Ich habe kürzlich einen Sturz erlebt. Keinen dramatischen, aber einen, der mich buchstäblich aus dem Alltag gerissen hat. Seitdem weiß ich, wie schnell es gehen kann. Wie fragil dieses Leben ist, selbst wenn man sich stark fühlt. Wie rasch Selbstverständliches brüchig wird: das Gehen, das Einkaufen, das Alleinsein. Die Selbstbestimmung.

Ich habe begonnen, über etwas nachzudenken, was ich lange vor mir hergeschoben habe:

Eine Generalvollmacht. Ein Testament.
Eine Entscheidung darüber, wer für mich sprechen soll, wenn ich es vielleicht nicht mehr kann.

Das fühlt sich nicht neutral an.
Es ist kein „Das muss man halt irgendwann mal machen“.
Es ist emotional.
Es ist beängstigend.
Es wirft Fragen auf, die tief in mich hineinreichen:
Wem vertraue ich wirklich?
Wer kennt mich – nicht nur äußerlich, sondern im Kern?
Wer kann in meinem Sinne entscheiden – nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Respekt?

Ich habe begonnen, mir diese Fragen ganz konkret zu stellen. Mit Listen. Mit einer Auswahlmatrix. Mit Bauchgefühl. Ich bin keine Juristin, aber ich möchte Verantwortung übernehmen – für mich selbst und für das, was ich hinterlasse.

Mein fotografischer Nachlass

Ich bin seit über sechzig Jahren Fotografin. Mein Archiv umfasst zehntausende Negative, Dias, Kontaktbögen, Abzüge, digitale Serien. Es ist kein Sammelsurium – es ist ein Werk. Ein Werk, das gewachsen ist – mit mir, mit der Welt, mit den Menschen, denen ich begegnet bin.

Ich werde es ordnen, beschriften, durchleben – systematisch, konzentriert, in Werkgruppen.

Und ich frage mich:
Was geschieht mit all dem, wenn ich nicht mehr da bin?
Wer erkennt den Wert darin – nicht nur künstlerisch, sondern historisch, menschlich, erzählend?
Wer hat die Kompetenz und die Zuwendung, mein fotografisches Erbe in gute Hände zu bringen?

Das ist kein nostalgisches Grübeln – es ist eine realistische, pragmatische und sehr emotionale Arbeit.
Ich überlege, ob ich Auktionshäuser anschreibe. Ich suche den Kontakt zu Museen, Archiven, Sammlungen.
Ich dokumentiere. Ich beschrifte. Ich beschütze. Ich möchte nicht, dass mein Werk verschwindet –
Ich möchte, dass es spricht, auch wenn ich schweige.

Und das bedeutet:
Ich muss auch entscheiden, wer es verwaltet, wie es bewahrt wird, was verkauft werden darf – und was nicht.
Mein fotografisches Archiv ist Teil meines Testaments. Nicht nur juristisch – sondern auch geistig.

Ein neuer Abschnitt

Ich stehe am Anfang eines neuen Lebensabschnitts. Ich werde keine Porträtfotografin im klassischen Sinne mehr sein. Das habe ich entschieden. Nicht weil ich aufhöre – sondern weil ich mich verändere.
Weil mein Blick sich vom Aufnehmen ins Ordnen verschoben hat.

Das bedeutet auch: Ich werde im Moment kein Geld mehr mit Aufträgen verdienen und muss neue Wege entwickeln und will versuchen, meinen Lebensunterhalt mit dem zu bestreiten, was ich geschaffen habe –
nicht mehr mit dem, was ich neu produziere.

Dieser Blogbeitrag ist kein Schlusswort.
Er ist ein Zwischenton.
Eine Spur auf dem Weg.

Vielleicht liest das jemand, der gerade selbst über Generalvollmachten, Vorsorge und Endlichkeit nachdenkt.
Dann möchte ich sagen:
Es ist nicht leicht. Aber es ist richtig.

Ich schreibe das hier auch, um mir selbst Mut zu machen.
Denn manchmal dreht sich mir dabei der Magen um.
Und doch weiß ich:

Es ist ein Akt der Selbstachtung, sich diesen Fragen zu stellen.
Und vielleicht auch ein Akt der Liebe – an die Zukunft.

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