Obwohl Mitte August offiziell schon der Spätsommer beginnt, ist es noch zu früh für einen Abgesang auf den Hochsommer. Deutschland erlebt derzeit einen Zickzacksommer mit hohen Temperaturen. Für mich bedeutet das vor allem eines: „Hausarrest“. Bei diesen Temperaturen verlasse ich das Haus nur, wenn es unbedingt sein muss. So bleibt mir viel Zeit, durch die sozialen Medien zu scrollen. Besonders gerne nutze ich Instagram, wo ich mich über die neuesten Entwicklungen informiere – sei es über die Olympischen Spiele in Paris oder andere spannende Ereignisse.
Egal.
Hängengeblieben bin ich in der letzten Zeit oft auf dem Account von Louisa Dellert (* 1989). Sie ist eine Influencerin, die sich von ihrer früheren Karriere als Fitness-Bloggerin hin zu einer Umwelt- und Nachhaltigkeitsaktivistin entwickelt hat. Dieser Wandel begann nach einer Herzoperation, die sie dazu brachte, ihre Prioritäten zu überdenken. Sie betreibt einen eigenen Online-Shop – Naturalou für nachhaltige Produkte und engagiert sich in politischen Diskussionen. Ihre mediale Präsenz ist bemerkenswert, ebenso ihr Interesse an gesellschaftspolitischen Themen.
Mit aktuell 534.000 Followern auf Instagram erreicht Louisa eine beachtliche Anzahl von Menschen.
Neu ist #UNSHAME.
Unter diesem Hashtag greift sie Beiträge auf,
in denen Frauen aufgrund ihres Aussehens diffamiert werden und setzt sich für mehr Körperakzeptanz sowie gegen das Schamgefühl ein, das besonders Frauen in Bezug auf ihren Körper erleben. Louisa Dellert sieht „Unshame“als eine Bewegung, die darauf abzielt, das Bewusstsein für die sozialen und psychologischen Folgen von Körpernormen und Schönheitsidealen zu schärfen. Sie nutzt ihre Reichweite, um persönliche Geschichten und Erfahrungen mit Scham und Körperwahrnehmung zu teilen, und ermutigt andere, sich ebenfalls offen über diese Themen auszutauschen.
Louisa Dellert spricht besonders jüngere Menschen an, die stark von sozialen Medien und den dort präsentierten Idealbildern beeinflusst werden. Sie hofft, eine positive Selbstwahrnehmung und das Akzeptieren der eigenen Unvollkommenheiten zu fördern – ein Anliegen, das in unserer visuell geprägten Gesellschaft von großer Bedeutung ist. Dabei geht es ihr nicht nur um individuelle Körperakzeptanz, sondern auch um gesellschaftliche Normen und psychische Gesundheit.
Sie hat sich nicht gescheut, ihren eigenen Zusammenbruch öffentlich zu machen und hat in der Vergangenheit mehrfach betont, wie wichtig es ist, über psychische Belastungen und die Herausforderungen des öffentlichen Lebens zu sprechen. Indem sie ihren Zusammenbruch teilt, möchte sie zur Enttabuisierung von psychischen Gesundheitsproblemen beitragen und zeigen, dass auch Menschen mit großer medialer Präsenz und Einfluss unter enormem Druck stehen.
Leider bleibt Louisa selbst nicht verschont von negativen Erfahrungen – sie wird häufig Ziel von Hasskommentaren und sogar Morddrohungen. Louisa Dellert geht offen mit diesen Erfahrungen um und arbeitet mit Organisationen wie HateAid zusammen, um sich rechtlich gegen diese Angriffe zu wehren. Diesen Weg hat sie bewusst gewählt, um authentisch zu bleiben und ihre Community an ihren realen Erfahrungen teilhaben zu lassen.
Aktuell gibt es ein Video auf ihrem Instagram-Account, um das es hier gehen wird. Darin geht es um einen Post von Evelyn Burdecki, sie wurde 1988 in Düsseldorf geboren und 2019 die RTL Dschungelkönigin. Das Foto auf Instagram zeigt sie selbst. Sie steht vor einem weißen Motorroller (Vespa) und trägt ein weißes, ärmelloses Crop-Top und eine kurze Jeansshorts und offensichtlich keinen BH. Dazu kombiniert sie beige Stiefeletten und hält einen Motorradhelm in der rechten Hand. Sie lächelt in die Kamera und es scheint ein sonniger Tag zu sein. Die Gesamtstimmung des Bildes soll wohl eine Mischung aus sommerlicher Leichtigkeit, Lebensfreude und einem Hauch von Abenteuer vermitteln.
