Es gibt Momente, in denen man nicht schreit, sondern erstarrt. Nicht weil man nichts zu sagen hätte. Sondern weil die eigene Stimme plötzlich zu einem Echo in einem Raum ohne Resonanz wird.
Was ich sage, wird zurückgeworfen. Leer. Bedeutungslos.
Nicht weil es unwahr wäre, sondern weil niemand bereit ist, es zu hören.

Symbolische Ohnmacht
Wenn Frauen lernen, an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln.

Es gibt Gewalt, die man sieht. Und es gibt Gewalt, die unsichtbar bleibt, weil sie nicht den Körper trifft, sondern die Bedeutung dessen, was wir wahrnehmen. Symbolische Ohnmacht bedeutet: Meine Realität wird nicht bestätigt. Meine Erfahrung wird negiert. Nicht einmal widerlegt. Einfach nicht anerkannt.

Für Frauen ist das historisch ein Dauerton: Wahrnehmung wurde „Hysterie“ genannt, Wut „unangemessen“, Wissen „Emotion“.
Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten.
Es geht um diese Momente, in denen ein Gegenüber spüren lässt:
„Was du erlebt hast, zählt nicht.“

Der Angriff in meinem Studio

Vor Jahren griff mich ein Mann in meinem Studio an. Ich erstattete Anzeige. Es kam zum Prozess. Im Gerichtssaal schilderte ich, beschrieb, erklärte. Ich erwartete Skepsis. Ich erwartete, dass meine Wahrnehmung relativiert wird.
Doch etwas anderes geschah: Der Staatsanwalt glaubte mir. Der Richter glaubte mir.

Da wurde mir klar: Es geht nicht darum, was eine Frau sagt – sondern darum, wer ihr glaubt.

Frauen wird Glaubwürdigkeit oft erst dann zugestanden, wenn eine Autorität von außen ihre Wahrnehmung bestätigt. Es war nicht meine Aussage, die den Raum veränderte, sondern wer sie bestätigte.
Diese Erkenntnis traf tiefer als der Angriff selbst.
Ich dachte: Ich kann kaum glauben, dass es so funktioniert.

Dass Wahrheit nicht durch Erfahrung entsteht, sondern durch Anerkennung.
Dass Realität erst dann „gültig“ wird, wenn jemand mit Macht sie bestätigt.

Die andere Form der Ohnmacht: im Privaten

Es gibt die stille Version. Nicht vor Gericht. Sondern im Privaten.
Nicht durch Gewalt. Sondern durch Entzug.

Ein Mensch, der mir sehr nahestand, stellte meine Wahrnehmung infrage. Nicht durch Argumente. Sondern durch Rückzug.
Nicht die Handlung tat weh, sondern das, was unausgesprochen blieb:

„Deine Wahrnehmung hat keinen Platz in meiner Realität.“

Diese Form von Unglauben trifft tiefer als jeder Angriff.
Denn sie sagt:
„Es gibt dich – aber nicht als glaubwürdige Zeugin deines eigenen Lebens.“

Hier zeigt sich das perfide Prinzip symbolischer Ohnmacht:
Es wird nicht das Ereignis bestritten, sondern mein Recht, es zu benennen.

Wiederaneignung von innerer Autorität

Wenn Frauen ihre Wahrnehmung äußern, geschieht oft Folgendes:

– ihre Realität wird relativiert („Du übertreibst.“)
– die Verantwortung wird verschoben („Du bist zu empfindlich.“)
– ihre Wahrnehmung wird pathologisiert („Du interpretierst zu viel.“)

Das Ergebnis ist nicht Zweifel am Ereignis, sondern Zweifel an sich selbst.
Symbolische Ohnmacht ist die Enteignung innerer Autorität.

Die Frage ist nicht: Wie überzeuge ich andere?
Sondern: Wie höre ich auf, meine Wahrnehmung zu verhandeln?

Die Antwort beginnt hier:
Meine Wahrnehmung ist gültig – unabhängig von Zustimmung.

Es geht nicht darum, recht zu behalten. Es geht darum, bei sich zu bleiben.
Der Machtwechsel findet nicht im Außen statt, sondern im Inneren.
Vom Urteilen zum Spüren.
Vom Erklären zum Wissen.

Ich lerne – Schritt für Schritt – mich nicht mehr von der Bestätigung anderer abhängig zu machen.
Selbstkontakt statt Kampfmodus.
Selbstbestätigung statt Selbstzweifel.

Ich kann niemanden zwingen, mich zu verstehen.
Aber ich kann aufhören, meine Realität zu relativieren, nur um Beziehung nicht zu verlieren.

Der Satz, der alles verändert:
Ich glaube mir.

Das ist kein Trotz.
Das ist Würde.
Das ist Genesung.

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