Im Moment habe ich mein Fotostudio in einen Arbeitsraum verwandelt, weil ich damit beginne, mein Archiv zu sichten und zu katalogisieren. Beim ersten Durchstöbern meines Printarchivs stieß ich auf ein Foto, das mich unwillkürlich innehalten ließ. Es war wie ein Fenster in die Vergangenheit, ein Moment eingefroren in der Zeit, der mich unmittelbar mit einer Episode meines Lebens verband. Das Bild zeigt mich im Jahr 1987, aufgenommen vom Fotografen des Kreml. Der besondere Augenblick, den dieses Foto dokumentiert, ist der, in dem ich selbst ein Foto von Raissa Gorbatschow mache. Raissa Gorbatschow, mit ihrer prägnanten Ausstrahlung und ihrem unaufdringlichen Charisma, war mehr als nur die Frau des sowjetischen Staatsoberhaupts. Sie war eine intellektuelle, kulturell engagierte Frau, die wie ihr Mann für Wandel und Offenheit stand. Der Kontext, in dem dieses Foto entstand, war meine Arbeit als Fotografin. Anlass war die Weltfrauenkonferenz in Moskau, auf der ich für den STERN und Brigitte, das Frauenmagazin, fotografiert habe. Fotografieren bedeutete für mich damals, Geschichten zu erzählen. Mit meiner Kamera konnte ich Atmosphären einfangen, Stimmungen vermitteln und, wie in diesem Fall, ein Stück Zeitgeschichte dokumentieren. Ich erinnere mich noch gut an diesen Tag. Raissa Gorbatschow stand in einer Gruppe von Frauen, die sie umringten und mit ihr sprachen. Ich wusste, dass ich diesen Moment festhalten wollte – ihre Eleganz, ihre Menschlichkeit und die Geschichte, die sie verkörperte. Der Moment, in dem ich auf den Auslöser meiner Kamera drücken wollte, war genau dieser Augenblick, in dem der Kreml-Fotograf diese Gruppe, an deren Rand ich stand, fotografierte. In diesem Schnappschuss liegt eine Metaebene: die Fotografin, die selbst Teil der erzählten Geschichte wird. Es ist ein stilles Echo der Frage, die mich durch meine gesamte fotografische Laufbahn begleitet hat: Wie viel von mir selbst fließt in meine Bilder ein, und wie werde ich selbst Teil der Geschichte, die ich zu dokumentieren suche? Das Foto erinnert mich daran, wie Fotografie uns in den großen Strömungen der Geschichte verankern kann, wie sie uns als Chronisten unserer Zeit positioniert. Gleichzeitig führt es mir vor Augen, dass ich selbst, ob ich will oder nicht, immer ein Teil dieser Geschichte bin. Das Bild ist für mich nicht nur eine Erinnerung an Raissa Gorbatschow und die Epoche, die sie prägte, sondern auch an meinen eigenen Weg, meine Rolle als Fotografin und die Momente, in denen ich der Welt mit meiner Kamera begegnet bin. Vielleicht ist dies das größte Geschenk der Fotografie: Sie gibt uns die Fähigkeit, Momente festzuhalten, die größer sind als wir selbst. Und manchmal schenkt sie uns – wie in diesem Fall – einen unerwarteten Rückblick auf uns selbst.