In meinem letzten Blogbeitrag „Nicht zurück – nur weiter“ habe ich angedeutet, dass ich mich mit dem Thema Neurodivergenz (beschreibt neurologische Unterschiede, die sich von den in der Gesellschaft als „normal“ oder „typisch“ definierten Gehirnfunktionen unterscheiden. Es ist ein Spektrum, das eine natürliche Vielfalt menschlicher Gehirn- und Denkprozesse umfasst) beschäftige. Was zuerst noch tastend war, ist in den letzten Tagen zu einer Erkenntnis geworden, die mich erschüttert hat – und gleichzeitig leise befreit.
Dies ist ein erster Versuch, Worte für das zu finden, was gerade in mir geschieht. Denn es bewegt sich viel. Und ich bewege mich – langsam, tastend, nach meinem Unfall, der mich körperlich ausgebremst hat. Und nun kommt innerlich Bewegung dazu. Es ist viel. Und ich will es nicht länger übergehen.
Es war eine Bemerkung und dann die Antworten auf einen Fragebogen, die alles in Gang setzten. Plötzlich war da ein neues Wort, das wie ein Schlüssel wirkte: neurodivergent. Nicht krank. Nicht defizitär. Einfach anders. Anders verdrahtet, anders wahrnehmend, anders tickend. Und ich spürte – tief innen – dass es stimmt. Dass ich mir all die Jahre nicht eingebildet habe, wie stark ich reagiere, wie schnell ich erschöpft bin, wie intensiv ich wahrnehme. Dass ich mir vertrauen darf. Endlich.
Aber diese Erkenntnis ist noch zart. Sie vibriert wie eine neu gestimmte Saite. Und manchmal übertönt sie der Lärm der alten Stimme in mir – die immer sagte:
„Du übertreibst.“
„Das bildest du dir ein.“
„Reiß dich zusammen.“
Seit dieser Erkenntnis ist mein Inneres nicht aufgeräumter – sondern wilder. Verwirrter. Es ist, als hätte jemand in einem Raum das Licht angeknipst, den ich zwar kannte – aber nie ganz gesehen habe. Da ist ein Teil von mir, der ruft: „Endlich – jetzt beginnt etwas Neues.“
Während in meinem Inneren neue Landkarten entstehen, bin ich äußerlich noch immer in Genesung. Mein Körper heilt langsam. Ich bin nach wie vor eingeschränkt, und jeder Tag erfordert Geduld. Doch diese körperliche Langsamkeit scheint plötzlich zu passen – sie zwingt mich, innezuhalten, zu horchen, nicht zu überrennen, was sich in mir neu sortiert.
Meine Genesung ist doppelt geworden:
Die sichtbare – von außen nachvollziehbar.
Und die unsichtbare – tief, still, von innen her.
Wie weiter?
Ich weiß es noch nicht genau. Ich möchte kein Manifest schreiben, keine fertige Analyse. Ich möchte in Resonanz bleiben mit mir. Mich nicht wieder übergehen. Nicht sofort funktionieren. Ich will lernen, meine Reizgrenzen zu achten. Meine Wahrnehmung zu ehren.
Mich nicht mehr für mein Tempo zu entschuldigen.
Vielleicht beginne ich, mir kleine Rituale zu schaffen.
Vielleicht schreibe ich jeden Tag einen Satz, der mich bestätigt.
Vielleicht rede ich öffentlich darüber. Oder ganz leise nur mit mir.