Ich habe heute bei meinen Recherchen und Gesprächen zum „weiblichen Blick“ in der Fotografie einen interessanten Begriff gehört:
Bildsprache.
Sprache ist Kommunikation. Lt. Paul Watzlawick „Kann man nicht nicht kommunizieren.“ Wenn du nicht die gleiche Sprache sprechen würdest, in der ich hier schreibe, würde ich für dich unverständlich bleiben. Auch Fotografien kommunizieren, und zwar mittels der Bildsprache.
Die Bildsprache ist zwar universell, doch sie funktioniert hauptsächlich im gleichen Kulturkreis und hat erst einmal nichts mit dem eigenen fotografischen Stil zu tun. Fotografien, egal wie banal, haben immer einen Inhalt, eine Botschaft und wirken durch die inhaltliche Absicht und andererseits durch ihre formale Gestaltung. Stil- und Gestaltungsmittel des Motivs sollten daher auf die mitzuteilende Aussage zugeschnitten sein. Mit anderen Worten, ich als Fotografin sollte mir vor dem eigentlichen Akt des Fotografierens über die Nutzung von Gestaltungsmitteln im Klaren sein.
Dort, wo unbewusst mit Gestaltungselementen gearbeitet wird, deren Wirkung auf die Betrachter:innen nicht berücksichtigt wurde, können Inhalte und Symbolwirkungen transportiert werden, die entgegengesetzt der beabsichtigten Bildaussage stehen. Was in einem Bild gelesen wird, hängt auch davon ab, wer sich das Bild ansieht. Der Inhalt eines Bildes erklärt sich also auch durch die Fähigkeit des Betrachtenden, es zu interpretieren. Ich nehme durch die Art der Gestaltung und dessen, was ich fotografiere, Einfluss darauf, was die Betrachtenden wahrscheinlich denken werden.
Unsere Sehgewohnheiten unterliegen Gesetzmäßigkeiten. Diese werden m.E. gebildet aufgrund unseres Geschlechts, unserer Sozialisierung, Bildung, Lebenserfahrung usw. Mit der Bildsprache kann ich Sehgewohnheiten entsprechen oder sie durchbrechen. Denken wir an die Benetton Kampagne der 1990er-Jahre. Oliviero Toscani hat virtuos auf der Klaviatur der Sehgewohnheiten gespielt.
Wie sich Sehgewohnheiten entwickeln, habe ich schon im Kontext der Auswirkung von Pornografie erwähnt. Eine Langzeitstudie hat ergeben „Das Gehirn passt seine Verarbeitungsstrategien an und schützt sich gegen die Flut von Gewalt und Pornografie durch Abstumpfung.“
Ich als Legasthenikerin habe die Struktur meiner Muttersprache nie wirklich verstanden, die einer Fremdsprache ebenso wenig.
Wie habe ich gelernt, was Bildsprache ist? Wahrscheinlich so wie manche Menschen Klavierspielen lernen: nach Gehör, oder besser gesagt nach meinem Bauchgefühl, meiner Intuition, die, wenn ich mich mit Fotografie beschäftige, anspringt und mich inzwischen auch leiten darf. Das hat ein paar Jahre gedauert, bis ich das verstanden habe. Sicher, meine Intuition in Bezug auf die Fotografie speist sich auch aus meiner jahrelangen Beschäftigung mit der Fotografie und meiner Ausbildung.
Dieses „Bauchgefühl“ springt jedoch bei jeder Person an, die eine Fotografie betrachtet, sie muss es nicht immer auch bemerken. Das macht sich u.a. die Werbewirtschaft zunutze. Fotos gehen durch die Augen in den Bauch, das Gehirn spielt bei der Interpretation eine untergeordnete Rolle. Denken wir doch nur an die beliebten Katzenvideos im Internet oder an die Wirkungsweise der Fotos, die in Kinderwunschkliniken für die Männer dort ausgelegt werden.
Was bedeutet das nun im Kontext meiner Fragestellung, ob es eine weibliche Sicht auf die nackte Frau in der Fotografie gibt?
Ich z.B. arbeite hauptsächlich in schwarz-weiß und im Quadrat. Ich verstehe mich als Portraitfotografin. Will sagen, ich fotografiere hauptsächlich Menschen, keine Modells. Meine Absicht ist eine klare puristische Bildsprache, ich möchte wesentlich sein und wahrhaftig in meiner Fotografie.
Ist meine Bildsprache „weiblich“, wenn ich meine Kamera auf unbekleidete Frauenkörper richte? Dem nachzugehen, sehe ich als eine vorrangige Aufgabe der nächsten Zeit an.