Im Schreiben versunken
Es ist wunderbar – ich liebe es und trinke wieder Kaffee, jede Menge Kaffee.
Es passiert morgens. Bevor der Tag beginnt, wenn die Träume noch nachklingen und das Licht weich durch die Vorhänge fällt. In diesen Zwischenräumen kommen die Sätze. Ungerufen, aber dringend. Ich höre ihnen zu, schreibe sie auf, lasse mich führen.
Seit Wochen, manchmal fast manisch, arbeite ich an meiner Autobiografie. Und je tiefer ich darin eintauche, desto mehr spüre ich: Das ist nicht nur ein Rückblick. Es ist ein Durchgang.
Ich schreibe nicht, um zu erinnern – ich schreibe, um zu verstehen.
Manche Erinnerungen kamen zögerlich, andere mit Wucht. Einige waren lange verschwunden, verschüttet unter Schichten aus Alltag, Arbeit, Schmerz. Jetzt zeigen sie sich – manchmal in Bildern, manchmal in Sätzen, manchmal einfach nur als leiser Widerstand beim Schreiben.
Was mich am meisten fasziniert: Die Rückschau ist kein Stillstand. Im Gegenteil. Während ich die Vergangenheit durchschreibe, verändert sich mein Blick auf sie. Alte Szenen, einst klar eingeordnet, beginnen zu flirren. Ich sehe neue Zusammenhänge. Spüre alte Verletzungen – und wie sie sich verwandelt haben.
So vieles begreife ich erst jetzt.
In einem Kapitel meiner Autobiografie beschreibe ich, wie ich von Einzelporträts zu Serien fand. Und während ich das schrieb, fiel mir auf: Auch mein Leben lässt sich nicht in Einzelbildern erzählen. Es sind Serien. Thematische Felder. Wiederholungen mit Variationen. Übergänge. Brüche. Wiederkehrende Motive.
Vielleicht schreibe ich deshalb so gern in Kapiteln. Jedes Kapitel ist wie eine fotografische Serie: eine Form, in der sich Erfahrung verdichtet. Nicht linear, sondern resonierend.
Schreiben als Erkenntnisprozess
Das Schreiben an der Autobiografie ist für mich kein literarisches Projekt, kein „Buch“, das einfach nur veröffentlicht werden will. Es ist ein Resonanzraum. Ich schreibe mich entlang meiner Erinnerungen – und dabei entwirrt sich etwas in mir. Ich erkenne: Was ich lange für zufällig hielt, folgt einer inneren Logik. Was ich vergessen hatte, ist doch nicht verloren. Und was schmerzte, darf jetzt einen anderen Platz bekommen. Das Schreiben gibt mir die Sprache zurück, die mir oft gefehlt hat.
Was bleibt:
Vielleicht ist die Autobiografie mein wichtigstes fotografisches Projekt. Nur eben mit Worten.
Was geschieht, wenn wir beginnen, unser Leben zu schreiben?
Ich teile hier eine Spur aus meinem Prozess. Vielleicht ist sie Anlass, selbst innezuhalten – und den eigenen Fäden nachzuspüren. Nicht laut. Nur für dich.