Gerade nachdem ich einen neuen Blogbeitrag veröffentlicht hatte, habe ich Menüpunkte aus meiner Webseite entfernt.
Es war kein großes Ereignis. Kein Knall, kein Paukenschlag. Nur ein Klick.
Und doch hat sich in mir etwas verschoben.
Ich habe die Seiten ausgeblendet, die mich als Dienstleisterin auswiesen.
Keine Porträtangebote mehr, kein „Buchen Sie mich“, keine Galerie für Bewerbungsfotos.
Keine Einladung mehr, mich zu engagieren.
Das war einmal mein Alltag. Mein Beruf. Mein Angebot. Und es war gut so.
Ich habe mit Menschen gearbeitet – mit Gesichtern, Geschichten, Haltungen.
Ich habe fotografiert, was sich zeigte – und was sich nicht zeigen wollte.
Ich habe Nähe ermöglicht und Bilder gemacht, die gebraucht wurden:
für Lebensläufe, für Familien, für Erinnerungen.
Und nun: Stille.
Nicht, weil ich nicht mehr kann.
Sondern weil ich nicht mehr will.
Es war ein eigenartiger Moment. Ich hätte gedacht, dass er schwerer fällt.
Doch er war einfach. Fast selbstverständlich.
Was ich jetzt bin
Ich bin noch immer Fotografin.
Aber nicht mehr im Auftrag anderer.
Ich bin Archivarin meiner Geschichte.
Zeugin meines Blicks.
Autorin meiner Autobiografie.
Kuratorin meiner Werke, meiner Worte, meiner Wege.
Ich erforsche mein fotografisches Archiv, schichte es neu, zeige Ausschnitte davon – im Blog, in Ausstellungen, im Werkverzeichnis.
Ich schreibe: poetisch, autobiografisch, manchmal essayistisch.
Ich denke öffentlich. Ich teile, was bleibt.
Ich entwickle eigene Formate – Podcast-Episoden, Textserien, Impulsprogramme, Vorträge.
Ich biete nichts mehr an.
Ich zeige, was da ist. Und was wachsen will.
Was ich künftig machen werde
Ich will mein fotografisches Lebenswerk in verantwortliche Hände geben.
Nicht als Fragment – sondern als Ganzes.
Ich will weiter schreiben: über Erinnerung, über Alter, über weibliche Autonomie.
Ich will lehren, ohne zu unterrichten – indem ich erzähle, was ich gesehen habe.
Ich will Berührung erzeugen, Resonanz stiften.
Ich will Weggefährt*innen begegnen, die sich für Erfahrung interessieren – nicht für Effizienz.
Ich bin nicht im Ruhestand. Ich bin im Werden.
Das „Werden“ ist kein Karriereplan. Kein Projektziel.
Nicht aus Mangel an Arbeit – sondern aus einer anderen Art von Dringlichkeit.
Ich bin nicht stehen geblieben.
Ich habe die Richtung geändert.
Weil ich mir jetzt die Erlaubnis gebe, meinen eigenen Rhythmus zu gehen.
Es ist ein Prozess: tastend, suchend, formend.
Ich werde nicht mehr das, was andere brauchen.
Ich werde die, die ich gemeint bin.
Ruhestand klingt nach Stillstand. Nach Abwesenheit.
Aber mein Inneres ist nicht still. Es bewegt sich.
Es fragt, sortiert, erinnert, schafft.
Ich habe keine Erwerbsarbeit mehr im klassischen Sinn.
Aber ich arbeite – mit Bildern, mit Worten, mit Spuren.
Ich höre nicht auf, weil ich älter bin.
Ich verändere mich, weil ich mich ernst nehme.
Ich habe nicht weniger zu sagen – sondern endlich die Freiheit, es in meiner Sprache zu tun.