In Deutschland leben etwa gleich viele Männer wie Frauen, sodass der Frauenanteil an der Gesamtbevölkerung ungefähr 50 Prozent beträgt. Außerdem sind Frauen für die Reproduktion einer Gesellschaft ein ganz wesentlicher Faktor und sie leisten immer noch den Bärenanteil der notwendigen Care-Arbeit. Warum ist ihr gesellschaftliches Ansehen immer noch geringer als das der Männer?

Care-Arbeit umfasst die unbezahlte Arbeit, die in Familien geleistet wird, wie Kinderbetreuung, Hausarbeit, Pflege von älteren oder kranken Familienangehörigen, Einkauf, Kochen und viele andere Tätigkeiten. Die Aufteilung der Care-Arbeit zwischen Frauen und Männern basierte auf traditionellen Geschlechterrollen und sozialen Normen. Daran hat sich auch in den vergangenen Jahren nicht grundlegend etwas geändert.

Was sind und wie entstehen gesellschaftliche Normen?
Kultur, Traditionen, Werte, Überzeugungen und Praktiken werden über Generationen in einer Gesellschaft weitergegeben und beeinflussen das Verhalten, die Akzeptanz, Verbreitung und die Erwartungen von Menschen. Auch die Religion spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Normen. Medien, einschließlich Filme, Fernsehen, Musik, Literatur und soziale Medien, beeinflussen gesellschaftliche Normen, ebenso wie die Darstellung von Verhaltensweisen, Werte und Ideale in den Medien. Damit wäre ich bei dem Punkt, dass wir in einer patriarchalen Gesellschaft leben, und zwar schon seit vielen Generationen. Das Patriarchat formuliert Geschlechterrollen und soziale Erwartungen, wodurch bestimmte Verhaltensweisen oder Rollenbilder für Männer und Frauen festgelegt werden.
Mann, Lederjacke
Mann, schwarz-weiß, Portrait
Mann, Helm, nackt
In einem patriarchalen System werden traditionell Männer in Führungspositionen, in Politik, Wirtschaft, Religion und anderen gesellschaftlichen Bereichen bevorzugt. Wer würde diesen Fakt bestreiten? Für Frauen bedeuten solche traditionelle Rollenbilder und geschlechtsspezifische Stereotype strukturelle Hindernisse, die dazu führen, dass sie in ihren beruflichen Entscheidungen und Aufstiegschancen trotz ihres persönlichen Willens und ihrer Fähigkeiten stark behindert sind. Es ist jedoch auch festzustellen, dass Frauen seit der Zeit, in der meine Großmutter lebte, selbstbewusster geworden sind und in vielen Bereichen mehr Möglichkeiten und Chancen haben, andererseits haben sich die gesellschaftlichen Rollenerwartungen nur wenig verändert und nach wie vorgibt es strukturelle Barrieren die ihre Selbstbestimmung und Gleichstellung behindern. Diese Barrieren manifestieren sich u.a. in geschlechtsspezifischer Diskriminierung am Arbeitsplatz, ungleicher Bezahlung, begrenzten Aufstiegschancen und unzureichender Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
 
Z.B. Gender Pay Gap: Aktuell sind mehr Frauen erwerbstätig als je zuvor, auch Frauen mit einem und mehr Kindern, und ihre Qualifikationsniveaus sind im Vergleich zu Männern häufig sogar höher. Aber noch immer verdienen sie in Deutschland und in Europa weniger als Männer.
Unsere Gesellschaft ist nach wie vor von tief verwurzelten Geschlechterstereotypen und sozialen Normen geprägt. Frauen werden immer noch mit bestimmten Erwartungen konfrontiert oder mit einem eingeschränkten Blick betrachtet, was für sie zu einer ungleichen Verteilung von Ressourcen und Chancen führt.
 
Schauen wir uns die Gegenwart und die jüngste Vergangenheit an.  
Mir fällt dazu der Skandal um die sogenannten “Incentive-Reisen”ein. Es war jahrelang üblich, kostenlose Sex-Reisen für erfolgreiche Vertreter bei deutschen Versicherungen durchzuführen.  Nicht nur bei der Ergo-Versicherung, sondern auch beim Deutschen Herold wurden verdiente Mitarbeiter mit Urlauben im Swinger-Hotel “Hedonism 2” auf Jamaika belohnt. Das bestätigte die Zurich Gruppe, zur der der Versicherer gehört.
Die Bild-Zeitung hatte berichtet, dass 1998 die dreißig erfolgreichsten Vertreter des “Internationalen Finanz-Service”, die für den Deutschen Herold Versicherungen verkaufte, in das einschlägig bekannte Hotel eingeladen worden waren. “Wer wollte, konnte jederzeit und überall Sex haben”, zitiert die Zeitung einen Versicherungsvertreter.
Zurich-Sprecher Bernd Engelien bestätigte die Reise, sagte aber, das Unternehmen distanziere sich ausdrücklich von derartigen Praktiken.
 
