Das, was im Moment in den Medien lautstark diskutiert wird, erinnert mich an den Film „Blood Diamond“.

Warum?

Nun ja, der Film von Regisseur Edward Zwick aus dem Jahr 2006, mit Leonardo DiCaprio und Jennifer Connelly in den Hauptrollen, thematisiert den Handel mit Blutdiamanten und greift u.a. die Thematik des internationalen Waffenhandels, die Vernetzung zwischen Regierungstruppen, Rebellentruppen und privaten Söldnerfirmen, Korruption, den Einsatz von Kindersoldaten, den Bürgerkrieg in Sierra Leone und die Traumatisierung der dortigen Bevölkerung auf. In „Die Zeit“ Nr. 5 vom 25. Januar 2007  ist der Film „…eine bravouröse Gratwanderung zwischen Aufklärung und Unterhaltung.“

Aufklärung?

War den Amis nicht bekannt, dass der „weiße“ Mann den schwarzen Kontinent immer noch ausbeutet? Ich fasse es nicht. Ebensowenig wie, dass sexistische und Frauen diskriminierende, Werbung ganz plötzliche und unerwartet, als die Ursache für Gewalt gegen Frauen identifiziert wurde. Ehrlich,habe ich so im Sozial Web wahrgenommen.
Solche Werbung gibt es schon länger, als ich Werbung betrachte und auch genau so lange gibt es die entsprechenden Beschwerden beim Deutschen Werberat, über solche Werbung. Aktuell findet sich, auf seiner Homepage, folgende Meldung:
„BERLIN, 2. November 2015 (dwr) – Der Deutsche Werberat hat vier Unternehmen öffentlich gerügt, die Frauen und ihre Körper online, auf Plakaten, Flyern, Autos und in Anzeigen herabwürdigend als Blickfang benutzen und damit gegen …Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen verstoßen. „
Weiter heißt es auf der Homepage des Deutschen Werberat:
„…Wie schon im Vorjahreszeitraum lagen die Vorwürfe der Geschlechterdiskriminierung, … auch im ersten Halbjahr 2015 auf den Rängen 1 bis 3 …, einzig die Geschlechterdiskriminierung stieg deutlicher um 8 Prozent. … Julia Busse, Geschäftsführerin des Werberats: „Gerade zu Nacktheit, Erotik und Sexualität insgesamt gibt es weit auseinander liegende Toleranzpegel in der Gesellschaft….“

Wer also so naiv ist zu glauben, dass der Zusammenhang zwischen Werbung, die Frauen herabsetzt und die Gewalt gegen Frauen, neu ist und erst ein Thema seit dem es in unserem Land Männer gibt, die aus einem fernen Land kommen, in dem es kulturell andere Werte gibt als bei uns, der sollte sich mal schleunigst sachkundig machen.

Sexismus und sexualisierte Gewalt beschränkt sich nicht auf Menschengruppen, er durchzieht unsere gesamte Gesellschaft und das schon sehr lange. In diesem Zusammenhang von Kulturen zu sprechen, in denen dies selbstverständlich sei, instrumentalisiert dieses schwerwiegende Problem um u.a. „Fremde“ zu verteufeln. Wie war das doch gleich mit Rainer Brüderle? Diesem Politiker, der Journalistinnen als notorischer Belästiger bekannt war, gehört der dem Islam an? Sexualisierte Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und gibt es in unserem Land schon länger, als es Flüchtlinge gibt.

Es war Angela Davis, die das Buch: „Rassismus und Sexismus“ 1982 veröffentlichte.
Ich habe Angela Davis, eine beeindruckende Persönlichkeit, in San Francisco persönlich getroffen. Sie spricht deutsch, da sie 1965 in Frankfurt (Main) Philosophie und Soziologie, unter anderem bei Adorno und Horkheimer, studierte. Was mein Glück war, denn mein Englisch war zu diesem Zeitpunkt, so gut wie nicht vorhanden.

Wer ist Angela Davis?
Wikipedia nennt sie eine US-amerikanische Bürgerrechtlerin, Philosophin, Humanwissenschaftlerin und Schriftstellerin. 1970 setzte das FBI Angela Davis auf die Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher der USA. Sie wurde verhaftet und ihr drohte wegen des Vorwurfs der „Unterstützung des Terrorismus“ die Todesstrafe. Reagan war zu dieser Zeit Präsident der USA. Gegen die Verhaftung von Angela Davis entwickelte sich eine weltweite Welle des öffentlichen Protests. Nach zwei Jahren wurde sie am 4. Juni 1972 in allen Punkten der Anklage freigesprochen.
Ja, es gab und gibt, in meiner Lebenszeit, Rassendiskriminierung in den USA, sogar per Gesetz.

