Der Tag, an dem ich Raissa Gorbatschow fotografierte

Ein Pressefoto, aufgenommen vom Fotografen des Kreml. Im Zentrum: Raissa Gorbatschow, umringt von Kameras, Mikrofonen, neugierigen Blicken. Und ganz oben rechts, fast unscheinbar – ich. Konzentriert, mit dem Finger auf dem Auslöser. Eine stille Präsenz am Rand des Geschehens.
Der Anlass war die Weltfrauenkonferenz in Moskau, auf der ich für verschiedene Magazine fotografierte.
Raissa Gorbatschow, mit ihrer prägnanten Ausstrahlung und ihrem unaufdringlichen Charisma, war mehr als nur die Frau des sowjetischen Staatsoberhaupts. Sie war eine intellektuelle, kulturell engagierte Frau, die wie ihr Mann für Wandel und Offenheit stand. war eine Erscheinung – gebildet, elegant, politisch wach. Sie bewegte sich souverän in einem Raum, der Frauen lange verschlossen war. An diesem Tag stand sie im Kreis anderer Frauen, im Gespräch – und doch beobachtet von der Welt. Ich wollte diesen Moment festhalten: ihre Haltung, ihre Zugewandtheit, ihre Würde. Und während ich den Auslöser meiner Kamera betätigte, fotografierte jemand anders mich. Am Rand. Und doch mittendrin.
Die Fotografin im Bild
Dieses Bild enthält eine stille Metaebene. Ich bin nicht das Motiv – aber ich bin da. Als Teil der Szene. Als Zeugin. Als jemand, der sieht und gesehen wird. Und so stellt sich erneut die alte Frage, die mich durch mein fotografisches Leben begleitet:
Wie sichtbar bin ich in meinen Bildern? Wie sehr fließt mein Blick, meine Geschichte, meine Haltung ein – selbst dann, wenn ich nicht gemeint bin?
Das Foto ist für mich mehr als ein Erinnerungsstück. Es ist ein Beweis: Fotografie verwebt uns mit dem, was wir betrachten.
Sie trennt nicht – sie verbindet. Und manchmal zeigt sie uns rückblickend, wer wir waren, als wir hinsahen.
📌 Bildinfo
📷 Aufnahme: Fotograf des Kreml
🕰️ Jahr: 1987
🌍 Ort: Moskau, Weltfrauenkonferenz
