Ich bin aufgewachsen in dem Bewusstsein, wenn eine Frau sich frei machte von weiblichen Rollenmustern und gesellschaftlichen Erwartungen, wenn sie z.B. einen vermeintlich männlichen Beruf hatte, macht sie das obwohl sie eine Frau ist. So, als sei das Frausein eine Behinderung.
Ich habe gelernt, dass die gesellschaftliche Benachteiligung der Frau durch die Gleichheit der Geschlechter, die eine Angleichung und Anpassung des weiblichen Geschlechts an das männliche bedeutet, behoben werden kann. Dies bedeutet jedoch auch, dass der Mann der Maßstab all dessen wäre, was richtig und gut für die Frau ist.
Bedeutet die Gleichstellung von Frau und Mann somit nicht eine Unterwerfung der Frau unter die phallokratische Ordnung (auf einer Überbewertung des männlichen Geschlechts beruhende Vorherrschaft des Mannes) ?
Die Matriarchatsforscherin Gerda Weiler schreibt dazu: „Die Gleichsetzung des Menschen mit dem Mann löscht das Menschentum der Frau aus“.
Luce Irigaray meint “Gleichmachung bedeutet Unterordnung eines Geschlechts unter das andere.“ Sie will das Weltbild nicht umkehren, in dem das Weibliche zum Eichmaß wird. Es geht ihr darum, die Differenz zwischen den Geschlechtern zu praktizieren.
Puh, das stellt mein bisheriges Weltbild auf den Kopf. Nein, das hat schon meine Enkeltochter Tilda getan, die 2018 geboren wurde, in dem Jahr, in dem ich mit der Göttinnen-Portraits begonnen habe.
Ich kann mich wirklich nicht erinnern warum ich diese Serie begonnen habe. Es ging um das Frausein, daran erinnere ich mich. Meine Vorstellung was Frausein bedeutet, hat sich gegenüber der Meinung, die ich dazu hatte, als ich eine junge Frau war, verändert. Abschließende Antworten auf die Frage: Was macht mich als Frau aus? habe jedoch noch nicht gefunden.
Im Zusammenhang mit meinem Göttinnen Projekt finde ich es erforderlich, etwas tiefer in das Thema einzusteigen und ich habe nachgeforscht und bin auf Begriffe und Erklärungen gestoßen, die vollkommen neu für mich sind. Z.B. „Geschlechterdifferenz“!
Heidrun Liussi meint „Die Idee der Geschlechterdifferenz steht für eine neue Kultur der sexuellen Differenz und einer Politik, in der das weibliche Geschlecht eine Sprache besitzt und präsent ist mit den ihm eigenen Wertmaßstäben und in der die Anerkennung der weiblichen Autorität stattfindet. Sexuelle Differenz bedeutet, dass die Frau nicht in Bezug auf den Mann definiert wird, sondern das Faktum, Frau zu sein, zur Grundlage der eigenen Freiheit zu machen.“
Beim Lesen dieser Texte denke ich darüber nach, was das alles mit meiner Mission zu tun hat. Mein Wunsch ist es, durch mein Göttinnen Projekt, einem Frauenbild Raum zu geben, dass vielleicht eine neue Bewertung des Weiblichen als Ursprung allen Seins beinhaltet. Das davon ausgeht, dass die besonderen Fähigkeiten, das Wissen und die Erfahrungen von Frauen Vermittlungsinstanzen für die weibliche Weltvermittlung sind. Ich wünsche mir, dass wir Frauen unsere eigenen, von den Männern unabhängige, Wertmaßstäbe finden und begreifen, dass wir als das weibliche Geschlecht unser Selbstbewusstsein und unsere Stärke daraus gewinnen, in dem wir uns mit weiblichen Lebenszusammenhängen auseinandersetzen und lernen uns gegenseitig wertzuschätzen.
Das nennt sich heute Empowerment!
Es geht mir darum, Frauen zur Entdeckung ihrer Stärken, ihres Wissens und ihrer Erfahrungen zu ermutigen.
Durch meine Portraits möchte ich den Frauen vermittel, dass sie diesen “göttlichen” Anteil haben, das er da ist, sie nur noch keinen Raum hatten ihn zu leben.
Fortsetzung folgt