Auf dem Weg zur Demo, Bonn 1986

Es war ein nebliger Morgen in Bonn. Ich erinnere mich nicht mehr an die genaue Uhrzeit, nur an das Gefühl: Eine Mischung aus Entschlossenheit und leiser Erwartung, ich war auf dem Weg zu einer Demonstration. Nicht laut, nicht heroisch.
Zwei Frauen gingen vor mir den Weg entlang, schweigend, einander nah, jede mit einer Fahne in der Hand. Ich drückte ab.

Diese Fotografie ist eines meiner stillsten Demonstrationsbilder. Kein Slogan, kein Banner, kein Lärm. Nur zwei Rücken, ein Weg, Nebel. Aber für mich trägt sie alles in sich: Die Bereitschaft, sich zu zeigen. Den Entschluss, sichtbar zu werden. Den Gang in die Öffentlichkeit. Der linke trägt eine große, bereits entrollte Fahne – als würde er etwas vorwegnehmen wollen, ein Zeichen setzen. Die rechte Person hält ihre noch eingewickelt – vielleicht ein Symbol für Zögern oder Schutz. Vielleicht ist es nur Zufall. Aber meine Fotografie fragt nicht nach Gewissheiten. Sie hält fest, was ich gesehen – und gespürt – habe.

Heute, fast vierzig Jahre später, wirkt dieses Bild fast zärtlich auf mich. Es zeigt den politischen Körper nicht in der Masse, sondern im Duo. Nicht in der Forderung, sondern im Gang. Es zeigt, was bleibt, wenn der Lärm verhallt ist.

Bildanalyse:

  • Aufnahmetechnik: Analog, Kleinbildfilm, Schwarzweiß.

  • Komposition: Zentralperspektivisch. Die Wegführung zieht den Blick in die Tiefe. Die beiden Menschen bilden das visuelle Zentrum.

  • Symbolik: Der Nebel als Zeitzeichen, die Fahnen als Zeichen für Engagement, die Leere als Kontrast zum inneren Aufruhr.

  • Duktus: Dokumentarisch und gleichzeitig poetisch. Keine plakative Botschaft, sondern ein leiser Nachhall des politischen Aufbruchs.

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