren muss, das ich keine 25 sondern 74 Jahre alt bin.

Ein weiteres Thema, das mich jeden Tag beschäftigt. Da ich inzwischen intensiv spüre, dass dieses Alter mir offensichtlich doch Grenzen aufzeigt, mit denen ich nicht gerechnet habe. Die Erschöpfung ist da, tief und schwer. Vielleicht, weil jetzt der Raum dafür ist. Ein Raum, den ich mir nehmen muss, um Antworten zu finden. Wo fange ich an?

Wenn ich mir diese Themenvielfalt so ansehe, dann erinnern sie mich an den Quilt, den ich begonnen habe zu nähen. So ein Quilt besteht aus einzelnen Blöcken. Diese müssen zusammengefügt werden und ergeben dann ein neues Ganzes. Ich habe vor vielen Jahren, in einer Zeit der tiefen Lebenskrise, angefangen, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Rückblickend war es sehr hilfreich, Stoffstücke zusammenzufügen, um wieder ein Ganzes zu erhalten.

Vielleicht liegt der Anfang nicht in der Frage, wo ich starten soll, sondern im Vertrauen, dass, wie damals, ein Ganzes entstehen wird – Stich für Stich, Block für Block.

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