Schreiben ist nicht nur ein Mittel zur Reflexion, sondern oft auch ein Erkenntnisprozess, der Gedanken und Gefühle klarer werden lässt.
Seit Jahrzehnten ist die Fotografie mein Leben, eine immerwährende Begleitung und ein lebendiger Teil meines Selbst. Sie ist weit mehr als ein Beruf oder eine Kunstform – sie ist ein konstantes Element, das mich durch meine Entwicklung begleitet und mich in vielfacher Weise herausfordert – technisch, künstlerisch, emotional. Die Leidenschaft für die Fotografie war stets meine treibende Kraft – sie zog mich unaufhörlich weiter, ließ mich Neues entdecken und gab mir das Gefühl, immer in Bewegung zu sein. Diese Leidenschaft ist nie starr, sie wandelt sich, entwickelt sich, so wie auch ich mich in meiner Lebensreise immer wieder verändert habe.
Fotografie ist für mich nicht nur ein technisches Werkzeug oder ein ästhetisches Mittel, sondern ein Spiegel meiner eigenen Wandlungen. Was mich in der Vergangenheit fesselte, hat sich verändert, und mit jeder neuen Erfahrung habe ich eine andere Perspektive auf die Welt um mich herum und auf mich selbst gewonnen. Die Fotografie als Teil meines Lebens zeigt diese Veränderung – in den Themen, die ich wähle, in der Art, wie ich sie anpacke, und in der Tiefe, mit der ich versuche, das Leben zu erfassen.


Der innere Antrieb, der mich seit so vielen Jahren begleitet, ist ein lebendiger Prozess. Es ist der Dialog zwischen meiner eigenen Entwicklung und dem, was ich mit meiner Kamera erfasse und erforsche. Diese ständige Wandlung ist nicht nur eine Frage der Technik oder der äußeren Umstände, sondern auch ein tiefer, emotionaler Prozess, der mich als Mensch und als Künstlerin prägt. Die Fotografie ist dabei nicht nur ein Ausdruck meiner Sicht auf die Welt, sondern auch eine Form der Auseinandersetzung mit mir selbst – ein immerwährender Spiegel, der mich herausfordert, zu wachsen und mich weiter zu entfalten.
Ich erkenne in der Fotografie nicht nur meine Leidenschaft, sondern auch den stetigen Wandel, der mich zu neuen Perspektiven und Entdeckungen führt. So bleibt die Fotografie nicht nur ein Teil meines Lebens, sondern ein lebendiger Prozess, der mich auf meiner Reise begleitet – zwischen Leidenschaft und Wandlung.


Embodiment – ein Prozess, der langsam wirkte
Vor einem Jahr begann ich mit der Embodiment-Arbeit. Ich wusste nicht genau, was mich erwartete. Heute weiß ich Folgendes: Embodiment-Arbeit erfolgt durch verschiedene Methoden und Praktiken, die darauf abzielen, das Bewusstsein für den eigenen Körper zu fördern und die Verbindung zwischen Körper und Geist zu stärken. Der Prozess der Embodiment-Arbeit ist individuell und kann je nach Person und deren Bedürfnissen variieren. Sanfte oder energetische Bewegungsformen laden dazu ein, den Körper auszudrücken und zu erfahren. Diese Bewegungen helfen, ein Gefühl für den eigenen Raum und die eigenen Grenzen zu entwickeln. Es ist eine Art Meditation in Bewegung, die hilft, die eigenen inneren Zustände zu reflektieren. Atemtechniken helfen, den Körper zu entspannen und den Geist zu zentrieren. Bewusster Atem fördert die Präsenz im Moment und kann tief verwurzelte Spannungen im Körper lösen. Es ist vor allem Arbeit am Nervensystem. Zunächst schien sich bei mir nichts zu verändern. Mein Körper fühlte sich schwer an, festgehalten in alten Mustern. Besonders auffällig war, dass ich in den ersten Sitzungen meine Füße kaum von der Erde heben konnte, auch war ich schnell erschöpft und musste vom Stehen ins Sitzen wechseln. Das Sitzen sollte eigentlich im Schneidersitz auf dem Fußboden erfolgen, was mir unmöglich war, wie alle Übungen, die auf dem Fußboden ausgeführt werden sollten. Trotzdem bemerkte ich, wie mein Körper sich entspannte, und, ohne dass ich es bewusst bemerkte, begann sich etwas in mir zu lösen. Ganz langsam kam es in mein Bewusstsein. Dann war er plötzlich weg: der innere Antreiber, der mich immer weitertrieb, mich nie zur Ruhe kommen ließ. Und statt eines Gefühls des Verlusts empfand ich eine tiefe Befreiung.
