Selbstportrait - August 2020

Selbstmitleid ist ein menschliches Gefühl, das entsteht, wenn wir uns in schwierigen oder unglücklichen Situationen befinden und uns selbst bedauern. Es ist ein emotionales Erlebnis, bei dem wir uns traurig, frustriert oder hilflos fühlen und uns in Gedanken oft mit unseren eigenen Problemen beschäftigen. Ich nehme meine gesundheitlichen Probleme gerade als besonders unfair oder unerträglich wahr. Es ist so, als wenn mir alles Schlechte widerfährt. Mir ist schon bewusst, dass  Selbstmitleid nicht unbedingt hilfreich ist, um schwierige Situationen zu bewältigen.

Stillleben - Gläser - August 2023

Ja, es reicht mir!

Was ist passiert?
Wo soll ich anfangen?
Das Leben, so einzigartig wie der Abdruck eines Fingers, birgt stets Herausforderungen und besondere Momente, schon klar und alt werden ist eben nichts für Weicheier, doch es muss erlaubt sein, sich mal lautstark zu beschweren. Und genau das habe ich nun vor.
Bei meinem längeren USA-Aufenthalt 1993 litt ich sehr unter meiner Schilddrüsenüberfunktion. In den USA wurde in einigen Regionen Jod dem Speisesalz beigefügt. Dies  wurde gemacht, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung ausreichend Jod aufnimmt, da Jod ein essenzielles Spurenelement ist, das für eine gesunde Schilddrüsenfunktion wichtig ist. Bei der bei mir vorhandenen Überfunktion hatte das verheerende Auswirkungen.
Mir ist bewusst, dass es im Laufe eines Lebens vielfältige gesundheitliche Herausforderungen geben kann. Von dem entzündeten Blinddarm meiner Jugend will ich da erst gar nicht reden. Oder von den Migräne-Anfällen, die mich zeitweise für Tage ans Bett fesselten. Die Schwangerschaft und die Geburt meiner Tochter verlief relativ gut, bis auf die enorme Gewichtszunahme, die ich jedoch selbst zu verantworten hatte. Und ich habe das Übergewicht wieder verloren.

Dann kam ein Zusammenbruch mit anschließender rezidivierender Depression. Auch das habe ich überstanden und zum Teil gut verarbeitet, ist mein Eindruck. Was aus dieser Phase meines Lebens übrig geblieben ist, ist Adipositas. Ein Balanceakt zwischen Wunsch und medizinischer Realität. Da ich keine funktionierende Schilddrüse mehr habe, war und ist es für mich nicht leicht Gewicht zu verlieren, auch wenn ich dies immer wieder versucht habe. Als ich mir dann Hunde in mein Leben holte, war es jedoch plötzlich möglich. Durch die notwendige Bewegung verlor ich an Gewicht und gewann Lebensfreude.

Dann entschloss ich mich, meinen Traum zu realisieren: Ich eröffnete ein Fotostudio für Portrait-Fotografie, das war 2011. Es war ein langer Weg bis hierhin, und ich war überglücklich, dass ich die Gelegenheit geschaffen hatte, meine Leidenschaft in die Realität umzusetzen. Doch wie es oft der Fall ist, bringt ein solches Vorhaben nicht nur Freude, sondern auch Herausforderungen mit sich. Die Entscheidung, mein eigenes Fotostudio zu eröffnen, war für mich mehr als nur ein beruflicher Schritt. Es war das Ausleben meiner Leidenschaft. Durch die ständige Beschäftigung mit Fotografie hatte ich die Chance, mich als Fotografin weiterzuentwickeln und mein Portfolio zu erweitern. Jedes Fotoshooting war eine Möglichkeit, meine Fähigkeiten zu schärfen und meine kreative Sichtweise zu verfeinern. Jede Kund:in, die ich begrüßte, jede Geschichte, die ich durch meine Fotos erzählen konnte, und jede Begegnung, bereicherte mein Leben auf eine einzigartige Weise. Die Interaktion mit Menschen verschiedener Hintergründe und Geschichten öffnet mir ständig neue Perspektiven, die meinen Horizont erweitern und mich als Mensch wachsen ließen.

Schwangere Frau
Akt, schwarz-weiß Fotografie

Natürlich möchte ich nicht verschweigen, dass die finanziellen Aspekte, die zu einem Fotostudio gehören, zweifellos eine Quelle von Stress waren. Doch trotz dieser Schwierigkeiten war ich fest entschlossen, meinen Traum zu verfolgen und mein Fotostudio zu einem Erfolg zu machen. Was mir sicher auch gelungen ist. Gesundheitlich ist diese Zeit jedoch nicht ohne Folgen geblieben. Ich hatte  u.a. Gallenkoliken und die Galle musste entfernt werden. Bei einem Sturz, während eines Shootings habe ich mir die linke Schulter ausgekugelt und das musste auch operiert werden. Der Freund einer unmöglichen Visagistin, mit der ich kurzfristig  zusammen gearbeitet  hatte und von der ich mich trennen musste, überfiel mich in meinem Studio und schlug mir ins Gesicht. Er wurde in zwei Instanzen vom Gericht dafür verurteilt, obwohl er es abstritt, es getan zu haben. Lange Zeit war mir nach dem Vorfall nicht bewusst, wie sehr er mich belastete, auch wenn die rein körperlichen Verletzungen nicht von Bedeutung waren, meine Seele war schwerer verletzt worden.

