Jeder hat seine eigene Sichtweise auf die Welt, die sich in den Fotos widerspiegeln.

Vor ein paar Jahren, ich hatte mich gerade in die Fotos verliebt, die ich mit meinem iPhone machen konnte, wurde mir klar, dass nicht jeder, der diese Art von Smartphone hat, Fotos macht, wie ich sie mache. Das fand ich eigenartig, denn was war so kompliziert daran, mit dem Telefon schöne Bilder zu machen?
Ich verstand es nicht.

Seitdem ich mich als Portraitfotografin verstehe, bekomme ich immer wieder begeisterte Kommentare, wenn es um die Kraft und Aussagestärke meiner Portraits geht. Ich erinnere mich daran, dass ich das zwar gelesen, aber nicht “gefühlt” habe. Ist das verständlich?
Wir Frauen werden i.d.R. dazu ermutigt, bescheiden zu sein oder unser eigenes Können herunterzuspielen. Dann das sogenannte “Impostor-Syndrom“. Das ist ein Phänomen, bei dem Menschen ihre eigenen Erfolge infrage stellen und das Gefühl haben, sie seien Betrüger oder nicht wirklich kompetent. Dieses Syndrom tritt bei Frauen häufiger auf als bei Männern und führt dazu, dass wir Frauen Komplimente abwehren oder sie als übertrieben oder unverdient betrachten. Wir befürchten auch, als arrogant oder selbstgefällig wahrgenommen zu werden, wenn wir Lob annehmen und anerkennen.

Beim Durchsehen meiner zahlreichen Festplatten finde ich einen Artikel, den ich 2008 geschrieben habe, Zitat:

Sich selber zu loben, seine eigenen Verdienste in den Fokus der Betrachtungen zu stellen, scheint in unserem Kulturkreis verpönt zu sein, vor allem für Frauen. Männer können es hervorragend. Für Frauen gilt jedoch immer noch: Eigenlob stinkt und Bescheidenheit ist eine Zier. Doch in Wahrheit sind solche Weisheiten nur Kreativitätsverhinderer. Darum fordere ich sie auf, sich täglich selber zu loben. Und damit sie dieses Projekt nicht aus den Augen verlieren, schlage ich ihnen vor, sich ein Motivationsbanner zu kreieren. Keri Smith, einer amerikanischen Künstlerin, hatte folgende Idee: Nehme das Foto einer von dir bewunderten Künstlerin und zeichne darauf eine Sprechblase. In diese Sprechblase kommt ein zustimmender, wohlmeinender Kommentar. Das Ganze wird dann so in deiner Wohnung angebracht, dass du es jeden Tag sehen kannst.

Ich hatte mir damals ein Bild von Frida Kahlo gemacht. Es hängt noch heute an der Wand, vor dem dieser Arbeitsplatz ist und ich blicke gerade in diesem Moment darauf.
Im Juli 2019 war dann das Impostersyndrom wieder mein Thema und in einem Blogartikel habe ich die Rezension einer Kundin zitiert. Sie schrieb:

Viel mehr als für die Fotos, die ich heute in den Händen halte, möchte ich mich bei Ihnen bedanken für ihren unermüdlichen Zuspruch, ihr Interesse an meiner Zufriedenheit als auch für die Begeisterung mich in meiner besten Version vor ihre Linse zu bekommen. Ihre Art und Weise, mir sowohl den Mut zu mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu entlocken als auch die Akzeptanz des eigenen Körpers zu verstärken – mit allen Mitteln (meiner Lieblingsmusik in vollem Klang auf den Ohren und dem kalten Prosecco am Set)- begeistert mich. Das Kribbeln im Bauch vor dem Termin war nicht zu vergleichen mit den Endorphinen am Nachmittag nach dem Shoot. Ich fühlte mich toll, gut aussehend und als starke, selbstbewusste Frau. Das Strahlen in meinem Gesicht hat meine Mitmenschen angesteckt und trug viel für eine schöne Zeit bei. Sie haben mir Kraft gegeben und das Beste aus mir herausgeholt. Die entstandenen Ergebnisse sind einfach wunderschön und atemberaubend, einfach eingefangene Glücksmomente, an die ich mich gerne erinnern und mit meinen Liebsten teilen möchte. Machen Sie weiter so, geben Sie den Menschen vor Ihrer Kamera von ihrer Passion ab und bringen Licht in den oftmals grauen, tristen Berufsalltag.