Wenn ich weiter durch Evelyn Burdeckis Instagram-Account scrolle, komme ich nicht umhin festzustellen, dass sie hauptsächlich ihr Äußeres, oft nur leicht bekleidet, auf Fotos zeigt. Ich könnte argumentieren, dass sie ihren Körper bewusst in den Vordergrund stellt, so ihre eigene Macht über ihre Darstellung ausübt und damit patriarchale Strukturen durchbrechen möchte. Diese Sichtweise betont die Selbstbestimmung und das Recht jeder Frau, über ihren Körper zu entscheiden, ohne von außen bewertet oder kritisiert zu werden.
Genau darum geht es auch Louisa Dellert, die in ihrem Video dieses Foto aufgreift und die Kommentare kritisiert, die sich darauf beziehen, dass die Nippel von Evelyn Burdecki sichtbar sind.
Ich stimme Luise Dellert darin zu, dass es kein Recht darauf gibt, andere Menschen aufgrund ihres Aussehens zu verunglimpfen. Dennoch erscheint es mir grenzwertig, wenn Frauen sich in einer Bildsprache inszenieren, die stark auf ihr Äußeres fokussiert ist. Damit betont z. B. hier Evelyn Burdecki, dass so Weiblichkeit aussieht oder auszusehen hat! Auf diese Weise wird ein normatives, patriarchales Schönheitsideal fortgeschrieben, denn durch das Posten solcher Fotos passt sie sich in subtiler Form bestehenden, männlich geprägten Schönheitsidealen an. Sie ist sich doch bewusst – oder sollte es sein, oder es ist Absicht, dass sie in einer von Männern dominierten Welt sich den Blicken und Bewertungen männlicher Betrachter aussetzt. Ihre Selbstinszenierung wird somit zu einer internalisierten Form von Sexismus, bei der Frauen unbewusst die ihnen auferlegten Schönheitsstandards reproduzieren.
Die Darstellung des weiblichen Körpers ist seit jeher ein zentraler Aspekt der Kunst, Werbung und Medien, doch die Grenze zwischen Selbstermächtigung und Objektifizierung ist oft schwer zu ziehen.
In der heutigen Gesellschaft, in der visuelle Medien allgegenwärtig sind, birgt die Art und Weise, wie Frauen sich präsentieren, sowohl Potenzial zur Selbstbestimmung als auch Gefahren der Reduktion.
Sexistische Bildsprache lässt sich als jede visuelle Darstellung definieren, die Frauen auf herabwürdigende, reduzierende oder stereotype Weise zeigt. Dies schließt Darstellungen ein, die den weiblichen Körper auf seine sexuelle Attraktivität reduzieren oder ihn als Objekt männlicher Begierde darstellen. Solche Bilder sind nicht nur das Produkt einer sexistischen Kultur, sondern tragen auch aktiv zur Aufrechterhaltung dieser Kultur bei.
Wenn Frauen sich bewusst so inszenieren, dass ihr Körper die Hauptaussage eines Bildes ist, stellt sich die Frage: Ist das Ausdruck von Selbstbestimmung und Kontrolle über das eigene Bild oder eine Reproduktion sexistischer Muster? 
Feminismus hat lange dafür gekämpft, dass Frauen die Freiheit haben, über ihren Körper und ihre Darstellung zu entscheiden. Doch was passiert, wenn diese Freiheit in eine Form von Selbstobjektifizierung umschlägt?
Das ist eine Gemengelage, die tatsächlich komplex und schwer auseinanderzuhalten ist. Einerseits geht es um die Anerkennung der Selbstbestimmung von Frauen, die sich so darstellen, wie sie es möchten. Andererseits müssen wir uns fragen, inwieweit solche Darstellungen existierende, sexistische Strukturen reproduzieren und verstärken.
Warum inszenieren sich Frauen auf diese Weise? Welche Botschaft wollen sie vermitteln?
Es ist entscheidend, dass wir als Gesellschaft lernen, Frauen in ihrer Selbstbestimmung zu respektieren, ohne dabei kritische Fragen nach der Reproduktion sexistischer Muster auszublenden. Ebenso müssen wir Männer stärker in die Verantwortung nehmen, respektvoll und kritisch mit den Bildern umzugehen, denen sie begegnen. Letztlich geht es darum, eine Kultur zu schaffen, in der Frauen frei sind, sich auszudrücken, ohne dass ihr Körper zur Hauptaussage wird oder sie sich herabwürdigenden Kommentaren ausgesetzt sehen. Um dies zu erreichen, müssen wir als Gesellschaft einen bewussten und reflektierten Umgang mit Geschlechterdarstellungen fördern, der sowohl die Freiheit der Selbstdarstellung respektiert als auch die Mechanismen hinterfragt, die diese Darstellungen formen.
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