Quelle: Süddeutsche Zeitung v. 2. Oktober 2012.
 

So etwas ist nur möglich, wenn es sich mit den Werten und Normen einer Gesellschaft deckt, oder? An so einer Ungeheuerlichkeit sind viele Personen beteiligt, sie profitieren davon, und fühlen sich im Recht. Wenn so ein Skandal aufgedeckt wird, scheint es mir immer nur die Spitze eines Eisbergs zu ein. Also eine Situation, bei der nur ein kleiner Teil eines größeren Problems oder einer umfassenderen Angelegenheit sichtbar ist, während der Großteil verborgen bleibt. Wir leben eben nicht nur in einer patriarchalen Gesellschaft, sondern auch in einer kapitalistischen.

Was meine ich damit?
Es geht um die Verflechtung von Machtstrukturen. Macht aus der dominanten Rolle, die Männer im Patriarchat innehaben und Macht aus dem wirtschaftlichen System, das auf Privatbesitz, Gewinnstreben und freiem Wettbewerb basiert. Und es geht um die Kommerzialisierung des weiblichen Körpers.
 Dieser wird als eine Ressource betrachtet, die für bestimmte Zwecke genutzt werden kann. Frauen werden auf ihre körperlichen Merkmale reduziert und als Objekte für Werbung, Marketing und Unterhaltung betrachtet. Dies führt zu einer Objektivierung und Entwertung von Frauen, während gleichzeitig Schönheitsstandards und unrealistische Ideale gefördert werden.
Frau, Brustkrebs, schwarz-weiß, Portrait, Düsseldorf
Frau, nackt, schwarz-weiß, Portrait, Düsseldorf,
Damit wäre ich bei meiner Diskussion von Anfang des Jahres – n*a*c*k*t. Da ging es um die Bildsprache, in der vor allem junge, wohlgeformte Frauen abgebildet werden. Eine Bildsprache, die mit der Pornografie kokettiert und die Verknüpfung von sexueller Lust, Erniedrigung und Gewalt beinhaltet. Die bezahlbare digitale Kamera und die dazugehörige Bearbeitungssoftware für jedermann war ein Paradigmenwechsel in der Fotografie. Und es gibt unter Männern offensichtlich die Annahme, dass das Fotografieren von nackten Frauen die “Fotografie” überhaupt sei. Und so ist es auch kein Wunder, dass es unzählige Publikationen mit Fotografien nackter Frauen und ebenso viele Fortbildungsangebote gibt, in denen vermittelt wird, selber solche Fotos zu machen.
Die Fotos, die ich meinte kreierten ein Frauenbild, das wenig mit der Realität zu tun hat. Trotzdem beeinflussen sie das gesellschaftliche Ansehen von Frauen und diese Auswirkungen sind katastrophal. Junge Mädchen, die gerade an der Schwelle zum Frausein stehen, werden verunsichert und erwachsen Frauen, glauben nicht richtig zu sein, weil sie nicht wie die Frauen auf diesen Fotos aussehen. Für Männer scheinen Frauen bloße Objekte zu sein, an denen sie ihre Bedürfnisse befriedigen können, jederzeit. Dieses Bedürfnis haben heterosexuelle Männer. Und die Pornoindustrie, die eines der umsatzstärksten Segment der Wirtschaft ist, bedient dieses Bedürfnis. Ich diskutiere nicht über den Industriezweig Pornografie, sondern darüber, in welcher Bildsprache Frauen nackt in den sozialen Medien dargestellt werden. Auch wenn meine Kritik keine Kritik an Nacktheit, Erotik oder Sexualität ist, kam diese Diskussion einem Kampf gegen Windmühlen gleicht. Wir leben halt in einer patriarchalen Gesellschaft, in der Frauen gerne zu einer Ressource abgewertet werden und nicht die gleichen Rechte haben wie Männer und entsprechend nicht ernst genommen werden bei so einer Diskussion.
Nicht verheimlichen möchte ich, dass nicht jede Frau ihre Rolle in unserer Gesellschaft, so reflektiert, wie ich es mit diesem Text versuche. Was damit zusammenhängen mag, dass sie sich in einer anderen Situation und vielleicht auch Abhängigkeit befinden, als ich.  Zufällig habe ich einem Podcast mit Barbara Schöneberger gelauscht. Die 1974 geborene Moderatorin, die in den späten 1990er Jahren mit der Sendung “Blondes Gift” ihren medialen Durchbruch hatte und für viele Frauen sicher ein Vorbild ist, spricht in diesem Podcast davon, dass sie dazu neigt, Veränderungen, sprich das Älter-werden in ihrem Frauenleben, zu leugnen und dass sie gerne “Erwartungen” entspricht. Sie hängt an ihrer “jovialen Sexualität” und will sich noch nicht davon verabschieden, dass sie eine gewisse “Verfügbarkeit” ausstrahlt. Sie versteht auch nicht, dass Frauen sich als “Opfer” fühlen, denn Frauen sitzen doch ohnehin “am längeren Hebel”. So ein Frauenvorbild erleichtert es nicht, die strukturelle Frauenfeindlichkeit dieser Gesellschaft zu erkennen.
Falten sind schön
Tattoos

