Es ist schon wieder passiert:

Ich habe Milch und Reis auf den Herd gestellt, um beides aufzukochen, und mich dann an den Tisch gesetzt, um ein paar Gedanken aufzuschreiben. Und habe den Topf vollkommen vergessen.

Gestern hatte ich die Idee: Ich könnte mir mal einen Milchreis kochen. Ich erinnerte mich daran, wie meine Mutter das machte – sie ließ die Milch mit dem Reis aufkochen und stellte den Topf dann unters Daunenbett. Dort quoll er langsam aus, wurde warmgehalten – und war fertig, wenn ich mittags aus der Schule kam. Da ich wegen meiner zu hohen Cholesterinwerte in Zukunft etwas auf Fleisch verzichten möchte, dachte ich: Das ist doch eine wunderbare Mahlzeit. Ich möchte mir Apfelmus dazu machen. Nun hoffe ich, dass der Reis nicht zu stark angebrannt ist. Ich habe ihn inzwischen unter meine Bettdecke gestellt, nachdem ich den Herd von der angebrannten Milch befreit habe – eine mittelprächtige Sauerei.

Warum passiert mir das immer wieder?

Heute weiß ich: Es sind meine ADHS-Anteile, meine neurobiologischen Funktionsmuster. Sie führen zu Zerstreutheit, Vergesslichkeit, Desorganisation – oder auch zu Hyperfokus auf etwas ganz anderes. Dann ist der Topf auf dem Herd aus dem Bewusstsein verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben.
Seitdem ich um meine Neurodivergenz weiß, gehe ich achtsamer mit mir um. Aber ich habe es bisher nicht geschafft, feste Routinen in meinen Alltag zu integrieren. Vor allem, seit ich nicht mehr als Dienstleisterin arbeite, fällt es mir zunehmend schwer, strukturiert durch den Tag zu kommen. Schon morgens beim Wachwerden frage ich mich: Was für ein Wochentag ist heute eigentlich? Wenn ich das geklärt habe, hoffe ich, dass mir meine Termine einfallen. Notfalls schaue ich auf mein Handy – und alles ist wieder im Lot.

Ich vermeide es, Nachrichtensendungen zu schauen. Diese Art von Reizüberflutung tut mir nicht gut. Ich versuche, regelmäßig zu essen – auch wenn mir diese ständige Kocherei oder das ständige Einkaufen nicht wirklich gefällt. Ich achte auf meine Ernährung, schlucke meine Supplemente, nehme meine Medikamente (es sind zum Glück nicht viele) und halte meine Termine ein – auch wenn ich mich manchmal mit der Zeit stark verschätze, weil mich eine Idee gepackt hat, die ich unbedingt umsetzen muss. Dass ich einmal in der Lage war, ein eigenes Business zu führen, ist mir manchmal ein Rätsel.

Momentan bin ich nach den sehr anstrengenden ersten Monaten in 2025 noch in einer Erholungsphase – und versuche, mich selbst neu zu kalibrieren. Ich schreibe wieder regelmäßig Morgenseiten. Und gerade eben dachte ich, es hätte an der Tür geklingelt. Also bin ich aufgestanden – aber da war niemand. Auf dem Rückweg zum Schreibtisch fiel mir auf, dass die Wäsche im Trockner fertig ist. Ich nahm sie heraus, füllte die nasse Wäsche aus der Waschmaschine in den Trockner … und erinnerte mich: Ich wollte doch etwas aufschreiben.

Es kann auch passieren, dass ich in einem Raum stehe und nicht mehr weiß, warum ich dort bin.

ADHS bei Erwachsenen ist mehr als Zerstreutheit. Es ist ein anderes Wahrnehmen, Denken, Fühlen – mit hoher Reizoffenheit und emotionaler Intensität. Was mir helfen würde, wären stabile Strukturen, regelmäßige Bewegung, Reizmanagement – und trotzdem die Erlaubnis, unvollkommen zu sein. Denn ADHS bringt nicht nur das mit, was landläufig als Schwierigkeiten bezeichnet wird, sondern auch Potenzial:

  • Kreativität

  • Intensität

  • Empathie

  • assoziatives Denken

  • Mut zu Unkonventionellem

  • Hyperfokus – wenn das Thema wirklich fesselt

Interessanterweise habe ich mir genau dazu heute Morgen Gedanken gemacht – und dazu eine Tarot-Karte gezogen. Es war die Karte „Der Herrscher“ (IV). Und sie passte wieder einmal haargenau. Die Schlüsselworte:
Stabilität – Ordnung – Autorität – Verantwortung – Struktur – Schutz.

Der Herrscher symbolisiert Ordnung, Kontrolle und die Kraft der Vernunft. Er steht für eine starke, führende Persönlichkeit, die Regeln setzt, Verantwortung übernimmt und Stabilität schafft – oft als Vaterfigur oder als Sinnbild für Autoritäten in deinem Leben. Er lädt dich ein, mit Klarheit, Disziplin und einem Plan vorzugehen. Es geht darum, Strukturen zu schaffen, auf die du bauen kannst.

Ich fragte ChatGPT, was das wohl für eine ADHS-Persönlichkeit bedeutet. Die Antwort:

„Menschen mit ADHS erleben oft innere Unruhe, Impulsivität und Schwierigkeiten, langfristige Ordnung zu halten – genau das, wofür der Herrscher steht: Stabilität, Struktur und bewusste Kontrolle. In diesem Kontext hat die Karte eine klare Botschaft:

Der Herrscher fordert dich auf, die innere Führung zu übernehmen – nicht indem du dich unterdrückst, sondern indem du liebevoll Rahmen und Routinen schaffst, die dir helfen, dich zu entfalten. Es geht nicht darum, ‚brav‘ zu sein, sondern darum, dein Feuer in Bahnen zu lenken. Er lädt dich ein, Disziplin neu zu verstehen: Nicht als starre Regel, sondern als Selbstachtung.“

Und da stehe ich – mit meiner überkochten Milch, meinen Morgenseiten, meiner Wäsche – und fragte mich:


Wie kann eine Tarot-Karte genau die Antwort sein, nach der ich gesucht habe?

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