Erst neulich habe ich den Film „Der Butler“ gesehen. Dieser Kinofilm erzählt die wahre Geschichte eines Mannes, dessen Vater, auf der Baumwollfarm, auf der er mit seiner Familie lebte, vom Sklavenaufseher erschossen und dessen Mutter, vom selber Sklavenaufseher vergewaltigt wurde. Er wird zum Butler ausgebildet, kommt nach Washington DC und erhält eine Anstellung im Weißen Haus.
Dieser Film macht m.E. sehr schön deutlich, warum die USA einen „schwarzen“ Präsidenten brauchen und wie wichtig es ist, eine Frau als Präsidentin oder Kanzlerin zu haben, und dass die politische Forderung der Frauenquote unverzichtbar ist – schon wg. der Optik – und das Frauen diskriminierende Werbung schwerwiegende Folgen hat und unterbunden gehört, auch wg. der Optik.
Ich bin nämlich schon lange der Meinung, dass das Bild der Frau in den Medien, das Ansehen (Bild) der Frau in der Gesellschaft allgemein prägt.

Ich finde es erschreckend, wenn junge Frauen immer noch ganz selbstverständlich nur die männliche Berufsbezeichnung benutzen, auch wenn sie von Frauen in diesem Beruf sprechen. Frauen sind Ärztin und nicht Arzt, sind Fotografin und nicht Fotograf, sie sind Polizistin und nicht Polizist. Wie naiv war ich, zu glauben, dass dieses Thema und eine Diskussion über Frauenrechte und Gleichberechtigung längst obsolet sei?
Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der aus den ehemaligen Trümmerfrauen wieder Heimchen am Herd gemacht wurden. Alice Schwarzer zur Leitfigur des bundesdeutschen Feminismus stilisiert wurde und Feminismus als Schimpfwort galt, dass obwohl es einen zweiten deutschen Staat gab, in dem die qualifizierte Berufstätigkeit der Frau selbstverständlich war und sie auch den gleichen Lohn bekam wie ein Mann. Einen Staat, der Kindererziehung zur gesellschaftlichen Aufgabe erklärte und die Förderung der Frau auf seine Fahnen geschrieben hatte. Es hat mich darum um so mehr erschrocken, als ich, kurz nach der Öffnung der Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten, ein Gespräch zwischen zwei Ehepaaren am Nebentisch mitbekam. Einer der Männer forderte doch tatsächlich für sich einen Lohn, der so hoch sei, dass seine Frau zu Hause bleiben kann. Hatte den die gesellschaftliche Realität, in der er in den vergangenen Jahren gelebt hatte, rein gar nichts geändert? Offensichtlich nicht. Denn, bei meiner Reise in die ehemalige DDR, ich fotografierte für ein Fotobuch, mit dem ich die sich gerade ändernden Verhältnisse für mich begreifbar machen wollte, sprach ich mit jungen Frauen. Sie bestätigten mir, dass es immer noch ihre Aufgabe sei, am Wochenende die Wäsche zu machen und für Ordnung im Haushalt zu sorgen. Das war 1989, hat sich seit dem wirklich nichts geändert?
Wenn in der Gegenwart ein junger Vater stolz darauf ist, dass er mit seinem Einkommen seine Familie ernähren kann, dann ist das für mich ein Zeichen genau dafür: Am Rollenverständnis hat sich kein Deut geändert. Geschlechterstereotype sind es, die sexuelle Gewalt gegenüber Frauen begünstigen.
Ich erinnere mich an Demos in den 80 und 90er Jahren des 20. Jhr. über die ich als Fotojournalistin berichtet habe. Z.B. zum 8. März, dem Internationalen Tag der Frau, oder an sogenannte „Muttertagsdemos“. Soll das alles nichts gebracht, nichts verändert haben? Das wäre dann richtig traurig.
Zahlen des Bundesfamilienministeriums zeigen: Knapp 60 Prozent aller Frauen in Deutschland wurden bereits sexuell belästigt, jede siebte hat strafrechtlich relevante Formen sexueller Gewalt erfahren. Diese Zahlen sind schon lange bekannt, finden aber in der Debatte kaum statt. Sexualisierte Übergriffe geschehen also jeden Tag und nicht nur an Silvester. Ich kann nur hoffen, dass die Opfer der Silvesterübergriffe nicht nur kurzfristig benutzt werden, um den ersten großen Skandal des Jahres 2016  zu bebildern.
Wie wird in Zukunft mit der täglichen sexualisierter Gewalt in Deutschland umgegangen?
Was es bräuchte wäre ein radikaler Wandel im Umgang mit diesem Thema, es weiterhin zu verharmlosen und zu billigen darf einfach nicht sein.
Wichtig wäre u.a. die Aufklärung über Grenzüberschreitung und Missbrauch im Schulunterricht. Mehr und bessere Beratungsangebote in Ämtern, Behörden, Vereinen. Verbesserter Zugang zu Psychotherapie für Gewaltopfer. Akute Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt, also funktionierende Frauenhäuser.