In diesem Blogbeitrag habe ich auch geschrieben: “Es ist wirklich kurios, den Menschen vor meiner Kamera begegne ich mit einer hohen Wertschätzung und mit viel Empathie, mir selber gegenüber scheint mir das nicht wirklich möglich zu sein. Und das geht schon seit Jahren so, fast bin ich geneigt zu sagen: IMMER. Mich selber anzunehmen, in all meiner Kompetenz, scheint für mich nicht möglich zu sein. Wie kann das sein?

Bei der Vorbereitung für meine Retrospektive 2020 habe ich viel über mein vergangenes Leben nachgedacht, weil es erforderlich war, biografische Eckdaten zusammenzutragen. Dabei ist mir aufgefallen, und das ist nicht wirklich leicht zu verdauen, dass ich mich offensichtlich massiv selber daran gehindert habe, Erfolg zu haben, oder, wenn ich ihn hatte, habe ich nicht daran angeknüpft, um auch weiterhin Erfolg zu haben. In den vergangenen Jahren habe ich an diesem Mindset gearbeitet. Es fällt mir immer noch nicht leicht Lob und Anerkennung anzunehmen, doch es wird immer besser, je älter ich werde.

Warum diese lange Vorrede, es geht doch um Fotos? Ja, genau. Es geht um Fotos von mir. Fotos, auf denen ich mir überhaupt nicht gefallen haben. Und es geht darum, wie ich dazu gekommen bin Portraits zu machen, die ausdrucksstark und außergewöhnlich sind. Ich habe einen Gesellenbrief als Fotografin und einen Hochschulabschluss als Kommunikationsdesignerin. Ich möchte gerne stolz darauf sein, dass ich durch viele Jahre, in denen ich als Fotografin arbeite, meine eigene Bildsprache entwickelt habe und Menschen mit meiner Arbeit glücklich mache. Damit will ich sagen, es ist kein Zufall, dass meine Portraits eine gewisse  Qualität haben.

Neulich habe ich selbst als Modell vor der Kamera fungiert, es war ein großer Spaß. Als ich Bilder sah, auf denen ich zu sehen war, war das teilweise für mich schockierend. Ich fühlte mich sehr unwohl. Sah ich so aus? Wurde ich so von meinem Gegenüber gesehen? Ich hatte den Eindruck, ich würde mich jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, belügen, denn das innere Bild von mir hatte so gar keine Ähnlichkeit mit der Frau auf den Fotos.

Tagelang hat mich das beschäftigt und auch heruntergezogen, ehrlich. Ganz langsam ist mir dann so einiges klar und verständlich geworden. Nach meinen Kunden-Shootings sagten Frauen oft Dinge wie: “Du hast mein Leben verändert” oder dass alle Menschen, die ich fotografiere, »schön« seien. Ich konnte anfangs nicht verstehen, warum sie so reagierten, da ich »nur« Fotos gemacht hatte. Dann erinnerte ich mich an meine ersten Fotos mit dem iPhone und, dass ich nicht verstand, warum nicht alle, die dasselbe Telefon zum Fotografieren nutzten, solche Fotos wie ich machten. Schlagartig wurde mir wieder bewusst, dass die Person, die auf den Auslöser drückt, also ich, damit zu tun hat, was für Fotos entstehen.

