… und zwar hier:
Das Literaturblog Sätze&Schätze gibt es seit 2013. Gegründet aus dem Impuls heraus, über Literatur und Bücher zu schreiben und mit anderen zu diskutieren.

Die Online-Kultur-Redaktion der Welt liebt derzeit offenbar Bücherlisten. Solche nach dem Motto „25 Bücher, die Sie gelesen ….blablabla“. Und das alles in einem locker-seichtem Unterhaltungston. Meist überfliege ich diese Art von Artikeln, doch einer der letzten dieser Art stieß in den sozialen Netzwerken auf viel Protest. Zurecht. Denn unter den „11 Büchern, die du bis zu deinem 30sten lesen solltest“ ist KEINES von einer weiblichen Autorin. Und das im Jahre 2016 – dass Frauen auch im Literaturbetrieb immer noch strukturell bedingte Benachteiligung erfahren, das ist hinlänglich bekannt. Aber man möchte doch meinen, dass es für die unter 30jährigen heute eine genügend große Auswahl an prägenden AUTORINNEN gibt? Und seit der „Zeit-Bibliothek der 100 besten Bücher“ (eine Frau auf der Liste) und dem männerlastigen Kanon Reich-Ranickis sind nun wirklich ein paar Jährchen vergangen …

Ich habe überlegt, welche 11 Bücher von Frauen ich gelesen habe, bevor ich 30 wurde (also vor 20 Jahren), die mich geprägt, beeinflusst, begeistert haben. Mir sind auf Anhieb zwei Dutzend und mehr eingefallen.

Aber ich beschränke mich mal auf die nachfolgenden elf Freundinnen – und stelle die Frage, welche Bücher von Schriftstellerinnen für euch bedeutend sind, in den Raum.

Virginia Woolf, Mrs. Dalloway, 1925: Zu sehen, wie im Laufe eines Tages die Fassade bröckelt, eine Frau sich und ihr Leben infrage stellt, wie Verletzungen zutage treten – unter dem Eindruck dieses Romans überlegte ich mir kurz den Schwenk zu einem Psychologiestudium.

Anna Seghers, Das siebte Kreuz, 1942: Für mich eines der eindrücklichsten Bücher über Widerstand, Freiheitswillen vs. Diktatur. Und von Anna Seghers bin ich seither einfach nur beeindruckt.

Ilse Aichinger, Die größere Hoffnung, 1948: Wer sich selbst ein Visum gibt, wird frei. Einer der Schlüsselsätze, die hängengeblieben sind, auch drei Jahrzehnte später noch. Ein Buch, mit dessen spröder Sprache ich gerungen habe, das mir aber genau deswegen immer in Erinnerung bleibt.

Doris Lessing, Das goldene Notizbuch, 1962: Ganz berechtigterweise eine „Bibel“ der Frauenliteratur – Doris Lessing beschreibt in diesem Roman ein Kernthema, den Versuch, Unabhängigkeit und den Wunsch nach Intimität zusammenzubringen. Da finden sich eigene Lebensthemen wieder.

Simone de Beauvoir, Memoiren einer Tochter aus gutem Hause, 1968: Das war mein erstes Buch, das ich von de Beauvoir las (und danach holte ich mir alle weiteren), 15 Jahre war ich alt und saß fortan auf gepackten Koffern.

Toni Morrison, Sehr blaue Augen, 1979: Toni Morrison – eine von 14 Frauen, die bislang den Nobelpreis für Literatur erhalten haben …Ihr Romandebüt: So zornig, so wütend, so packend – auch eine Anklage gegen die Welt der Männer, insbesondere der weißen Männer. Schärfte meinen Blick für gewisse Strukturen.

Ingeborg Bachmann, Malina, 1980: Ihr einziger Roman endet mit dem Satz: „Es war Mord“. Ein weibliches Ich verschwindet. Eigentlich ein trauriges Buch – die Frau erliegt  der Utopie der Liebe. Faszinierende Sprache, aber so traurig wollte ich nicht werden.

Monika Maron, Flugasche, 1981: Der stark autobiografische Roman erzählt vom Mut einer Frau, die als Journalistin bei der Recherche über Umweltverschmutzung in Bitterfeld von der Partei unter Druck gesetzt wird. Ich las das mit großer Hochachtung, wollte mir ein Stückchen Mut abschneiden.

Christa Wolf, Kassandra, 1983: Die Seherin, die sich langsam freimacht von falschen Bindungen, die immer unbeirrbarer und aufrechter wird, auch wenn der Preis der Tod ist. Eines dieser starken Bücher, die zu Lebensbüchern, zu einer Art ethischen Richtschnur wurden.

Marguerite Duras, Der Liebhaber, 1984: Dieses Buch zu lesen, war in meinem Abitur-Jahrgang ein „Muss“. Exotik, Erotik. Erst ein späteres Wiederlesen, auch unter dem Eindruck der Lektüre von „Der Schmerz“, eröffnete mir einen anderen Blick auf die Autorin. Der Preis der Selbstbestimmung wird mit persönlichem Leid bezahlt.

Giaconda Belli, Die bewohnte Frau, 1988: „Die Fackel ist entzündet“ – dieser Roman über Widerstand, Liebe und die Emanzipation einer Frau führte bei mir zu einigen Semestern Studium der lateinamerikanischen Literatur und zu einer anhaltenden Begeisterung für die Lyrik der Nicaraguanerin.

Und wer waren die Schriftstellerinnen, die euer Leseleben prägten?

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