Im letzten Jahr habe ich begonnen, biografische Notizen zu meinem fotografischen Werk zu schreiben. Gedacht waren sie als Kontext zu meinen Bildern, die ich gerade zu sichten und zu ordnen begonnen hatte. Doch aus dieser Arbeit wurde mehr: Zuerst eine Art Autobiografie – und nun begreife ich, dass sich dadurch ein innerer Prozess in Gang setzte, der mich selbst verändert hat.
An einem gewissen Punkt wurde es zu anstrengend, mich mit meinem Leben zu befassen – und ich brach ab. Doch womit ich nicht aufgehört habe, war das Schreiben. In vielen Blogartikeln habe ich mich mit meinen Befindlichkeiten auseinandergesetzt und dabei die Erfahrung gemacht, wie wichtig es für mich ist, genau das zu tun.
Ich empfand es als heilend, als etwas, das mich in der Welt hielt. Und auch als eine Form von Selbstermächtigung.
Was ich gerade erst wirklich begreife: Dieses Schreiben hat einen Prozess in mir ausgelöst, der mir so nicht bewusst war. In einem Buch lese ich gerade etwas über einen bestimmten Text von Sigmund Freud. Mit Freud habe ich mich bereits im Studium beschäftigt.
Es geht um den Text „Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten“ aus dem Jahre 1914, einen seiner zentralen Beiträge zur Technik der Psychoanalyse. Doch dieser Text lässt sich auch als Strukturmodell des Erinnerns selbst verstehen – besonders beim biografischen Schreiben, das weit mehr ist als das bloße Festhalten von Fakten.
Denn beim Schreiben trete ich mit meinem früheren Selbst in einen Dialog. Ich schreibe nicht nur über das, was war – sondern über das, was geworden ist. Ich habe nicht geschrieben, um etwas herauszufinden. Nicht, um etwas zu verarbeiten. Nicht, um mich zu heilen. Ich habe geschrieben, weil da Worte waren. Bilder. Fragmente.
Was ich erst jetzt begreife: Nicht das Schreiben über mein Leben hat etwas in Bewegung gesetzt, sondern das Schreiben mit ihm.
Nicht das, was ich erinnere – sondern das ich mich erinnere, hat mich verändert. Ich wiederhole Dinge beim Schreiben. Ich wiederhole sie, weil sie sich nicht in mir ausgesprochen haben. Weil sie vielleicht darauf gewartet haben, dass jemand ihnen eine Form gibt – nicht endgültig, aber wahr.
Freud hat das beschrieben. Erinnern. Wiederholen. Durcharbeiten. Ein Text über Heilung, der nicht sagt: Erkenne. Sondern: Bleibe. Wiederhole. Halte aus. Er sagt: Du wirst nicht heilen, indem du dich erinnerst – sondern indem du dich erinnerst, ohne zu wissen, wohin das führt. Vielleicht ist mein Schreiben genau das: Ein Durcharbeiten – nicht als Schmerztherapie, sondern als sanftes Weben einer inneren Kontur.
Ich schreibe nicht, weil ich weiß.
Ich schreibe, weil ich werde.
Ich schreibe, weil sich etwas verankern will – nicht als Fakt, sondern als Erfahrung, die mir gehört. Vielleicht ist das der schönste Irrtum meines Lebens: dass ich dachte, ich schreibe über mich.