Sie ist wie ich 1950 in Wülfrath geboren. Da sie im September Geburtstag hat und ich im Juni waren wir weder in der gleichen Schulklasse noch im selben Tanzkurs, oder wurden zur gleichen Zeit konfirmiert. Doch, und damit überrascht sie mich gleich bei meiner Ankunft, waren wir zusammen im Mädchenkreis der ev. Kirche, bei Pastor Kaltepoth.
Auf dem Tisch liegen Fotos von einer Theateraufführung im damaligen Gemeindehaus. Das muss in den 60er-Jahren gewesen sein – wir waren auf jeden Fall noch sehr jung. Weitere Namen fallen und ich erinnere mich: Wir trafen uns regelmäßig dienstagabends im Gemeindehaus der evangelischen Kirche und anschließen wurde bei Köttgen eine Tüte Pommes gegessen. Die Mayonnaise kostet 10 Pfennig.
Köttgen begann in einem Bully, heute würde man das einen Food-Track nennen, den Verkauf von Pommes Frites, die damals gerade als Imbiss in Mode kamen. Später zog er in ein Ladenlokal am Heumarkt. Der Erinnerungsaustausch mit Jutta hilft mir, mich zu erinnern. Wir sprechen über das ehemalige Schwimmbad, in dem wir beiden schwimmen gelernt haben, oder über den Sportplatz, den es nicht mehr gibt, auf dem wir beide an Bundesjugendspielen teilgenommen haben. Jutta war wie ich bei den „Falken“, einer Jugendorganisation und in der Tanzschule Trumm. Es gab die Gaststätte Korten, das Café Euer, die Kneipe von Jupp Öhm und die Drogerie Oberhösel. Jutta erinnert sich daran, dass sie samstagmorgens in die Stadt ging, um Bekannte zu treffen und ein Schwätzchen zu halten.
Ihre Großeltern hatten das Schuhgeschäft „Ullrich“ in der Innenstadt und ihr Großvater war, nach dem Krieg, der erste eingesetzte Bürgermeister der Stadt. Er war SPD Mitglied, wie sie später auch, bis Schröder Kanzler wurde, seitdem ist sie es nicht mehr. Und da wir gerade beim Thema „Politik“ waren, kommen wir auf Klaus Jann, einer schillernden Wülfrather Persönlichkeit. Mit seinem Namen verbinden sich Aktionen für den Erhalt des Freibades, des Krankenhauses, der Stadthalle und des Rathauses. Er beteiligte sich an Initiativen für Kindergärten und Spielplätze, war aktiv in der Friedensbewegung und als Journalist mit seinem „Roten Reporter“ häufig unbequem. Der „Roten Reporter“, eine 1970 von dem Journalistenehepaar Klaus und Doris Jann, ich kannte beide, gegründete alternativen Zeitung. Diese Zeitung wurde auch von meiner Mutter gerne gelesen, da sie kritisch über Themen informierte, über die sonst nicht berichtet wurde.
Jutta ist wie ich in die Parkschule gegangen, hat mit 16 Jahren eine Ausbildung zur Industriekauffrau begonnen, Jahre später dann ihr Abitur via Telekolleg abgelegt und anschließend in der Stadtverwaltung Wülfrath gearbeitet. Mit ihrem Mann, einem Ingenieur, ist sie zusammen, seitdem sie 16 Jahre alt ist. Als sie zusammenziehen wollten, wurde geheiratet, weil sie sonst keine Wohnung in Wülfrath bekommen hätten. Sie weiß zu berichten, dass ihre erste Wohnung im gleichen Haus lag wie die Wohnung von Frl. Priesak einer Lehrerin der Parkschule, die ich auch kennengelernt habe. Jutta hat sogar einmal eine Ohrfeige von ihr bekommen, was in den 50er Jahren durchaus üblich gewesen ist. Als Jutta mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter für kurze Zeit in Krefeld wohnt und trotzdem fast jeden Tag in Wülfrath war, entschied sie, wieder nach Wülfrath zu ziehen und ihre drei Kinder sind alle in Wülfrath zur Schule gegangen. Da sie heute sechs Enkelkinder hat, tauschen wir uns über das „Oma-Sein“ aus, wir sind davon beide begeistert. Als ich Jutta verlasse, wird mir klar, dass da, wo heute ihr Haus steht, früher, also in der Zeit, in der ich in Wülfrath gelebt habe, nur plattes, unerschlossenes Land gewesen ist. Wülfrath ist eine ziemlich große Stadt geworden, in der sehr viele Menschen leben, wird mir bewusst.
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