Dass mich die rezidivierende Depression fest im Griff hat, habe ich ja schon beschrieben. Warum ist das so? Es ist sicherlich eine Art emotionaler Überbelastung, denke ich. Der Beginn, mir mein Archiv anzusehen und die Erinnerungen, die ich in meiner Autobiografie begonnen habe, festzuhalten, oder das Nachdenken über ein Testament, das alles ist recht anstrengend. Wenn dann noch Konflikte im persönlichen Umfeld dazu kommen, ist das Maß dessen, was ich mir zumuten kann, einfach voll. Dazu kommt das Nachdenken darüber, wie viele Jahre mir noch bleiben werden, denn bald habe ich meinen 75. Geburtstag. Eine Zahl, die mich staunen lässt. Manchmal mit Stolz, manchmal mit Nachdenklichkeit. Je näher dieser Geburtstag rückt, desto deutlicher spüre ich die Endlichkeit meines Lebens. Es ist keine plötzliche Erkenntnis, sondern eher ein stilles Wissen, das sich langsam in den Alltag schleicht. Doch was mache ich mit diesem Wissen? Wie gehe ich damit um?

Ich habe schon oft über meine Pläne geschrieben, die Projekte, die mir am Herzen liegen. Ich habe noch so viel vor: meine Autobiografie weiterführen, meine Bilder ordnen, die Geschichten festhalten, die noch erzählt werden wollen. Und doch gibt es Tage, an denen mich eine Lähmung erfasst. Eine Schwere, die alles sinnlos erscheinen lässt. In diesen Momenten fühlt sich alles an wie ein unbezwingbarer Berg.

Früher hat mich diese Lähmung oft lange festgehalten. Ich habe mich ihr einfach hingegeben, weil ich keinen Weg sah, ihr zu entkommen. Heute komme ich besser damit klar, aber das Gefühl verschwindet nicht einfach. Meine Projekte liegen vor mir wie ein gewaltiger Aufstieg, und manchmal frage ich mich: Kann ich diesen Berg wirklich erklimmen? Vielleicht ist es nicht der Berg, der zu groß ist, sondern mein Blick, der ihn zu überwältigend erscheinen lässt. Wenn ich nur den Gipfel sehe, verliere ich den Mut. Doch wenn ich mir bewusst mache, dass ich nicht den ganzen Berg auf einmal besteigen muss, wird es leichter. Ein Schritt nach dem anderen.

Manchmal hilft es mir, zurückzuschauen: Wie oft hatte ich schon das Gefühl, nicht weiterzukommen? Und wie oft bin ich doch weitergegangen, auch wenn es nur kleine Schritte waren? Ich habe mich meiner Autobiografie gewidmet, meine analoge Fotografie digitalisiert, neue Ideen entwickelt. Jeder dieser Schritte war ein kleines Stück des Weges. Vielleicht ist das der Trick: Nicht immer nur den Gipfel im Blick haben, sondern auch die Aussichtspunkte unterwegs wahrnehmen.

Vielleicht ist es nicht nur die Höhe des Berges, die mich belastet, sondern auch das Gewicht meines Rucksacks. Erwartungen an mich selbst, Perfektionsansprüche, die Angst, etwas nicht zu Ende zu bringen. Was, wenn ich manches davon loslasse? Wenn ich akzeptiere, dass nicht alles fertig werden muss, reicht es, das zu tun, was mir möglich ist? Vielleicht ist es auch der Blick auf das Leben selbst: Nicht als etwas, das ich vollenden muss, sondern als einen Weg, den ich mit Neugier und Offenheit weitergehe. Egal, wie lange.

Die Lähmung kommt und geht. Doch was bleibt, ist mein Wunsch, Spuren zu hinterlassen, meine Gedanken zu teilen. Vielleicht schreibe ich diesen Beitrag gerade deshalb – als Erinnerung an mich selbst, dass es sich lohnt, weiterzugehen. Dass ich nicht den ganzen Berg erklimmen muss, sondern einfach nur den nächsten Schritt machen kann.

Und wer weiß – vielleicht ist es gar nicht der Gipfel, der zählt, sondern die Aussicht unterwegs.

 

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