Zum ersten Mal konnte ich innehalten und mir ganz in Ruhe ansehen, was ich bereits geschaffen hatte. Ich musste nichts mehr erzwingen. Endlich hatte ich die Ruhe, mit Hingabe mein Archiv zu sichten und mich mit meiner fotografischen Vergangenheit auseinanderzusetzen und dabei eine neue Wertschätzung für mein Werk zu entwickeln. Ich hörte auf, meine Arbeit aktiv zu bewerben, postete weniger auf Instagram z.B.
Diese Wende brachte eine völlig neue Qualität in mein Leben. Das frühere ständige Vorwärtstreiben wich einer bewussten Rückschau, einem tieferen Verstehen meiner eigenen fotografischen Arbeit. Ich begann, Zusammenhänge klarer zu erkennen und meine Lebensgeschichte bewusster zu reflektieren, ich begann intensiver zu schreiben und Fragen schriftlich zu bearbeiten. Die Veränderung beschränkte sich nicht nur auf die Fotografie, war mein Eindruck.


2023 war ich sehr verzweifelt, weil ich den Eindruck hatte, mich ganz langsam in Richtung Rollstuhl zu entwickeln, ohne es aufhalten zu können. Nach dem Tod meiner beiden Hunde und dem Fahrradunfall 2022 hatte ich aufgehört, mich regelmäßig zu bewegen, und ein radikaler Muskelschwund hatte für mich unerträgliche Konsequenzen für meine Kraft und Energie und meinen Diabetes. An anderer Stelle habe ich schon ausführlich darüber geschrieben und auch, dass ich ein neues Medikament bekam und endlich auf Insulin verzichten konnte. Dadurch konnte ich endlich abnehmen. Im Laufe des Jahres 2024 habe ich fünfundzwanzig kg abgenommen und fühle mich im Moment körperlich richtig gut. Doch es fühlte sich eben auch so an, als wenn ich nicht nur Körpergewicht verloren hätte. Da war noch etwas anderes verschwunden: Eine alte Last, die mich in der Vergangenheit regelrecht an die Wand oder den Boden gedrückt hatte, so schien es mir, war verschwunden. Der Panzer, in dem ich gefangen schien, war aufgebrochen oder abgelegt. Doch was war dieser Panzer? Ich kann es nicht beantworten, nur ahnen oder spekulieren. Waren es vielleicht die Erwartungen an mich, nicht von außen, sondern von mir selbst oder der ständige Drang, mich beweisen zu müssen? Ich wusste es nicht zu sagen. Hatte nur das Gefühl, dass es mal eine Zeit gab, da wusste ich sehr genau, was ich wollte und wer ich war, doch das schien vorbei zu sein. Alles, was ich tat oder dachte, wurde ständig angezweifelt und hinterfragt, nicht auf eine gesunde Art, sondern eher negativ, und die meiste Metaüberschrift lautete: Du machst ohnehin alles falsch.
Doch mit jeder Embodiment-Session verschwand ein Stück dieses unsichtbaren Panzers, der mich lange begleitet hatte. Mein Körper wurde beweglicher, meine Haltung entspannter. Und mit dieser neuen Leichtigkeit kam eine Klarheit, die mich tiefer mit meinem eigenen Erleben, meinen wahren Bedürfnissen und meiner inneren Ruhe in Verbindung brachte. Ich begann, Vertrauen in meine Intuition zu haben. Es wurde einfacher, meinen Bedürfnissen nachzugeben, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Ich entwickelte Sicherheit in meinen Entscheidungen, es ist nicht mehr alles falsch.
Und dann die vergangenen beiden Wochen auf Ameland in denen mir plötzlich bewusst wurde, was wirklich geschehen war. Dort, auf dieser Insel, konnte ich den Alltag von Düsseldorf vollkommen loslassen. Ich erkannte den Wert des reinen SEINS. Ohne Druck, ohne Zwang. Einfach nur sein. Zum ersten Mal konnte ich diese neue innere Ruhe nicht nur denken, sondern tief in meinem Körper spüren. Ich war angekommen. Ich konnte ohne schlechtes Gewissen pausieren, atmen, den Moment erleben. Die Fotografie war nicht mehr eine Verpflichtung, sondern eine Möglichkeit, wenn ich sie wollte. Nicht, weil ich musste.


Fazit – Ein Balanceakt zwischen Tun und Sein
Diese Reise, die vor einem Jahr mit einer scheinbar wirkungslosen Embodiment-Arbeit begann, hat mich an einen Punkt geführt, an dem ich meine eigene Fotografie und mein Leben anders sehe.
- Ich muss nichts mehr beweisen.
- Ich kann innehalten, zurückschauen und erkennen, wie viel ich bereits geschaffen und erlebt habe.
- Ich sehe meine Arbeit mit neuen Augen nicht als ständigen Auftrag, sondern als ein gewachsenes Werk, das auch ohne permanentes Schaffen seine Gültigkeit besitzt.
