Es gibt Sätze, die treffen dich mitten ins Herz, weil du sie längst lebst – ohne es zu wissen. Neulich hörte ich Kamala Harris in einem Interview. Sie erzählte von einem Treffen mit Angela Merkel. Merkel habe ihr anvertraut, wie schwer es gewesen sei, mit dem umzugehen, was die Presse über sie schrieb, wie schrecklich, wie unbarmherzig die Urteile, die Zuschreibungen, die Bilder.
Und dann sagte sie einen Satz, der hängenblieb:
„Lass niemals zu, dass andere dich beschreiben.
Erhebe deine Stimme – und erzähle deine Geschichte selbst.“
Dieser Satz ist für mich ein Mantra geworden. Denn genau darum geht es in meiner Autobiografie. Sie ist kein Rückblick, keine Rechtfertigung, kein Versuch, etwas zu glätten. Sie ist eine Rückeroberung der Deutungshoheit über mein eigenes Leben.
Über das, was war – und wie ich es gesehen habe.
Über das, was geblieben ist – und warum.
Ich schreibe, um mich zurückzuholen aus den Fremdzuschreibungen, dem Schweigen, Missverständnissen, aus Fotos, die man anders deutete, als ich sie gemeint hatte. Jahrzehntelang haben andere erzählt, was sie in meinen Fotografien sahen. Ich habe selten widersprochen. Doch jetzt erzähle ich, was ich sah, was mich antrieb, was mich verletzte, was mich hielt.
Erzählen ist ein Akt von Selbstermächtigung. Und vielleicht auch eine Form von Gerechtigkeit. Denn jede Geschichte, die nicht erzählt wird, überlässt anderen das Wort – und damit die Macht. Ich denke an all die Frauen, deren Stimmen man nicht hörte, weil man sie als „emotional“, „kompliziert“, „schwierig“ bezeichnete. Wie oft war ich eine von ihnen. Wie oft habe ich mich in diesen Zuschreibungen verloren.
Heute schreibe ich, um mich nicht mehr kleinzudenken. Um meine Version der Dinge festzuhalten – nicht als Gegenerzählung,
sondern als eigene Wahrheit im Plural.
Angela Merkel hat recht: Wenn du schweigst, erzählen andere deine Geschichte. Wenn du sprichst, beginnst du, dich zu erinnern.
Und mit jeder Erinnerung wächst die Freiheit, dich selbst zu sehen – ungeschönt, lebendig, echt. Ich schreibe also weiter. Nicht, weil ich muss, sondern weil ich es so will.

