Guten Morgen, oder guten Mittag, es ist ja schon 12:00h,
Gestern habe ich sehr intensiv Daten zu Fotos zusammengetragen, für den Kurator meines Bildbandes. Dabei bin ich, wie jedes mal, wenn ich in mein Negativarchiv einsteige, mir selber und meinem Leben begegnet. Dem Leben, das ich vor 30 Jahren hatte. Das löst schon eigenartige Gefühle aus. Vor allem, wenn ich Filme finde und ich mich nicht erinnere, in welchem Zusammenhang ich diese Fotos gemacht habe.
An die erste H&M Männer in Unterwäsche-Kampagne kann ich mich noch gut erinnern. Sie war so anders, nicht so sexistisch angelegt, wie spätere Kampagnen.
Eines steht fest: ich werde mein Archiv erneut durchsehen und alle privaten Filme aussortieren und dann muss ich grundsätzlich überlegen, was mit diesem Archiv passiert, in dem Moment, in dem ich nicht mehr hier bin.
Heute jedoch will ich versuchen meine große Arbeitsplatte frei zu beklommen, die liegt im Moment noch ziemlich voll mit Sachen, die ich aus Kartons ausgeräumt habe. Und sicher gibt es heute auch einen Mittagsschlaf.
Das möchte ich noch erzählen. Ich war einkaufen und auf dem Weg zu meinem Auto, gehe ich an 2 Frauen vorbei, die gerade herzhaft in ein Brötchen beißen und ich wünsche ihnen „Guten Appetit“! Kommt die ältere der beiden auf mich zu und meint:“ Sind sie nicht die Fotografin?“
Es stellte sich heraus, dass sie mir lange auf Facebook gefolgt ist, bis sie sich dort abgemeldet hat.
Was soll ich sagen, ich liebe solche Momente.
Renate Neumann
Dieses Shooting hatte ich wenige Wochen vor ihrem grauenhaften Tod – ermordet am 23. April 1994.
Renate Neumann: ungewöhnlich ihre Kunst, ihr Leben, ihr Schicksal.
Renate Neumann galt als eine der ungewöhnlichsten literarischen Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Schreiben war Renate Neumann eine hohe innere Notwendigkeit.
Die 1954 in Mönchengladbach Geborene, promovierte Germanistin und Philosophin hatte zuletzt, vor ihrem grauenhaften Tod einen Lehrauftrag an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. 1994 erschienen die Prosatexte „Du weckst die Nacht“, ein schmales Buch, dessen Veröffentlichung die Schriftstellerin nicht mehr erlebt hat.