Ein paar Gedanken über Alter, Ansehen und Aufrichtigkeit

Freitagabend sah ich Ildikó von Kürthy im „Kölner Treff“, der Talkshow im WDR. Sie sprach über das Altern – klug, charmant, ironisch.
Sie nannte sich „dick und alt“, in einem Ton, der alles andere als selbst abwertend war. Ein Augenzwinkern, eine Selbstermächtigung, ein Spiel mit Zuschreibungen. Und was passierte?
Ein Shitstorm.
Empörung, Besserwisserei, Wort-für-Wort-Ernstnehmen – als wäre Ironie eine Bedrohung und Selbstironie ein Verrat an der Gemeinschaft der „Betroffenen“.

Ich frage mich:
Wie eng ist unser kultureller Spielraum geworden, wenn eine Frau sich selbst ironisch beschreibt – und dafür öffentlich getadelt wird?
Wer bestimmt eigentlich, was als beleidigend gilt?

Ich fand ihren Auftritt befreiend. Gerade weil sie das sagte, was sonst verschwiegen wird. Gerade weil sie sich nicht über ihr Aussehen definierte, sondern über ihre Haltung. Gerade weil sie die Absurdität des „Best Ager“-Begriffs mit trockenem Witz durchlöcherte. Es war nicht ihre Selbstbeschreibung, die peinlich war – sondern die Reaktionen darauf.

Denn wir leben in einer Gesellschaft, in der jede*r glaubt zu wissen, wie „Alter“ auszusehen hat. Wo Frauen jenseits der 50 entweder unsichtbar oder „verdammt gut gehalten“ sein sollen. Wo Jugend als Maßstab, aber nicht als Zustand behandelt wird – man will ihn haben, aber nicht leben. Und jede Form von Deutungsmacht über den eigenen Körper wird misstrauisch beäugt, wenn sie nicht ins Schema passt.

Du siehst aber gar nicht aus wie 75!“ – das höre ich oft. Und ich weiß, es ist nett gemeint. Aber was sagt es über unser Bild vom Alter?Dass 75 nicht mehr lebendig, nicht mehr aufrecht, nicht mehr schön sein darf?

Ich bin 75.
Nicht „noch jung“.
Nicht „schon alt“.
Einfach: 75.
Und ich will, dass man mir das auch ansieht – nicht als Makel, sondern als Geschichte.
Ich habe Falten. Ich habe Haltung. Ich habe ein Gesicht, das mein Archiv ist und ich werde nicht jünger. Aber vollständiger. Ich bin lieber alt als „fit geblieben“. Lieber alt als eine Seniorin, die mit Rabattkarte und Unsichtbarkeit abgespeist wird. Lieber alt als eine Frau, die sich ständig entschuldigt – für ihre Existenz, ihre Stimme, ihre Spuren.

Altwerden ist keine Schwäche.
Es ist kein Versagen.
Es ist eine Gnade – und eine Leistung.

Und wenn wir uns dabei selbst beim Wort nehmen, wenn wir lachen dürfen, ohne dass jemand uns erklärt, wie wir uns zu fühlen haben – dann ist das nicht verletzend.
Dann ist das Freiheit.

Danke, Ildikó, dass du den Raum geöffnet hast. Ich nehme ihn mir.

📌 Links zu Ildikó von Kürthy

1. Zeit‑Interview: „Best Ager: Endlich schön und alt genug“

Ein längerer Artikel von Ildikó von Kürthy selbst in Die Zeit, in dem sie ihre Bewerbung bei Heidi Klum reflektiert und über das Bild alter Frauen spricht. de.wikipedia.org+8zeit.de+8abendzeitung-muenchen.de+8

2. Instagram Reels

3. Pressebericht der Abendzeitung München

Ein Überblick über ihre Bewerbung und die Reaktionen: „Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy bewirbt sich bei Heidi‑Klum‑Show“. facebook.com+7abendzeitung-muenchen.de+7facebook.com+7

4. Facebook‑Posts

„Ich bewerbe mich hier als Germany’s Next Menopause – also: Best Ager … dick und alt, aber mit Haltung.“
(Ildikó von Kürthy im Kölner Treff, 4. Juli 2025)

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