Weihnachten war für mich nie einfach nur ein Fest der Freude. Es ist eine Zeit, die Leben und Tod, Anfang und Ende auf eine Weise miteinander verwebt, die mich seit Jahrzehnten nachdenklich macht. Der 24. Dezember 1967 – der Tag, an dem mein Vater starb – war mein erster tiefer Einschnitt in die Unbeschwertheit des Lebens. Weihnachten, das Fest des Friedens, wurde für mich zugleich ein Tag des Abschieds. Und bis heute bleibt dieser Kontrast: Das Leuchten der Kerzen birgt für mich nicht nur Wärme, sondern auch die Erinnerung an Dunkelheit.

Die Jahre haben mich gelehrt, dass das Leben oft auf geheimnisvolle Weise Kreise schließt. Zehn Jahre nach dem Tod meines Vaters brachte der Dezember 1977 meiner Familie neues Licht: die Geburt meiner Tochter am 13. Dezember. Sie war und ist für mich ein Symbol der Hoffnung, ein Beweis dafür, dass das Leben immer weitergeht, auch wenn es manchmal schmerzhaft ist. Doch genau dieses Datum – der 13. Dezember – tauchte später in meiner Familie immer wieder auf. Es wurde zu einer Art Knotenpunkt, an dem sich Leben und Tod trafen. Mein Schwager starb 2011 an genau diesem Tag, und erst kürzlich, 2024, mussten wir uns von dem Schwiegervater meiner Tochter verabschieden. Es scheint fast, als ob dieser Tag nicht nur Freude, sondern auch Abschied bringt – als ob das Leben uns an diesem Datum besonders intensiv spüren lässt, was es bedeutet, Teil eines größeren Geflechts zu sein.

Diese Wiederholungen, diese Zufälle – sind sie wirklich Zufälle? Oder tragen sie eine Botschaft in sich, die ich nur erahnen kann? Ich frage mich oft, ob das Leben uns auf diese Weise Zusammenhänge zeigt, die wir sonst übersehen würden. Vielleicht liegt darin eine Art Ordnung, die uns daran erinnert, wie eng alles miteinander verbunden ist. Der 13. Februar, der Geburtstag meines Vaters und meines Enkels, verstärkt dieses Gefühl. Es ist, als ob die Kreise der Generationen sich berühren und eine stille, unaufdringliche Verbindung schaffen. Was bedeutet es, dass Geburt und Tod in meiner Familie so eng miteinander verwoben sind? Dass sie immer wieder dieselben Daten teilen?

Diese Reflexionen führen mich zurück zu Weihnachten. In meinem Leben ist es kein Fest der Unbeschwertheit, sondern eines der Zwischentöne. Es zwingt mich, innezuhalten und nachzudenken. Der Tod meines Vaters am Heiligabend war nicht nur ein Verlust, sondern auch eine Lektion über die Endlichkeit. Die Geburt meiner Tochter im Advent brachte nicht nur Glück, sondern auch Verantwortung. Beide Ereignisse haben mich gelehrt, dass Leben und Tod keine Gegensätze sind, sondern zwei Seiten derselben Münze. Weihnachten erinnert mich daran, wie kostbar das Leben ist – und wie sehr es von den Menschen geprägt wird, die uns verlassen haben.

Für mich ist Weihnachten zu einer Zeit der Verbindung geworden – zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen den Generationen, zwischen den Gefühlen von Trauer und Freude. Es ist eine Zeit, um nachzuspüren, wie tief die Wurzeln meiner Familie reichen und wie sich unser Leben über die Jahre entfaltet hat. Der Verlust ist immer spürbar, ja, aber gleichzeitig spüre ich auch den Trost, der in den Erinnerungen liegt. Vielleicht ist Weihnachten gerade deshalb so kraftvoll: Es bringt die Gegensätze des Lebens zusammen. Es zeigt uns, dass Licht erst im Dunkel seinen wahren Glanz entfaltet, und wir ohne Verlust die Bedeutung von Nähe nicht vollständig begreifen könnten. Es ist nicht nur ein Fest des Friedens, sondern auch ein Fest der Reflexion – eine Zeit, in der wir innehalten, um das zu würdigen, was uns das Leben gegeben hat, und das zu betrauern, was wir verloren haben.

Dieses Jahr werde ich das Kerzenlicht mit besonderer Achtsamkeit betrachten. Es erinnert mich daran, wie zerbrechlich und zugleich wie beständig das Leben ist. In all seinen Brüchen und Kreisen, in all seinen Wiederholungen und Zufällen liegt eine Wahrheit, die ich bisher nicht ganz begreife – aber die ich akzeptiere. Weihnachten wird für mich immer mehr als ein Fest sein. Es ist ein Raum, in dem sich das Leben selbst spiegelt –  mit all seinen Facetten, seiner Schönheit und seiner Vergänglichkeit.

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