Durch die erforderliche Präsenz in meinem Studio hatte ich weniger Gelegenheit, mit meinen Hunden spazieren zu gehen und ich ernährte mich nicht gerade gesund, das führte zu einer Pre-Diabetes. Dieser begegnete ich mit mehr Bewegung und einer kontrollierten Ernährungsweise und schaffte es meine Werte in einen gesunden Bereich zu bringen. Das war vorbei, als ich im September 2019 die  Diagnose Gebärmutterkrebs erhielt. Seitdem bin ich Diabetikerin und muss inzwischen Insulin spritzen, da ich andere Medikamente nicht vertrage, genauer gesagt diese zu Magen – Darmbeschwerden führten. Nun ist es jedoch so, dass ein Medikament, das ich nehme, auch zu diesen Magenbeschwerden führt und ich dem hilflos gegenüberstehe.

Eine Ansteckung mit COVID-19  und meine Neigung zu Heuschnupfen und einer daraus resultierenden Bronchitis haben aktuell dazu geführt, dass ich jetzt auch noch Atemwegsprobleme habe. Meine Lungenkapazität liegt bei unter  50%. Das bedeutet, ich habe kaum die Energie, meinen Tag zu bewältigen. Dann die Folge meiner Krebserkrankung: Inkontinenz. Daraus resultieren Nächte, die von Schlaflosigkeit geprägt sind.

Alles in allem sieht so mein Leben gerade aus und darum sage ich:

 

Mir reicht es.

Stillleben - Februar 2023

Zurück zum Selbstmitleid, diesem komplexen menschlichen Gefühl, das in bestimmten Situationen auftreten kann. Da es wichtig ist, sich der eigenen Emotionen bewusst zu sein und gegebenenfalls nach positiven Wegen zu suchen, um mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen, habe ich diesen Text verfasst. Und im Moment finde ich, dass ich alles recht der Welt auf mein Selbstmitleid habe.

Eines ist mir jedoch sehr wichtig noch zu sagen: Wenn meine Welt auch oft von seelischen Belastungen und turbulenten Emotionen geprägt ist, habe ich als Fotografin einen einzigartigen Zufluchtsort gefunden, der mir ermöglicht, trotz aller Stürme meine Kreativität und Leidenschaft weiterzuleben: die Fotografie. Ich finde Trost darin, meinen Blick auf das Schöne, das Besondere und das Einzigartige zu lenken. Es ist, als ob ich durch den Sucher eine Verbindung zu einer anderen Dimension herstelle, in der Ängste, Sorgen und Stress verblassen und Platz für die Schönheit des Augenblicks machen.

Die Fähigkeit, trotz seelischer Belastungen zu fotografieren, ist ein Segen und eine therapeutische Kraft zugleich. In diesen Momenten, in denen ich die Welt um mich herum durch die Kamera betrachte, verschwinden meine Gedanken von den alltäglichen Problemen. Ich konzentriere mich auf das Spiel von Licht und Schatten, die harmonische Komposition und die emotionalen Botschaften, die meine Fotos vermitteln sollen. Die Kamera wird zu einem Werkzeug der Verarbeitung, des Ausdrucks und der Heilung.  Jedes Foto, das ich aufnehme, ist ein kleines Stück meiner Seele, das ich der Welt zeige. Es ist, als ob ich meine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen in jedes Bild einfließen lasse, das ich erschaffe. Die Bilder erzählen Geschichten, die oft tiefer gehen, als Worte es könnten. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Fotografie nicht dazu dient, die seelischen Belastungen einfach zu verdrängen oder zu ignorieren. Vielmehr bietet sie einen Raum, in dem ich meine Emotionen erkunden und verarbeiten kann. Jedes Bild, das ich mache, spiegelt nicht nur die äußere Welt wider, sondern auch meine innere Verfassung. Die Kamera ist ein Spiegel, der mich dazu anregt, mich mit meinen Gedanken auseinanderzusetzen und meine Gefühle zu akzeptieren. Die Möglichkeit, trotz aller seelischen Belastungen weiterhin zu fotografieren, zeigt mir, wie kraftvoll die Verbindung zwischen Kreativität und emotionaler Bewältigung sein kann.

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