Übergewicht und Adipositas gehören laut WHO zu den führenden Ursachen für Tod und Behinderung. Somit rücken innovative Behandlungsmethoden zunehmend in den Fokus der medizinischen Forschung und Praxis.
Das Foto links ist KI generiert.
Fettfeindlichkeit oder Fatphobia und Fat Shaming sind tief in unserer Gesellschaft verankert und beginnen bereits in der Kindheit. Übergewicht wird oft fälschlicherweise mit Disziplinlosigkeit gleichgesetzt. Diese Wahrnehmung ist tief in der Gesellschaft verankert.
Im März dieses Jahres wog ich über 120 kg bei einer Größe von 176 cm – medizinisch nennt sich das AdipositasGrad II.
Doch wie kam es dazu?
Mein Gewicht lag als junge Frau zwischen 75 und 80 kg, was als schlank galt. Während meiner Schwangerschaft 1977 durchlief ich eine schwierige Zeit und nahm durch übermäßigen Konsum von Süßigkeiten zu und wog 100 kg. Meine Tochter wog bei der Geburt nur 2670 g, die Gewichtszunahme war also nicht auf die Schwangerschaft selbst zurückzuführen. Durch die Atkins-Diät verlor ich das Übergewicht in den folgenden Monaten wieder. Diese Diät funktionierte, weil sie den Körper zur Fettverwertung anregte, indem kaum Kohlenhydrate zugeführt wurden. Damals existierte das Internet noch nicht, und daher konnte ich mich nicht so umfassend informieren wie heute. Ich erinnere mich an Magen-Darm-Probleme während der Diät. Solche Probleme können entstehen, da meine Ernährung recht einseitig war.
Mit der Zeit änderten sich meine Prioritäten, und mein Aussehen wurde für mich weniger wichtig. Obwohl mir bewusst war, dass das westliche Schönheitsideal zunehmend schlankere Körper bevorzugte und die Medien dieses ungesunde Ideal verstärkten, spielte es für mich eine untergeordnete Rolle.
Nach einem Burn-out geriet ich in eine schwere Depression und nahm aufgrund des extremen Bewegungsmangels wieder zu. Als meine beiden Hunde in mein Leben kamen, brachte das wieder Bewegung in meinen Alltag, und ich begann, Gewicht zu verlieren. Mit der Eröffnung meines Fotostudios als Selbstständige nahm der Stress kontinuierlich zu, und mein Gewicht stieg allmählich wieder an
Nach einigen Jahren erhielt ich die Diagnose Diabetes Typ 2, was mich dazu zwang, meinen Lebensstil radikal zu ändern. Lange Zeit konnte ich meine Blutzuckerwerte ohne Medikamente stabil in einem gesunden Bereich halten. Doch dann kam eine weitere Herausforderung: die Diagnose Gebärmutterkrebs.
Ich besiegte den Krebs, doch mein Diabetes Typ 2 wurde zu einer noch größeren Belastung. Meine Ärzt:innen versuchten, die Krankheit mit Insulin zu kontrollieren. Aufgrund von regelmäßigem Sport blieb mein Gewicht zwar stabil, doch ich nahm nicht ab und fühlte mich unwohl und unglücklich in meinem Körper. Hinzu kam, dass ich keine Schilddrüse mehr hatte, was es mir praktisch unmöglich machte, Gewicht zu verlieren, obwohl ich es dringend wollte
Trotz der Erkenntnis, dass Gewicht nicht der alleinige Indikator für Gesundheit ist und eine ganzheitliche Betrachtung notwendig wäre, blieb mein Übergewicht ein Thema bei der Beurteilung meiner Gesundheit.
Nach einem Fahrradunfall verschlimmerte sich meine Situation durch den erneuten Bewegungsmangel, und ich nahm wieder zu. Obwohl ich verstand, dass mein Wert nicht nur durch meinen Körper definiert wird, belastete mich mein Übergewicht stark. Schließlich empfahl mein Endokrinologe das Medikament Mounjaro, das einen neuen Weg in meiner Behandlung darstellt.
