Es ist noch früh, gerade mal 8:16h und ich bin schon seit einer Stunde wach, doch ich wollte nicht aus dem Bett.
Es gibt eine Erschöpfung, die keine offensichtliche Ursache kennt. Kein schwerer Job, kein Sprint, kein lauter Streit. Und doch ist sie da und ich frage mich warum? Kommt sie vielleicht aus dem Dauerspannungsfeld des Lebens?

  • Vom Halten müssen, wenn andere gehen

  • Vom Durchhalten, obwohl sich nichts sichtbar bewegt

  • Vom Verarbeiten, was kein Ende findet

  • Vom Warten auf Resonanz, die ausbleibt

  • Vom Suchen nach Sinn, wenn alles still ist

Vielleicht ist meine Müdigkeit eine andere Art von Arbeit, die kein Außen sieht: die stille, innere. Die Arbeit des Erinnerns, des Loslassens, des Aushaltens, der Wandlung.
Die Müdigkeit des ständigen Aushandelns mit dem eigenen Körper. 
Die Müdigkeit, immer wieder neue Routinen zu erfinden.
Die Müdigkeit, sich selbst immer wieder zu motivieren, obwohl nichts leicht fällt.

  • das ständige Überreizen durch Eindrücke

  • das Mikromanagement von Gefühlen und Gedanken

  • das Abgleichen mit der Welt, die andere „normal“ finden

  • das Maskieren, also sich anpassen an Erwartungen, die gar nicht deine sind

Neurodivergente Menschen sind oft müde, weil sie permanent mit Hochsensibilität, Hyperwahrnehmung und innerem Übersteuern leben – auch wenn außen alles ruhig scheint. 

Es gibt sie – diese tiefere Form von Müdigkeit, die nicht nach Schlaf ruft, sondern nach Neuorientierung. Sie fragt: Wozu das alles noch?
Nicht aus Verzweiflung, sondern aus Erschöpfung des Immerweiter. Vielleicht ist diese Müdigkeit ein stiller Übergang – ein Zeichen, dass sich in mir etwas wandeln möchte.
Nicht kapitulieren. Verwandeln. 

Vielleicht kommt meine Müdigkeit auch daher, dass ich heute Morgen Nachrichten gehört und gelesen habe. Dass ich – kaum die Augen offen – die Welt in mein Innerstes eingelassen habe. Noch bevor ich mich selbst begrüßen konnte. Noch bevor ich wusste, wie es mir eigentlich geht. 

Nachrichten!
Sie liefern Fakten, aber auch Ohnmacht. Sie erzählen von Gewalt, aber nicht vom Überleben. Sie zeigen Bilder von Katastrophen, aber nicht von den kleinen Gesten der Güte, die zwischen den Zeilen verloren gehen.

Und während ich still im Bett lag, drang all das in mich hinein: Krieg. Klima. Korruption. Und der dumpfe Lärm der permanenten Krise. Vielleicht ist das der eigentliche Grund, warum ich heute nicht aufstehen wollte: Weil ich nicht wusste, wie ich mich in Beziehung setzen kann zu dieser Welt, zu dieser Überforderung, zu dieser Daueranspannung, die schon am Morgen mit mir spricht, ohne dass ich ihr zugestimmt hätte. 

Ich bin müde, weil ich mitfühle. Weil ich sehe. Weil ich nicht wegschauen will – und es doch kaum aushalte. Vielleicht muss ich mir neu erlauben, meine Art des Widerstands zu finden. Ein leiser Widerstand: nicht im Wegsehen, sondern im nicht sofort reagieren.

Ein sanfter Schutzraum: nicht aus Ignoranz, sondern aus Zärtlichkeit mit mir selbst. Ein bewusster Filter: nicht um zu entkommen, sondern um auszuwählen, was ich verkrafte – und wann. Vielleicht ist mein Nicht-Aufstehen kein Scheitern, sondern ein innerer Protest gegen das Zuviel. Eine Pause, um mein Maß wiederzufinden.
Und vielleicht ist das der radikalste Akt an diesem Morgen: Nein zu sagen zur Erschöpfungsmaschine und Ja zu mir selbst. 

Vielleicht bin ich heute Morgen nicht aufgestanden, weil ich erst herausfinden musste, wo ich bleibe in all dem, was mich überrollt. Vielleicht ist das Liegenbleiben kein Rückzug, sondern ein leises Sammeln meiner Kräfte – für eine Welt, der ich nicht egal bin.

Und du – wo findest du Halt, wenn die Welt zu viel ist und der Tag noch nicht begonnen hat?

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