Frauen

… sind, seit dem ich bewusst fotografiere, mein Thema, mein most personal project. Die ganz bewusste Hinwendung zu diesem Sujet: Frau, passierte, als ich erkannte, dass es einen Unterschied macht, ob ich als Frau oder Mann in dieser Gesellschaft lebe.
Von da an wurde Frau-sein mein Thema:

Meine Diplomarbeit, die im November 1995 fertig stellte, hat den Titel: 
Die  Atelier-Fotografin.
Ein Frauenberuf im 19. Jhr. zwischen Modeerscheinung und Profession. 
Die Fotografie zieht sich wie ein roter Faden durch meine Biographie. Als Kind war ich das Motiv meiner fotografierenden Mutter; später bekam ich eine eigene Kamera und legte 1968 meine Gesellenprüfung als Fotografin ab. Zwanzig Jahre später begann ich Kommunikationsdesign, Schwerpunkt Fotografie, zu studieren.

Die Beschäftigung mit dem Thema n*a*c*k*t  hat mich dazu veranlasst, viel zu lesen und mir auch viele Gedanken zu machen. Ich kann nun für mich abschließend formulieren, was ich an den Fotos, auf denen Frauen nackt dargestellt werden, kritisiere: Die Bildsprache.

Ich kann feststellen, dass diese Fotos ein Bedürfnis befriedigen. Dieses Bedürfnis haben heterosexuelle Männer. Wenn sie das bestreiten, sagen sie die Unwahrheit. Da gibt es z. B. den Pirelli-Kalender. Er ist nicht käuflich zu erwerben. Die Auflage ist ein Geheimnis, ebenso die Produktionskosten und die Liste der Kunden, die ihn geschenkt bekommen. Er wird nur an ausgewählte Freunde des Unternehmens verschenkt. Das Unternehmen ist der italienischen Reifenhersteller Pirelli. Der Kalender ist legendär für seine erotischen Fotografien, ja manche nennen ihn sogar den Inbegriff der “Erotischen Fotografie”. Erstmal erschienen ist er 1964.

Namhafte Fotografen wie Peter LindberghBruce WeberHerb Ritts oder Karl Lagerfeld gestalteten einige, der bisher erschienenen Kalender.
Den Kalender 2016 hat  Annie Leibovitz fotografiert und das nicht auf der Pirelli Erotik Schiene. So gab es dann auch entsprechende Kritik:
Tavi Gevinson, NY Times, also believes the calendar reflects a point of no return, though for a different reason. “A white, able-bodied cis-gendered woman being naked is just not revolutionary anymore,” she said. “I don’t think anyone is going to be like, ‘Damn, I wanted those naked chicks”.

Das Magazin ART schickte eine Frau an die Kritik-Front, Sandra Danke: “…Natürlich wird keine Journalistin in Zeiten des Gender Gaps ein als rückständig geltendes Frauenbild propagieren. Doch es geht ja nicht darum, dass sich jemand lasziv geöffnete Lipglossmünder zurückwünscht oder um Körpersilhouetten trauert, deren Makellosigkeit den jeweiligen Stand des technisch Machbaren widerspiegeln. … Das größte Problem am Pirelli-Kalender 2016 ist schlichtweg, dass die Fotos stinklangweilig sind. Sie zeigen dezent geschminkte Frauen, die stehen oder sitzen, sich in teilweise erschreckend altbackenen Posen darbieten und meistens irgendwie nett aussehen. Wüsste man nicht um die Verdienste der Porträtierten, man würde sofort wieder weggucken.”
Frauen, die sich um etwas verdient gemacht haben, sind also langweilig?

Und so ist es auch kein Wunder, dass es unzählige Publikationen mit Fotografien nackter Frauen und ebenso viele Fortbildungsangebote gibt, in denen vermittelt wird, selber solche Fotos zu machen. Über die Gewinne der Porno-Industrie habe ich bereits gesprochen. Die Adressaten dieser Industrie sind Männer, die Männer, die die Rezipienten dieses Angebots sind. Gäbe es sie nicht, gäbe es das Angebot nicht, so einfach ist das.


Die bezahlbare digitale Kamera und die dazugehörige Bearbeitungssoftware für jedermann war ein Paradigmenwechsel in der Fotografie. Und es gibt unter Männern offensichtlich die Annahme, dass das Fotografieren von nackten Frauen die Fotografie überhaupt sei.
Gegen Dummheit werde ich hier nicht ins Feld ziehen, weil das ein Kampf gegen Windmühlen wäre. Was ich kritisiere, ist die Bildsprache, in der diese Fotografien kreiert werden und das Frauenbild, das damit transportiert wird und das gesellschaftliche Ansehen von Frauen beeinflusst. Die Auswirkungen dieses Frauenbildes sind katastrophal. Junge Mädchen, die gerade an der Schwelle zum Frausein stehen, werden verunsichert und erwachsen Frauen, glauben nicht richtig zu sein, weil sie nicht wie die Frauen auf diesen Fotos aussehen. Für Männer scheinen Frauen bloße Objekte zu sein, an denen sie ihre Bedürfnisse befriedigen können, jederzeit.

Meine Kritik ist keine Kritik an Nacktheit, Erotik oder Sexualität. Wie zuvor erwähnt geht es mir um die Bildsprache dieser Fotos, die mit der Pornografie kokettiert. Dabei spielt die technische Perfekt- oder Unperfektheit keine Rolle. Es geht um die Verknüpfung von sexueller Lust, Erniedrigung und Gewalt.

Ich hatte auch die Frage gestellt, ob es eine weibliche Sicht auf den nackten Frauenkörper in der Fotografie geben kann. Auch das könnte zu einem Kampf gegen Windmühlen führen, den ich nicht führen werde. Daher habe ich beschossen, dass ich als Frau per se einen weiblichen Blick habe, wenn ich fotografiere. Ich verfüge über ein gerütteltes Maß an Lebens- und Berufserfahrung und habe meine Situation in dieser Gesellschaft reflektiert und bin mir meiner Rolle als Frau sehr bewusst, was braucht es mehr?

Das alles gilt für mich, die Fotografin Beate Knappe. Hauptsächlich verstehe ich mich als Portraitfotografin und daher sind meine Fotografin von unbekleideten Frauen in erster Linie auch Portraits. Lange galt die Fotografie als eine realistische Abbildung der Wirklichkeit. Ich pflege zu sagen, dass das einzige, was diese Bezeichnung verdient, das Teil vorn in der Kamera ist: das Objektiv. Sobald ich auf den Auslöser drücke, materialisiere ich keinesfalls die Realität, sondern immer meine subjektive Sicht auf das, was ich für die Wirklichkeit halte.

In der sogenannten “erotischen” Fotografie, die ich kritisiere, wird weniger das gezeigt, was den Menschen, die nackte Frau vor der Kamera ausmacht, sondern es wird eine Fantasie inszeniert. Es sind hauptsächlich die Fantasien von Männern. Wenn Frauen nackte Frauen fotografieren, so bedienen sie in der von mir kritisierten Bildsprache, ebendiese Fantasien.
Ich fotografiere weiterhin Portraits und auch nackte Frauen und achte dabei sehr auf die Bildsprache, in der ich es tue. 
logo

Melden Sie sich hier zu meinem Newsletter an und bleiben Sie informiert.

You have Successfully Subscribed!