Dortmund, 6. Juli 1983
Start des Frauen-Friedens-Marsch von Dortmund nach Brüssel.
Drei Frauen gehen Arm in Arm durch die Innenstadt. Sie lachen. Nicht leise, nicht angepasst – sondern offen, mutig, voller Energie. Es ist der erste Tag des Frauenfriedensmarschs von Dortmund nach Brüssel, den ich damals fotografisch begleitet habe.
Dieses Bild entstand mitten im Getümmel. Die Straße: Bühne. Der Körper: politisch. Das Lächeln: eine Form von Widerstand. Die drei Frauen stehen exemplarisch für das, was diese Bewegung ausmachte: Gemeinschaft, Sichtbarkeit, Präsenz im öffentlichen Raum. Sie nehmen sich ihren Platz – nicht kämpferisch im martialischen Sinne, sondern warm, solidarisch, lebendig.
Mich berührt dieses Foto noch heute. Vielleicht, weil es zeigt, wie politische Haltung und Lebensfreude sich nicht ausschließen müssen. Vielleicht auch, weil es genau den Ton trifft, den viele Protestbilder bis heute vermissen: Nähe, Kraft, Humor – ohne Pose.
Ein Archivmoment, der mehr ist als Erinnerung.
Er ist ein Echo auf die Frage:
Wie sieht Frieden eigentlich aus?

Komposition
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Das Bild ist in der klassischen Reportageästhetik gehalten: Schwarz-Weiß, available light, nah dran am Geschehen.
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Die Komposition ist zentralperspektivisch: Die drei Frauen in der Mitte bilden ein kraftvolles Zentrum. Die Fluchtlinien der Straße und der Häuserfronten führen direkt auf sie zu – das verstärkt die Wirkung der Gruppe als symbolisches Herz dieses Moments.
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Die Armverschränkungen erzeugen ein Dreieck: eine geschlossene, kraftvolle Form, die Nähe, Solidarität und gemeinsame Bewegung ausdrückt. Diese Form stabilisiert das Bild.
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Die Tiefe wird durch die überfüllte Fußgängerzone und den Hintergrund mit Bannern und Passant:innen noch verstärkt – ein Gefühl von Dynamik, Bewegung, Öffentlichkeit entsteht.
Licht und Kontrast
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Das Licht ist gleichmäßig, vermutlich bedeckter Himmel – kein harter Schattenwurf, was für Porträts im Straßenraum ideal ist.
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Die Kontraste sind ausgewogen – helle Kleidung in der Mitte, dunklere Ränder. Das Auge wird unweigerlich auf das Zentrum gelenkt.
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Besonders interessant: Die helle Bluse der mittleren Frau wird zum visuellen Ankerpunkt. Von dort aus entfaltet sich das Lächeln nach links und rechts – als hätte das Licht selbst eine Richtung.
Körpersprache & Mimik
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Alle drei Frauen lachen offen, selbstbewusst, mit direktem Blick (teils zum Fotografierenden, teils in die Ferne).
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Ihre Haltung ist unverstellt, beinahe stolz – keine Pose, sondern gelebte Haltung. Sie wirken wie eine verschworene Gemeinschaft, spontan, mutig und präsent.
Zeitdokument einer Bewegung
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Der Frauenfriedensmarsch von Dortmund nach Brüssel 1983 war ein stark politischer, zugleich utopisch-poetischer Akt. Die Aufnahme bringt beides zusammen: das Politische (durch Kontext, Schild „Totes Kapital“) und das Menschliche (durch das unmittelbare Lächeln und Miteinander).
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Das Bild zeigt nicht die Masse – sondern den Kern. Die drei Frauen stehen exemplarisch für die Vielfalt, die Entschlossenheit und auch die Lebensfreude dieser Bewegung.
Empowerment durch Präsenz
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Was dieses Bild so besonders macht: Es zeigt Frauen nicht im „Kampfmodus“ oder als Opfer, sondern in Freude, Kraft, Gemeinschaft – als aktive Gestalterinnen.
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Der Ausdruck ist weder aggressiv noch zurückhaltend. Er ist selbstbewusst, warm, offen – ein Gegenentwurf zu männlich dominierten Protestbildern.
Öffentlicher Raum wird feminisiert
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Die Straße – üblicherweise Ort des Konsums oder der männlichen Präsenz – wird durch die marschierenden Frauen umgedeutet: zu einem Ort der Veränderung, der Sichtbarkeit, der Zusammenkunft.