Unsere Wahrnehmung der Welt wird zunehmend von visuellen Medien dominiert. Das habe ich schon öfter angemerkt und auch, dass die Fotografie dabei eine zentrale Rolle spielt. Von diesem Aspekt bin ich als Portrait-Fotografin, in besonderer Weise betroffen. Geht es doch bei einem Portrait auch um die Wahrnehmung von Identität.
Die Art und Weise, wie Frauen in der Fotografie dargestellt werden, hat tiefgreifende Auswirkungen auf die gesellschaftliche Wahrnehmung von Weiblichkeit. In meinem Beitrag „Eine Kritik, schon wieder“ habe ich bestimmte fotografische Darstellungen von Frauen kritisiert. Vergessen zu erwähnen habe ich jedoch, dass es sich bei dieser Art der Darstellung von Frauen um eine offensichtlich männliche Wunschvorstellungen handelt, die gerne auch von Fotografinnen übernommen wird. Dafür gibt es Gründe in unserer Sozialisation, die, unreflektiert übernommen, immer wieder reproduziert werden, indem auch Fotografinnen Fotos umsetzen, die eher männlichen Wunschvorstellungen als den realen Lebenswelten von Frauen entsprechen.
Die permanente Reproduktion dieser männlichen Wunschbilder ist problematisch. Sie trägt dazu bei, ein verzerrtes Bild von Weiblichkeit zu verbreiten und den Druck auf Frauen zu erhöhen, sich diesen unrealistischen Idealen anzupassen. Diese Darstellungen ignorieren die Vielfalt und Komplexität weiblicher Identitäten und reduzieren Frauen auf oberflächliche Schönheitsideale männlicher Wunschvorstellung. Es ist an der Zeit, dass wir uns von diesen recht einseitigen Darstellungen von Frauen mittels Fotografie verabschieden und Raum für authentische und vielfältige Bilder schaffen.
Fotograf:innen haben die Verantwortung und die Möglichkeit, durch ihre Arbeit einen positiven Wandel herbeizuführen. Sie können dazu beitragen, ein realistisches und ermächtigendes Bild von Weiblichkeit zu vermitteln, das die tatsächlichen Lebensrealitäten und Wünsche von Frauen widerspiegelt. Dies wäre nicht nur ein ästhetischer Gewinn, sondern auch ein richtiger Schritt in Richtung Anerkennung der Vielfalt weiblicher Lebensentwürfe.
Fotografie kann so viel mehr und ist vor allem so viel mehr als halb nackte junge wohlgeformte Frauen.
Lasst uns gemeinsam an einer neuen Bildsprache arbeiten, die nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch gesellschaftlich wertvoll ist.
Das Thema meiner Art zu fotografieren ist Minimalismus, nicht nur als ästhetischen Ansatz, sondern auch als philosophische Haltung, die für die Konzentration auf das Wesentliche steht. Minimalistische Fotografie legt den Fokus auf die Essenz des Motivs und verzichtet auf unnötige Ablenkungen. In Bezug auf die Darstellung von Frauen bedeutet dies, dass ich bemüht bin, Frauen als Subjekt und nicht als Objekt zu fotografieren. Und ich bemühe mich, mit meinen fotografischen Portraits „Metaphern der Persönlichkeit“ zu schaffen.
In einer Zeit, in der generative Künstliche Intelligenz zunehmend in der Lage ist, Bilder zu erstellen und zu manipulieren, gewinnt die Frage der Autorenschaft an Bedeutung. Die Rolle der Fotograf:innen als Schöpfer:innen und Gestalter:innen von Bildern ist entscheidend, um Authentizität und Integrität in der Fotografie zu gewährleisten. Die kreative Kontrolle und die persönliche Handschrift der Fotograf:innen sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass Bilder nicht nur technische Produkte, sondern Ausdruck individueller Sichtweisen und künstlerischer Visionen sind und eben nicht von einer generativen KI generiert wurden. Authentische Fotografie erfordert eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Motiv und eine persönliche Verbindung zum abgebildeten Subjekt. Dies ist etwas, das generative KI, trotz aller Fortschritte, nicht leisten kann. Darum wünsche ich mir, dass wir durch die Betonung unserer Autorenschaft zu einer visuell reicheren und gerechteren Welt beitragen.