Dieses Innehalten erlaubt mir, nicht nur meine Fotografie, sondern auch mich selbst besser zu verstehen – meine Entwicklung, meine Beweggründe und meine inneren Prozesse. Ich lerne, den Moment wertzuschätzen, ohne das Gefühl zu haben, ihn sofort in ein neues Projekt oder eine neue Aufgabe verwandeln zu müssen. Stattdessen kann ich bewusst entscheiden, wann und warum ich kreativ werde – aus Freude und nicht aus Zwang. Das Sein hat das Tun abgelöst. Und darin liegt eine Freiheit, die ich mir lange nicht erlaubt habe.
Doch gestern, als ich nach meinem Aufenthalt auf Ameland nach Hause kam, wurde ich plötzlich wieder in alte Muster geworfen. Ich hatte die Nachricht erhalten, dass ich einen Sponsor für die Ausstellung in Chemnitz habe – eine wunderbare Gelegenheit, doch sofort sprang mein innerer Antreiber wieder an. Ohne zu zögern, begann ich, die Anforderungen des Veranstalters für die Vernissage zu erfüllen, schließlich sind es nur noch zwei Wochen. Ich fand ein günstigeres Angebot für einen Leihwagen, buchte ihn sofort, meine Unterkunft hatte ich bereits von Ameland aus organisiert.
Ich spürte den alten Drang, alles perfekt vorzubereiten und Erwartungen zu erfüllen. Ganz selbstverständlich!
Und heute?
Heute spüre ich wieder meinen Kiefer, weil ich unbewusst die Zähne zusammenbeiße.
Ich habe zu wenig geschlafen, doch am Morgen entschied ich mich erst einmal, mir etwas Leckeres zum Frühstück einzukaufen. Dann habe ich mich daran gesetzt, diesen Blogbeitrag zu Papier zu bringen und die Story aufzuschreiben, wie es zu der Ausstellung gekommen ist, die ab dem 1. April in Chemnitz hängen wird. Als ich damit fertig war, habe ich das leckere Sushi gegessen, das ich mir vorsorglich gekauft hatte, und ein Stück Bienenstich – ich liebe Bienenstich. Dann spürte ich ganz langsam, wie ich mich entspannte und müde wurde, habe mir eine Wärmflasche fürs Bett gemacht, in das ich gleich gehen werde, auch wenn es erst 21:00h ist. Ich musste dann nur noch diesen Blogbeitrag kurz mit neuen Gedanken ergänzen, von denen ich hoffe, dass sie alles noch verständlicher machen.
Was bedeutet das für mich?
Wie gehe ich damit um?
Ich erkenne, dass es nicht darum geht, den Antreiber vollständig loszuwerden, sondern ihn bewusst wahrzunehmen und in Balance zu bringen. Es geht darum, mir Raum zu geben – für das Tun, wenn es notwendig ist, aber auch für das bewusste Innehalten. Vielleicht ist das der wahre Fortschritt: nicht das vollständige Ablegen des alten Musters, sondern die Fähigkeit, es zu erkennen und aktiv zu entscheiden, wann es dienlich ist und wann nicht.
Meine Hoffnung ist, dass ich lernen kann, das Neue in mir zu schützen, mir die Leichtigkeit zu bewahren und mich nicht wieder in den Strudel des unaufhörlichen Schaffens zu verlieren. Es ist ein Balanceakt, ein bewusstes Pendeln zwischen Aktivität und Ruhe, zwischen Schaffen und Sein. Und genau darin liegt meine neue Freiheit.
Eine Strategie für den Alltag
Doch Freiheit bedeutet nicht, dass der alte Antreiber nie wieder auftaucht – er wird es tun. Deshalb brauche ich eine Strategie, um mich immer wieder bewusst für das Innehalten zu entscheiden. Eine Möglichkeit ist, mir regelmäßig Momente der Reflexion zu schaffen. Ich könnte mir feste Zeiten nehmen, in denen ich bewusst überprüfe: Bin ich im Tun oder im Sein?
Was treibt mich gerade an – Freude oder Zwang?
Eine weitere Methode könnte das bewusste Atmen sein, um mich wieder in meinen Körper zu holen, wenn ich merke, dass der innere Druck wächst. Vielleicht hilft es mir auch, kleine Erinnerungen in meinen Alltag einzubauen – ein Notizbuch, in dem ich kurz festhalte, wann ich in alte Muster zurückfalle, oder ein Symbol auf meinem Schreibtisch, das mich daran erinnert, dass ich wählen kann. Auf jeden Fall setze ich die Embodiment-Arbeit fort, die mein Leben ebenso sehr bereichert hat, wie es die Leidenschaft Fotografie tut.
Letztlich geht es darum, mich selbst sanft, aber bestimmt daran zu erinnern, dass ich nicht zurück in den alten Strudel muss.
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Ich darf innehalten.
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Ich darf entscheiden.
Und das ist wahre Stärke.
Was ist Embodiment?
Ich bin durch eine Empfehlung auf Kathrin Borghoff aufmerksam geworden und arbeite nun seit einem Jahr erfolgreich mit ihr zusammen.