11. Mai 2022
„Hab nie Angst vor dem Alt-werden, du kannst immer noch viel Unsinn machen, nur langsamer.“
Als wir uns treffen, ist Gudula 66 Jahre alt. Sie erzählt von ihrer Mutter, 95, die ihr großes Vorbild ist. Gudula ist ausgebildete Erzieherin und Heilpädagogin. Ihre Eltern haben sich gewünscht, dass sie Beamtin wird. Sie hat 15 Jahre bei der Stadt Wuppertal und 30 Jahre bei der Stadt Wülfrath gearbeitet. In ihrer wunderschönen Wohnung, die in einem Haus ist, das dort steht, wo früher das öffentliche Schwimmbad von Wülfrath war, ist der Frühstückstisch gedeckt und es gibt frische Brötchen und andere Leckereien. Ich fühle mich sehr willkommen. Gudula ist eine warmherzige Frau, ganz nach meinem Geschmack, das spüre ich gleich und nicht erst als wir feststellen, dass wir gerade dieselben Bücher lesen.
Seit 1976 ist Gudula Mitglied ihrer Gewerkschaft und die Interessen von Frauen und Kindern vertritt sie leidenschaftlich. Aufgrund ihrer Entdeckungsfreude sucht sie immer wieder neue Herausforderungen und hat in der Vergangenheit bereits zahlreiche Projekte erfolgreich initiiert und umgesetzt. Es ist kaum möglich, alles aufzuzählen, was sie bereits erreicht hat. U. a. war sie die Leiterin einer Einrichtung für Kinder, eines Stadtteilcafé und eines zertifiziertes Familienzentrum. Geht nicht, gibt es ganz offensichtlich für Gudula nicht. Der „Equal pay day“, „One billion Rising“, „Frauengesundheit“, „Frauen zurück in den Beruf“, „Parteiübergreifende Frauentreffen“ sind z. B. alles Begriffe, die bei mir hängen geblieben sind, nach unserem langen und intensiven Gespräch.
Sieben Jahre lang war Gudula die Gleichstellungsbeauftragte in Wülfrath und hat das Frauennetzwerk gegründet, acht Kinderbücher geschrieben, nie eine Tanzschule besucht und sich von alten Wülfrather:innen deren Geschichte erzählen lassen. Sie ist geschieden, hat einen Sohn und lebt mit ihrem Lebensgefährten zusammen.
Auffällig ist ihre Fähigkeit, Lösungen für jedwedes Problem zu finden. Sie hat sich entschieden, einen Befähigungskurs im Hospizverein zu absolvieren, um Sterbebegleiterin zu werden, was für eine einfühlsame und mitfühlende Persönlichkeit.
Gleichzeitig scheint sie mir sehr fokussierte und zielstrebig zu sein und, was ich besonders bemerkenswert finde, Gudula scheint keine Angst vor dem Altern zu haben und ist bereit, ihre Falten als Zeichen ihres Lebensweges zu akzeptieren. Diese Haltung zeigt ihre innere Stärke und ihr Selbstbewusstsein. Ihre Entschlossenheit, sich weiterzuentwickeln und ihre Fähigkeit, Lösungen zu finden, machen sie zu einer inspirierenden Figur. Sie raucht gerne und liebt Sonnenbäder, wenn sie mit ihrer Campingausrüstung unterwegs ist. Für Gudula gibt es keinen Stillstand. Was für eine Frau.
