Dies ist ein Text, den ich erstmals im Mai 2014 veröffentlicht habe.
“Ein Evans“, sage ich vielleicht angesichts einer alten Tankstelle irgendwo in Amerikas tiefem Süden. “Ein Becher“, wenn ich im Ruhrgebiet an einem Förderturm oder einem Gasometer vorbeifährt, und wenn im grellen Sonnenschein das Ketchup auf den Pommes frites landet, denke ich an Martin Parr.
Stil bezeichnet eine „charakteristisch ausgeprägte Erscheinungsform”.
Bisher bin ich davon ausgegangen, dass jeder Fotografierende seine Fotografien mit einer typischen charakterlichen Ausprägung versieht und sich darum bemüht, seinen Arbeiten eine hohe Wiedererkennbarkeit oder vielleicht sogar ein Alleinstellungsmerkmal zu verpassen.
Doch offensichtlich ist dies immer weniger der Fall.
Heutzutage bietet die Fotografie jedem Amateur die Möglichkeit, ohne großes technisches Wissen (dank Automatikfunktionen), Abbildungen der “Realität” zu machen. Automatische Belichtungsmessungen inkl. Motivprogrammen lassen Bilder zu, die technisch betrachtet durchaus druckreif sind. Diese Bildqualität hat ein Niveau erreicht, von dem Amateure der 70er und 80er Jahre nur geträumt haben und Anfänger orientiert sich meist an den Bildern die sie sehen. Genau hier liegt m. E. eine Ursache für das Fehlen des eigenen Stils, d.h. die Technik dominiert und man orientiert sich zu leicht an den Bildern anderer Fotografierender, weil man glaubt, dass wäre es, was die “Kunden” sehen wollen. So entsteht eine Inflation der immer gleichen, inhaltsleeren Fotografien.
“The Photojournalist”, showing the photojournalist Dennis Stock, may be Feininger’s best-known photograph; he took it for Life in 1951.
- Was sind meine Werte, was treibt mich an im Leben?
- Was ist mir wichtig, wofür kämpfen ich?
- Gibt es einen roten Faden in meinem Tun?
- Welche Botschaft möchte ich vermitteln?
Wir leben in einer mediengesteuerten Kultur, in der die Gefahr besteht, dass an die Stelle des eigenen Erlebens, das durch Bilder vermittelte Erlebnis tritt. Ist das wirklich so?
Ich muss nicht wirklich selber erleben wie schrecklich ein Tsunamie oder ein Krieg ist!
Nein!
Mir reichen sehr oft die Bilder zur Information, denn auch sie lösen Gefühle aus, machen betroffen.
Es waren die Fotografien eines Capa‘s oder Cartier-Bresson, die mich tief beeindruckt haben und Gefühle auslösten, u.a. eine tiefe Abneigung gegen Krieg und Gewalt. Diese beiden Fotografen hatten auf jeden Fall eine Einstellung zu dem, was sie erlebten und fotografierten, und ihre Fotos haben eine sehr hohe Wiedererkennbarkeit, also haben die beiden einen eigenen fotografischen Stil.
© Robert Capa
Diane Arbus – 14. März 1923 – 26. Juli 1971 – z.B. steht für teils einfühlsame, teils schonungslosen Porträts von Exzentrikern und Randfiguren der Gesellschaft. In ihrem Werk stellte sie vorurteilsfrei die Grenzen von Normalität und Ästhetik der Gesellschaft in Frage. Fotografien von Diane Arbus sind immer zu erkennen, denn sie hatte einen eignen Stil.
Wie haben die Fotografinnen und Fotografen es geschafft ihren eignen fotografischen Stil zu entwicklen?
Wer kann das genau sagen?
Heute, als Portraitfotografin, will ich nicht jeden Tag das Rad neu erfinden, weil das nicht geht, darum lasse ich mich gerne durch die Arbeit anderer Fotografinnen und Fotografen inspirieren.
Diese Inspiration fliesst ebenso in meine fotografische Arbeit ein wie andere Aspekte meiner Persönlichkeit: Mein Geschmack, meine Menschenkenntnis, meine Empathie, meine subjektive Sicht, auf die mich umgebende Welt.
Auch, wenn ich um meinen eigenen, unverwechselbaren Stil bemüht bin, gibt es in meinen Arbeiten stilistische Anleihen, das lässt sich wohl nicht vermeiden. Ich bin darum bemüht in meinen Fotografien, eine hohe Wiedererkennbarkeit und vielleicht sogar ein Alleinstellungsmerkmal zu entwicklen, ob es mir gelingt müssen Andere beurteilen.
Die Entscheidung als Portraitfotografin zu arbeiten, in einem eigenn Fotostudio, war selbstverständlich eine bewusste Entscheidung von mir. Doch, wie ich den Menschen vor meiner Kamera sehe, ist immer eine subjektiv intuitive.
Es ist ebensowenig ein Zufall, dass der Fotograf Fotograf wird, wie es ein Zufall ist, dass ein Löwenbändiger Löwenbändiger wird.
20. Mai 1906 – 30. Juli 2004
© Andreas Pohlmann
- Berenice Abbot
- Diane Arbus
- Ellen Auerbach
- Richard Avedon
- Hilla & Bernd Becher
- Sibylle Bergemann
- Margaret Bourke-White
- Henri Cartier-Bresson
- Robert Capa
- Andreas Feininger
- Lee Friedländer
- Dorothea Lange
- Martin Parr
- Walker Evans