Tag 1 meiner Auszeit.

Meine beiden Hundemädels sind ja nun seit einigen Jahren Teil meines Alltags, meines Lebens. Negrita ist sehr senisibel und so hat sie natürlich mitbekommen, dass ich dabei war meine Sachen in mein Auto zu laden und war sehr wuselig. Da ich bereits recht früh am Morgen alles verstaut hatte, bin ich auch recht früh losgefahren. Gassie-gehen ist in so einem Moment keine Option, weil Negrita einfach nicht pinkelt. Ich bin, obwohl es Freitag war und auf der rechten Spur fast nur LKWs fuhren, gut durchgekommen. Gegen 10.30h gab es dann eine Pinkelpause, diesmal wurde dieser Vorschlag auch von Negrita angenommen. Letztendlich war ich so früh am Anleger, dass ich eine frühere Fähre, als gebucht, erreicht habe. Auf der Insel angekommen bin ich direkt ans Meer gefahren. Wollte doch wissen, ob es noch da ist. Nee, schon klar, ich wollte einfach ans Meer und die Mädels fanden die Idee auch ganz gut. Danach waren wir einkaufen und im Haus angekommen, ging dann das einrichten und auspacken los. Es ist ja egal ob ich drei, fünf oder nur ein Woche bleibe, dass Gepäck ist so gut wie immer die gleiche Menge.

 

Warum bin ich hier?

Ich habe ja schon länger das Gefühl es stünde eine Veränderung bei mir an. Ich sah jedoch kein Packende. Da war nichts in Sicht. Da gab es immer nur einen Satz:

Du bist zu alt!

Das ist kein „schöner“ Glaubenssatz, oder?

Als ich mit fast 61 Jahren mein Portraitstudio eröffnete, hatte ich diesen Gedanken nicht. Damals hatte ich nur den dringenden Wunsch endlich mein eigenes Portraitstudio zu eröffnen und als Portraitfotografin zu arbeiten. Ich bin glücklich es realisiert zu haben. Ja, ich habe mir diesen Raum geschaffen und bin hineingewachsen. Das ist mir nun klar geworden.
Ich habe mich als Fotografin entwickelt und auch als Mensch. Das nennt sich „Persönlichkeitsentwicklung“ und das ist ein gutes Gefühl. Mein Eindruck ist, dass ich heute als Fotografin, so gut wie noch nie bin. Und, selbstverständlich bemühe ich mich auch, die beste Version von mir selbst zu leben. 
Leben bedeutet zu wachsen, es nicht zu tun ist Stillstand und Tod. Ich weiß, eine Menge Menschen hören irgendwann auf wachsen zu wollen. Haben sich in ihrer Komfortzone eingerichtet und erwarten nichts mehr von ihrem Leben. Ich bin so nicht. 
Als ich über Sylvester hier auf der Insel war, kam mir die Idee, einmal alleine hierher zu fahren. Ich wusste nicht genau warum, doch ich hatte das eindeutige Bedürfnis es zu tun. Heute Morgen nun, nachdem ich mir gestern vieles angehört und einiges gelesen hatte kam die „Erleuchtung“:
Mir wurde schlagartig klar um was es mir geht, nämlich darum, zu begreifen, dass der „Raum“, in dem ich mich befinde, möglicherweise zu „eng“ geworden ist und mir nicht mehr möglich ist weiter zu wachsen. Doch Leben bedeutet Wachstum. Um weiter wachsen zu können, muss ich meinen Raum darum erweitern. 

Ich habe noch keine konkrete Idee in welche Richtung es gehen könnte. Und ja, da meldet sich auch „Angst“. Doch, genau darum bin ich hier. 

Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.

© Kurt Marti

(1921 – 2017), Schweizer Pfarrer, Schriftsteller und Lyriker

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