Mounjaro (Tirzepatid) ist ein Medikament, das von Eli Lilly zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt wurde. Es ist das erste Medikament, das sowohl Glukose-abhängiges insulinotropes Polypeptid (GIP) als auch Glucagon-ähnliches Peptid-1 (GLP-1) Rezeptor-Agonisten kombiniert und bietet somit einen neuartigen Ansatz zur Regulierung des Blutzuckerspiegels bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes.
Zu dem Zeitpunkt, als mir das Medikament verordnet wurde, wusste ich nicht, dass dieses Medikament auch als “Abnehmspritze” bezeichnet wird. Ich hatte bereits Erfahrungen mit Victoza und Ozempic gesammelt, war jedoch damals kaum über deren Wirkungen informiert, obwohl auch diese Medikamente heute als ‚Abnehmspritzen‘ bekannt sind.
Dank der heutigen Informationsmöglichkeiten konnte ich mich umfassend über die Nebenwirkungen von Mounjaro, insbesondere Magen-Darm-Probleme, informieren und diese minimieren.
Tirzepatid, dies ist der Bestandteil von Mounjaro, zeigte im Vergleich zu anderen Behandlungen, einschließlich Placebo, überlegene Ergebnisse bei der Kontrolle des Blutzuckerspiegels und der Förderung von Gewichtsverlust. In klinischen Studien erlebten die Patienten signifikante Verbesserungen der HbA1c-Werte und erheblichen Gewichtsverlust
Seit März 2024 werde ich nun mit Mounjaro behandelt und habe in fünf Monaten 15 kg abgenommen. Meine Blutzuckerwerte sind erstmals seit vielen Jahren in einem harmonischen, gesunden Bereich.
Aufgrund der Wirkungsweise des Medikaments ist es für mich persönlich erforderlich, dass ich sehr genau darauf achte, was und wie viel ich esse. So hat es sich ergeben, dass ich im Grunde intermittierend faste. Das bedeutet, ich faste 16 Stunden und esse nur innerhalb von 8 Stunden. Eine Studie des Universitätsklinikums Heidelberg untersuchte die Auswirkungen von intermittierendem Fasten auf Patienten mit Typ-2-Diabetes. Die Ergebnisse zeigten, dass intermittierendes Fasten eine signifikante Verbesserung der Insulinsensitivität bewirken kann. Die Teilnehmer zeigten auch eine Verbesserung ihrer Blutzuckerkontrolle und eine Reduktion des Körpergewichts. Auch zeigen internationale Studien, dass intermittierendes Fasten die Insulinsensitivität verbessert und eine signifikante Reduktion des HbA1c-Wertes bewirkt.
Das sind doch Gründe zum Feiern, oder?
Doch bei mir bleibt ein eigenartiges Gefühl.
Wenn ich mich dafür entscheide, mein Übergewicht zu verlieren, falle ich damit denjenigen in den Rücken, die sich für die Körperpositivitätsbewegung einsetzen? Sollte ich mich nicht besser mit meinem Körper abfinden und Bewegungen wie “Body Positivity” und “Health at Every Size” unterstützen, weil sie sich für die Akzeptanz aller Körperformen und gegen Gewichtsdiskriminierung einsetzen?
Seit vielen Jahren gibt es für mich erstmals eine realistische Hoffnung auf erfolgreiche Gewichtsreduktion, insbesondere in Kombination mit Ernährung und regelmäßiger Bewegung.
Nach meiner Krebserkrankung 2019 verlor ich das Vertrauen in meinen Körper, doch jetzt fühle ich mich wieder als “Chefin” in meinem Körper. Es ist mir möglich, etwas zu verändern, und ich fühle mich nicht mehr so ohnmächtig wie zuvor.
Das ist ein großartiges Gefühl.
Entgegen der Darstellung auf Social-Media-Plattformen sind diese Medikamente nicht für Menschen konzipiert, die schnell ein paar Kilos verlieren möchten. Es sind rezeptpflichtige Medikamente, die speziell zur Unterstützung bei der Behandlung von Diabetes2 und Adipositas vorgesehen sind und können eine wirksame Unterstützung sein bei dem Wunsch abzunehmen und seinen Blutzuckerspiegel in einem guten Bereich zu haben. Wichtig ist, dass diese Medikamente als Ergänzung zu, und nicht als Ersatz für, gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung angesehen werden.