Auch wenn ich manche Ereignisse in meinem Leben als Trauma wahrnehme, habe ich offensichtlich immer auch die Kraft mich neu zu erfinden.

Nach dem Ende meines Fotostudios auf der Birkenstraße z. B. habe ich einen Blog geschrieben, um den Neuanfang in meinem Leben irgendwie fassen zu können:

100 Tage  – ein Neuanfang.

Und da finde ich interessante Einträge. Wenn ich das so lese, was ich da geschrieben habe, dann erinnere ich mich wieder daran, wie schlecht es mir in dieser Zeit gegangen ist.

Trotzdem habe ich meine große Ausstellung vorbereitet und einen Bildband gestaltet. Außerdem habe ich diversen Säbelzahntiger, die immer wieder um eine andere Ecke hereinschauten, bekämpfen müssen. Das alles habe ich geschafft. Obendrein eine Krebserkrankung und den Verlust meiner geliebten Hunde.

Am Tag 100 habe ich jedoch festgestellt: ” …  war interessant und dennoch habe ich nicht das Gefühl, bei mir angekommen zu sein und wirklich zu wissen, wer ich bin…”

Die Geburt ist nicht ein augenblickliches Ereignis, sondern ein dauernder Vorgang. Das Ziel des Lebens ist es, ganz geboren zu werden und seine Tragödie, dass viele von uns sterben, bevor sie ganz geboren sind. Zu leben bedeutet, jede Minute geboren zu werden. Der Tod tritt ein, wenn die Geburt aufhört.

Erich From

Am 22. Juli 2020 habe ich Folgendes notiert:

Vor allen Dingen feiern, feiern, feiern…

Diesen Ratschlag gab mir einer meiner wichtigsten Lehrer, Frank Natale, bereits vor langer Zeit.

Er mag erst einmal banal klingen, doch wie oft vergessen wir, das Wunder zu feiern, welches wir bereits sind.

Uns wurde beigebracht, Feiern an besondere Gründe zu knüpfen. Zum Beispiel unseren Geburtstag. Doch werden wir nicht jeden Morgen neu geboren?

Wir haben gelernt, uns mit Feiern zu belohnen, wenn wir nach weltlichem Standard etwas Außerordentliches geleistet haben. Doch wir verbringen jeden Tag Heldentaten. Wir sind winzige, verletzbare Kreaturen, in ein unendliches, komplexes, oft so chaotisches Universum geworden… geben wir alle jeden Tag dem Ganzen Sinn, so gut wir eben können. Wir sind tapfer. Wir fühlen. Wir lernen dazu. Wir lieben. So viele tägliche Gründe, um zu feiern.

Vielleicht denkst du, du hättest gerade nichts zu feiern, weil du gerade mitten in einer Krise steckst. Mach es wie die Wikinger. Sie feierten die Siege und die Niederlage mit ordentlich Met. Sie hatten Götter, die es liebten, die Menschen tanzen zu sehen.

Vielleicht verbietet dir auch dein Über-Ich zu feiern, weil du noch nicht alle deine Makel abgestellt hast. Ruf ihm ein herzliches “F*ck you!” entgegen und feiere erst recht. Denn du wirst immer eine unfertige und doch so zauberhafte Baustelle der Evolution sein.

Keiner von uns weiß, wie lange wir leben. Doch Leben wirkt voller und erfüllter mit jedem Moment, in dem du feierst.

So rufe ich dir heute zu Beginn deiner neuen Woche liebevoll grinsend zu: Lass uns vor allem feiern, feiern, feiern!

Veit Lindau

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