Diesen Text habe ich vor 5 Jahren geschrieben und gerade gefunden.
Alter – was ist das?
Für mich schien das nie ein Thema zu sein. Ich fühlte mich einfach nicht betroffen. Pippi Langstrumpf wurde gerade 70 – wie schön. Auch in der Kolumne der WINNEMUTH ging es um das ALTER. Und nun ist es seit Wochen mein Damoklesschwert, den mein Geburtstag rückt näher. Nicht irgendeiner, sondern einer, von dem Christiane Northrup sagt, es sei eine Art Meilensteine, oder war es Grabstein? Auf jeden Fall etwas, das einen besonderen Punkt markiert. Im Leben!
Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem meine Mutter 50zig wurde.
Wie alt war ich damals?
Ich denke ich war 13. Also in einem Alter, in dem ich vom Leben noch keine Ahnung hatte. Damals fand ich meine Mutter asbach uralt.
Da stellt sich mir doch spontan die Frage: Woher kommt eigentlich dieser Bergiff „asbachuralt“. Es gab da mal diese Werbung: Im „Asbach Uralt“ liegt der Geist des Weines. Wer erinnert sich? Ich lerne, Asbach ist der Name von Hugo Asbach, der 1892 eine “Export-Compagnie für deutschen Cognac” in Rüdesheim am Rhein gründete. Ich erfahre, dass nach dem 1. Weltkrieg, der Versailler Vertrag, den deutschen Herstellern ausdrücklich untersagte weiterhin die Bezeichnung „Cognac“ zu verwenden. Darum heißt dieser braune Saft in Deutschland „Weinbrand“. In den 1950er Jahren wirbt das Unternehmen im Fernsehen mit dem Spruch “Wenn einem so viel Gutes widerfährt – das ist schon einen Asbach Uralt wert”. Und irgendwie wurde der Name „Asbach uralt“ in Deutschland zu einem Synonym für “uralt”.
Doch zurück zum 50zigsten Geburtstag meiner Mutter und meinem damalige Unsensibilität und das ich 50zig für asbachuralt hielt. Ich wusste es nicht besser. Inzwischen habe ich selber meinen 40zigsten und meinen 50zigsten Geburtstag gefeiert und hatte damit keine Probleme, ich fühlte mich jung und aktiv. Auch den 60zigsten habe ich ohne Probleme gefeiert, weil ich es lustig fand 60zig zu werden. Pah, diese Zahl passte ja nun gar nicht zu meinem Lebensgefühl.
Apropos Lebensgefühl.
In Gedanken bin ich noch bei dem Film, den ich mir gerade angesehen habe – so was tue ich immer, wenn ich meinen Kopf klar bekommen will. „Beziehungsweise New York“. Dieser Film spielt, wie schon im Titel abzulesen, in New York und hat eine nicht gewohnte Sicht auf diese Stadt. Der Protagonist sagt ständig „wir werden jetzt 40“ und meinte damit, dass die wilden Jahre vorbei seien. Pah, was der sich denkt.
New York – wie gerne würde ich auch 40 zig sein und in dieser Stadt ganz neu anfangen. Wirklich? Warum nicht, noch einmal alles auf Anfang. Keine wirkliche Ahnung vom Leben haben und einfach drauf los, sich eine Stadt Zufuß aneignen, sie erfahren! Oder machen wir das mit 20 oder 30? Egal, es würde mir gefallen. New York, oder San Fransisco. Dann sehe ich mir eine Serie an, die spielt in San Diego. Eine Stadt unterhalb von San Fransisco. Bis dahin bin ich nicht gekommen, als ich die Westküste der USA von Seattle auf der 101 runter gefahren bin. Das würde ich auch noch mal gerne machen. Werde ich auch! Was? Die 101 runter fahren.
In dieser Serie „Grace & Fraenkie“ geht es um 2 Paare um die 70 (!). Die Männer eröffnen ihren Frauen, dass sie die Scheidung wollen. Nicht um eine Jüngere zu heiraten, sondern der Mann der jeweilig anderen, da sie schon seit über 20 Jahren eine Affäre haben! Die beiden sind schwul. Was dann kommt ist ganz nach meinem Geschmack. Es ist recht unterhaltsam und es geht um das Lebensalter der Protagonisten, das irgendwie keine Rolle zu spielen scheint. Genau, so will ich es auch, denn ich steure auf meinen 65zigsten Geburtstag zu und ich mag diese Zahl gar nicht und will darum nicht, dass es eine „Rolle“ spielt. Wahrscheinlich liegt das daran , dass wir in der Regel in diesem Alter in Rente gehen und uns auf etwas vorbereitet das sich „Lebensabend“ nennt.
Nein, das will ich nicht, das ist nicht meins.
Ich will abnehmen, sportlicher werden.
Meinen Alltag neu strukturieren, mehr Aufträge, interessante Aufträge.
Ich will eine Zukunft.
Klar.
Da lese ich, dass eine 102jährige gerade ihre Doktorarbeit eingereicht hat. Der Grund dafür war nicht, dass sie es im Alter noch einmal wissen wollte, sondern, dass sie, als sie die Arbeit geschrieben hatte, sie nicht abgeben konnte, da sie Jüdin war .
102 Jahre, tolles Alter.
Zukunft?
Klar, will ich keine Angst haben müssen. Ich will es prickelnd, spannend, überraschend. Doch ohne Angst und ohne Sorgen.
Das wünscht sich so leicht.
Meine Tochter hat mir neulich den Kopf gewaschen, denn sie meinte, ich wäre doch die Jenige der die Meinung der „Gesellschaft” nie etwas bedeutet hätte. Und fragt allen ernstes, wieso ich mich jetzt auf einmal angepisst fühlen würde, nur weil ich 65 Jahre alt werde und das Gefühl hätte, dass diese Gesellschaft von mir ein Verhalten erwarten würde, das ich nicht bereit wäre an den Tag zu legen.
Ja, warum ist das so?
Ehrlich? Ich weiß es nicht.
Nun werde ich in wenigen Tagen 70 Jahre alt und scheine weniger Problem damit zu haben als vor 5 Jahren. Ich habe gerade ein neues PortraitProjekt begonnen und fühle mich in guter Gesellschaft.