Diesen Blogbeitrag habe ich am 1. November 2013 verfasst! Er scheint mir wichtig, um meine Argumentation zum Thema „nackt“ nachvollziehen zu können.
Die Atelier-Fotografin.
Ein Frauenberuf im 19. Jhr. zwischen Modeerscheinung und Profession.
Das ist der Titel meiner Diplomarbeit, die ich genau vor 18 Jahren – im November 1995 – abgegeben habe.
Im gleichen Jahr ist ein Bild von mir Teil der Ausstellung „STERN -Bilder, 40 Jahre Zeitgeschehen – 40 Jahre Fotojournalismus“, und ich nehme an der Ausstellung »Düsseldorfer Fotografinnen« als eine von zwanzig Fotografinnen teil.
Da Namen von Fotografinnen oder Nachrichten über ihr Leben und ihre Arbeiten nicht Gegenstand meiner handwerklichen Berufsausbildung waren, wundert es nicht, daß Fotografen wie Robert Capa und Henri Cartier-Bresson zu den Vorbildern meines beruflichen Selbstverständnisses wurden, um nur zwei von vielen zu nennen
Dieses Bild ist unter der digitalen ID ppmsca.38981 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar.
Die einzigen Frauen, die im Zusammenhang mit der Frühgeschichte der Fotografie erwähnt werden, sind die Chinesin Huang Lü und die Deutsche Friederike Wilhelmine von Wunsch. Letztere gab schon 1839 bekannt, daß sie ein leicht lichtempfindliches Material entwickelt habe, das sich zur Verfertigung von Portraits eignen würde. In der Fotografie-Geschichtsschreihung wird sie für „publizitätswütig“ oder sogar „verrückt“ gehalten, obwohl Wissenschaftler und Erfinder im allgemeinen als Tüftler und Sonderlinge gelten, wird dies Frauen nicht zugestanden.
… Im Zusammenhang mit der neuen Frauenbewegung begannen zu Anfang der siebziger Jahre dieses Jahrhunderts die Historikerinnen in unserem Land die vorherrschende Sicht der Historiker auf die Geschichte zu kritisieren. Sie waren der Meinung, daß in dieser Geschichte, die geprägt war von Perspektiven, Situationen, Aktivitäten und Interessen, die eindeutig von Männern besetzt und gelenkt waren, die gesellschaftlichen Bereiche, in denen Frauen hätten angetroffen werden können, konsequent ausgeblendet worden sind.
Zu diesem Zeitpunkt war ››Women’s Studies« in den U.S.A. an vielen Universitäten bereits eingerichtet. Inzwischen ist die Frauenforschung/Geschlechterforschung auch im deutschsprachigen Raum eine akademische Disziplin, die nicht mehr als „relative Irrelevanz” abgetan werden kann. Sie betont die Verschiedenheit der Geschlechter und lehnt das Männliche als objektiven Maßstab und Kriteriuın alles Menschlichen oder das Geschlecht als das zentrale Strukturelement unserer Kultur ab. Sie vervollständigt eine Geschichtsschreibung, in der die Leistungen von Frauen weitestgehend ignoriert wurden. Die Ergebnisse dieser Forschungen haben das Verständnis gesellschaftliche und geschichtliche Zusammenhänge gefördert. Sie beeinflussen inzwischen die analytische Fragestellung von Forschung und Lehre anderer Fachbereiche. Darauf gründet sich meine folgende These:
»Frau-sein« ist ein wesentlicher Faktor bei der Rekonstruktion und Interpretation von Fotografiegeschichte.
Die Fotografie hat in deutschsprachigen Ländern eine lange Tradition. Folglich liegen zahlreiche Betrachtungen zu ihrer Geschichte, zu ihren einzelnen Perioden, zu deren prominente Vertretern und ihren Werken vor. Fotografen sind im Vergleich zu Fotografinnen in dieser Literatur deutlich überrepräsentiert…
Festzustellen ist, dass in englischsprachigen Publikationen sich wesentlich mehr Hinweise auf die ersten Fotografinnen finden, als in deutschsprachigen Publikationen.
Im Alter von 48 Jahren begann sie zu fotografieren und produzierte bis kurz vor ihrem Tod 3.000 Fotografien, die heute als gesuchte Sammelobjekte gelten.
In der Geschichtsschreibung lese ich, daß sie die Fotografie eher „zufällig“ kennenlernte und sie als „Zeitvertreib“ betrieb, damit sie eine Beschäftigung habe.
Auch wenn ihr „Hochachtung“ gezollt wird, weil sie sich als Dame, die sich nie die Hände schmutzig machte, den technischen Schwierigkeiten der Fotografie stellte und sie bewältigte, ist dieser Art der Darstellung keine Selbstverständlichkeit inhärent, wie sie bei der Beschreibung männlicher Fotopioniere zu erkennen ist. 1973 heißt es über sie: „Ihre technischen Kenntnisse ließen zu wünschen übrig. Die meisten ihrer Aufnahmen sind unscharf, was sicherlich nicht beabsichtigt war.
„Vorbilder können uns nur dann weiterhelfen, wenn wir sie nicht idealiesieren, sondern ihre Erkenntnisse und ihre Kämpfe benutzen, um darauf aufzubauen und um selbstverständlich das Denken und die Kämpfe weiterzuführen.”
Mir ist bewußt, daß ich mich auf einem schmalen Grat zwischen Fotografiegeschichte und Frauen- und Geschlechtergeschichtsforschung bewege. Dies könnte leicht als Weltanschauung abgewertet werden; deshalb, weil ich mich nicht auf ähnliche Forschungsansätze in der Fotografiegeschichte berufen kann. Dieses Wagnis gehe ich ein, wenn ich in einem „dringend notwendigen“ ersten Schritt versuche, additive Lücken eines männlich geprägten Geschichtsbildes zu füllen. Dies bedeutet nicht, daß es mir dabei allein um das ››Weibliche« geht. Ich bemühe mich um einen Blick auf die Fotografiegeschichte, der sich frei macht von einer männlichen Universalität.