Bin ich eine Utopistin?
Denn die gleichen Politiker, die sich gerade hinstellen und die Ereignisse in der Silvesternacht instrumentalisieren um gegen Flüchtlinge zu wettern, haben im Bundestag gegen eine Gesetz zur Unterbindung und Bestrafung  häuslicher Gewalt gestimmt.
Was erwarte ich?
Schließlich ist es in unserer Gesellschaft möglich, das Versicherungskonzerne ihre Mitarbeiter mit einem Besuch im Bordell belohnen, oder Fernsehmoderatoren sich Prostituierte und  Drogen aufs Hotelzimmer bestellen können. So was gilt als Kavaliersdelikt – wie schön!
Das „Sex sells” hat noch niemand in Frage gestellt.
Es hat seinen Grund, warum ich besonders aufmerksam die TV Serien und das darin vermittelte Frauenbild verfolge und mit Genugtuung feststellen konnte: Ja, es hat sich was verändert. Frauen werden mit vielen Ecken und Kanten und hochqualifiziert gezeigt. Sie sind selbstbewusst, selbst bestimmt, haben einen Beruf und bestimmen selber welche sexuelle Orientierung sie haben. Nur war es naiv von mir zu glauben, dass diese Form der Darstellung, die gewünschte positive Auswirkung auf das Bild und Ansehen der Frau in der Gesellschaft hat.
Es gibt eben noch zu viele Beispiele dafür, z.B. in der Werbung, wo Frauen tagtäglich diskriminiert und herabgewürdigt werden. Leider gibt es keine Politiker, die sich für ein Verbot solcher Werbung stark machen. Der Aufschrei nach dem Rainer-Brüderle-Eklat war dann ja auch schnell wieder versickert.
Jetzt, nach den aktuellen Ereignissen, werden vielleicht noch ein paar Köpfe rollen, sowas nennt sich Bauernopfer, um die Bevölkerung zu beruhigen, doch dann wird das Thema und die allgemeine Aufregung langsam wieder verstummen, oder?

Ich will nicht verstummen. Ich möchte was tun und habe mich gefragt, was das sein könnte.
Meine Idee ist, dass ich weitere Portraits für mein Projekt „Silbergrau – das bin ich“ erarbeiten.

Warum das?
Weil ich finde, dass der Umgang mit diesem Thema in den Medien, die inhärente Frauenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft und den Medien veranschaulicht.
Wieso das?
Während Männer oft für ihre grau-melierten Haare und ebensolche Bärte gelobt werden, ist die Gesellschaft/die Öffentlichkeit von einer Frau, die ihre grauen Haare nicht färbt, entsetzt, oder nimmt diese einfach nicht wahr. Eine Frau, die dazu steht, dass sie „älter“ wird, ist an prominenter Stelle, wie z.B. im Fernsehen, unerwünscht.
Frauen sollen „trotz“ ihres Alters, noch „jugendlich“ aussehen. Dafür bekommen sie Komplimente. Noch nie habe ich Komplimente gelesen oder gehört die an die Adresse einer Frau gerichtet waren, wenn silbergraue Fäden ihr Haar veränderten.
Warum nicht?
Haben Frauen nicht mehr zu bieten als ein jugendliches Aussehen?

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