Da gab es diesen einen Moment, dieses eine – vielleicht ein Missverständnis?
Oder doch ein seit Langem brodelndes Problem?
Am nächsten Tag, schon beim Wachwerden, fühlte sich alles so schwer an – jeder Gedanke, jede Bewegung, selbst die Zeit schien zäh und unbeweglich. Ich wusste: Meine Depression war zurück.
Wieder einmal.
Früher hätte mich diese Erkenntnis in eine Spirale aus Selbstvorwürfen und dem verzweifelten Versuch gestürzt, alles irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Aber diesmal war es anders. Diesmal habe ich mir erlaubt, stehenzubleiben, tief durchzuatmen und zu sagen:
Okay, du bist da. Dann gehen wir eben zusammen weiter – einen Schritt nach dem anderen.

Rezidivierende Depressionen – das bedeutet, dass sich depressive Episoden immer wieder ins Leben schleichen können, auch wenn dazwischen Phasen der Stabilität liegen. Es ist, als würde die Dunkelheit nie ganz verschwinden, sondern geduldig in den Schatten warten. Oft gibt es keinen offensichtlichen Grund, warum sie plötzlich wieder zuschlägt – und manchmal reicht ein scheinbar kleines Ereignis im Alltag, um alles ins Wanken zu bringen und plötzlich bricht die Schutzmauer, die ich mir so mühsam aufgebaut hatte, in sich zusammen, und die vertraute Schwere war wieder da. Ich spürte, wie mich die Dunkelheit einholte – eine Welle aus Schwere, die mich völlig überrollte. Was dann folgte, war eine Erstarrung, wie ich sie nur zu gut kenne. Diese lähmende Bewegungslosigkeit, in der selbst der kleinste Schritt oder ein positiver Gedanke unmöglich scheinen. Es ist, als wäre mein Körper an Ort und Stelle festgeklebt, während mein Geist in einem undurchdringlichen Nebel gefangen ist. Diese Erstarrung war ein Ausdruck meiner Hilflosigkeit – ein Schutzmechanismus, der mich vor der Welt und vielleicht auch vor mir selbst bewahren wollte, oder?

Tagelang habe ich meine Wohnung nicht verlassen, unterbrochen nur von einer Verabredung mit meiner Schwester, die ich einmal zum Essen traf und dann zu einem Arzttermin begleitete. Ich wollte zum Sport – wirklich –, doch ich konnte mich einfach nicht aufraffen. Der Vorrat im Kühlschrank reichte, um mir etwas zum Mittagessen zu machen, und genau das habe ich getan. Jeden Morgen habe ich die Wohnung durchgelüftet. Ich habe auch meine Aromaöle verdampfen lassen – eine Mischung aus Muskatellersalbei, Bergamotte und Citrus. Die Düfte sind wie ein stiller Begleiter, sie wirken wie ein Antidepressivum und sind auf jeden Fall eine Erleichterung, wenn auch nicht die Lösung.
Gestern habe ich mich an EMDR erinnert, etwas, das ich in meiner Therapie kennengelernt habe.

EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist eine therapeutische Methode, die zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen psychischen Störungen eingesetzt wird, die mit belastenden Erinnerungen verbunden sind. Sie wurde in den späten 1980er Jahren von Francine Shapiro entwickelt. Ich denke, ich habe schon öfter darüber geschrieben. Die Methode basiert auf der Annahme, dass traumatische Erlebnisse nicht richtig verarbeitet werden und im Gehirn „festhängen“, was zu psychischen Beschwerden führen kann. Bei EMDR werden die Patienten gebeten, sich an belastende Erinnerungen zu erinnern, während sie gleichzeitig bilaterale Stimulationen erhalten, meistens in Form von schnellen Augenbewegungen von links nach rechts. Diese Stimulation soll helfen, die Verarbeitung der Erinnerungen zu fördern, sie neu zu bewerten und die mit ihnen verbundenen negativen Emotionen zu reduzieren. EMDR hat sich als wirksam erwiesen, nicht nur für PTBS, sondern auch für andere psychische Gesundheitsprobleme wie Angststörungen, Depressionen und Phobien.

Die Zeit scheint geprägt von Dauerschleifen: Serien, die endlos liefen, und den wiederkehrenden Vorwürfen, ich müsste doch endlich in die Gänge kommen. Aber es ging einfach nicht. Gestern dann ein Moment, der mich tief traf: Etwas war unter mein Bett gerollt, und um es hervorzuholen, musste ich mich auf die Knie begeben. Es war schmerzhaft. Da wurde mir erneut bewusst, wie stark mein Muskelschwund in den letzten fünf Jahren zugenommen hat. Es fühlt sich an, als wäre dieser Prozess unaufhaltsam. In solchen Momenten frage ich mich, warum ich noch weiterleben will. Nicht, dass ich konkrete Selbstmordgedanken hätte – es ist mehr diese überwältigende Sinnlosigkeit, die mein Leben manchmal zu dominieren scheint. Eine Leere, die alles andere zu verschlucken droht.

Doch selbst in dieser Sinnlosigkeit gibt es kleine Anker: die Luft, die morgens durch die Fenster strömt, der Duft meiner Öle, und manchmal auch das Schreiben selbst. Vielleicht sind diese kleinen Schritte alles, was ich gerade brauche.

Hier zu sitzen und das alles aufzuschreiben in dem Moment, in dem es IST hilft mir ungemein, ist mein Eindruck. Ja, es ist diesmal anders, ich erlebe diesen Prozess nicht total ausgeliefert, sondern als Beobachterin. Ich kann Einfluss nehmen, bin nicht vollkommen hilflos. Ich habe meine Aromaöle, Embodiment und EMDR. Ich kann es in Worte fassen, was mir gerade passiert – das ist doch ein wunderbarer Schritt in die richtige Richtung. Ich habe ein Lächeln im Gesicht.

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