Ich erinnerte mich an die vielen Gespräche mit Frauen, die sich selbst als unfotogen bezeichneten. Ich habe nie verstanden, woher dieser Eindruck kam. Nun kenne ich die Ursache. Wenn Frauen solche Schnappscchüsse von sich zu sehen bekommen, wie die, die mich gerade so geschockt haben, glauben sie,  dass sie wirklich so aussehen und daher unfotogen sind. Das kommt daher, dass Fotografien  immer noch den größten Realitätsbezug haben und wir denken, das, was ein Foto zeigt, entspricht angeblich der Realität. Doch genau das stimmt nicht! Ich bezeichne die Portraitfotografie gerne auch als die Königsklasse der Fotografie. Warum?

Die Verantwortung für ein Foto liegt immer bei der Person, die es anfertigt! Wenn ich einen Menschen portraitiere, sehe ich ihn mir genau an und versuche herauszufinden, welche Energie von ihm ausgeht, was sein Temperament ist. Ich schaue mir an, wie das Licht sein Gesicht modelliert, welche Pose ihm auf natürliche Art entspricht. Ich entscheide mich für eine ganz bestimmte Brennweite.  Ich kommuniziere mit ihm. Versuche zu verhindern, dass er darüber nachdenkt, wie er wohl aussieht. Gäbe ihm Sicherheit und ein gutes Gefühl. Finde die richtige Perspektive für das Foto, setze ihn ins Bild, zeige, wer er ist, seine Energie sowie seine Schönheit.

Dann ist erlaubt, nicht alle Fotos, die bei einem Shooting entstanden sind, auch zu zeigen. Eine Auswahl zu treffen, ist wichtig, nicht leicht und es will geübt werden. Mir hilft dabei meine Intuition, oder auch Baugefühl genannt.  Wir sollten uns immer fragen, ob uns dieses oder jenes Foto wirklich gefällt, ob es das zeigt, was wir ausdrücken wollten. Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass sowohl der Kamerachip genauso wie die analogen Filme für die Rotanteile im Licht besonders empfindlich sind und was das für Auswirkungen hat. Bei mir werden z.B. Frauen vor einem Shooting professionell geschminkt. Die Ergebnisse zeigen jedoch niemals eine »angemalte« Frau, denn es geht hauptsächlich um das Abdecken der Haut und die Betonung der Augen. Ich hatte mich z.B. an diesem Tag nicht geschminkt, was auf den entstandenen Schnappschüssen auch gut zu ersehen ist.

Bei mir ist es so, dass die Menschen, die ich portraitieren nur eine bearbeitete Auswahl aus unserem Shooting zu sehen bekommen und ich darauf achten, dass die Auswahl, die ich treffe, also die Ergebnisse nicht irritieren.

Diese Fotos zeigen mich auch.
Gemacht  hat sie:  Tanja Diez Tabares, einer junge engagierte Fotografin, mit der ich mich in meinem Podcast Momentaufnahme # 99 unterhalte.

Eine Bekannte schrieb als Kommentar unter das Foto: »Das Portrait zieht mich richtig an. Du siehst selbstbewusst aus, klug und schön. Ich erkenne Dein Temperament, das macht Dich aus, so habe ich Dich kennengelernt.«
Eine andere Bekannte schrieb:
Ich habe ganz großen Respekt vor Porträtfotografie. Es erfordert ein gutes fotografisches Auge, Gespür für den Moment, und Vertrauen. Und ohne „handwerkliche Grundlagen“ der Fotografie wird es gar nichts…

Seitdem diese Fotografien in der Welt sind, bin ich mit ihr und meiner Selbstwahrnehmung wieder ausgesöhnt
Hier noch einmal der Text, mit dem diese beiden Blogbeträge begonnen haben:

 

Ein fotografisches Porträt ist eine Aufnahme, mit einer immensen Bedeutung, da es die Essenz einer Person auf einzigartige Weise einfängt und darstellt. Es geht dabei um die individuelle Schönheit, die Emotionen und die Persönlichkeit der Porträtierten, diese solle via Foto mit der Betrachter:in visuell kommunizieren.

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