Würden Männer diese Frauenfeindlichkeit ernst nehmen, müssten sie sich von ihren Privilegien verabschieden. Es reicht eben nicht aus, wen du als Mann sagst, dass du noch nie Frauen belästigt, vergewaltigt oder missbraucht hast und kein Sexist bist. Dazu fällt mir ein, dass ich als weiße Frau in einem rassistischen System sozialisiert wurde und es eben heutzutage nicht ausreicht zu sagen: Ich bin nicht rassistisch. Sondern es geht darum, eine Anti-Rassimus Position einzunehmen. Ich übe mich darin.

Männer sollten sich aktiv von ihren Privilegien verabschieden und sich aktiv für Gleichstellung einsetzen, Frauenrechte unterstützen und gegen Geschlechterstereotypen und -diskriminierung eintreten.
Wie dieses aussehen könnte?
Ich habe keine Ahnung.
Männlichkeit und Feminismus schließen sich nicht aus. Es geht darum, Geschlechterrollen und -stereotypen zu hinterfragen und eine Gesellschaft zu schaffen, in der Männer und Frauen gleiche Rechte und Chancen haben. Männer können ihre Männlichkeit bewahren und dennoch feministische Werte unterstützen, indem sie zu einem inklusiven und gerechten Umfeld beitragen, in dem alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, respektiert und gefördert werden.
Frau, nackt, Tuch, schwarz-weiß
Frau, nackt, schwarz-weiß, Portrait, Düsseldorf,
Ich komme zurück auf die normativen Schönheitsideale unserer Gesellschaft und die Fixierung auf Jugendlichkeit bei Frauen. U.a, mache ich diese Fixierung auf Jugendlichkeit daran fest, dass Frauen, sobald sie ein bestimmtes Alter erreichen, in den sozialen Medien einfach unsichtbar werden, und nicht mehr vorkommen. Schauspielerinnen beklagen in Hollywood, das es keine Rollen mehre für sie gibt, wenn sie jenseits der 40 sind.
Ich frage mich was sind die Gründe für die Unsichtbarkeit von Frauen ab einem bestimmten Alter in der Öffentlichkeit? Passen Frauen ab einem bestimmten Alter nicht mehr in diese eng definierten Schönheitsstandards und sind weniger begehrenswert?
Begehrenswert oder verfügbar?

Selbstwertgefühl, Gleichberechtigung und persönliche Freiheit.

Begehrenswert zu sein, scheint für viele Frauen ein Hauptbestandteil ihrer Identität zu sein. Der Begriff „Begehrenswert“ steht für mich auch im direkten Zusammenhang mit Stereotypen und unrealistischen Schönheitsidealen, die Frauen einem enormen Druck aussetzen. Historisch gesehen wurde von Frauen erwartet, dass sie sich passiv und zurückhaltend verhalten, um als “respektabel” angesehen zu werden. Frauen haben ihre Sexualität zu unterdrücken, um als “anständig” zu gelten. Vor 25 Jahren hat die TV Serie “Sex and the City” einen Versuch unternommen, um damit aufzuräumen. Ist es ihr gelungen? Konnte diese TV Serie wirklich eine Veränderung herbeiführen hin, zu dem, dass Frauen das Recht haben, über ihren eigenen Körper und ihre eigenen Entscheidungen zu bestimmen und nicht aufgrund von Geschlechtsstereotypen oder Erwartungen anderer definiert werden? Die Causa Lindemann lehrt uns gerade, dass die Annahme Frauen seien “verfügbar” zu unerwünschter Belästigung und Gewalt führte, oder wie war das mit Harvey Weinstein, Dieter Wedel, Jörg Kachelmann? Was ist mit den Missbrauchsvorwürfen in der Kirche?
Es geht um eine Struktur, die Machtmissbrauch gegenüber Frauen, Schwächeren, oder Abhängigen ermöglicht. Es geht um ökonomische Machtverhältnisse und die ganz normalen gesellschaftlichen Machtstrukturen, schlicht um den patriarchalen Kapitalismus.
Der Idee diesen Text zu verfassen ging das Nachdenken darüber voraus:
Was ist Schönheit?
Schönheit ist ein vielschichtiger Begriff, der subjektiv und kulturell geprägt ist und mit ästhetischem Vergnügen, Attraktivität und Harmonie in Verbindung gebracht wird.
Wird Schönheit von Person zu Person unterschiedlich wahrgenommen?
Inwieweit prägen kulturelle Einflüsse, was als schön angesehen wird?
Wir sprechen heute oft von normativer Schönheit. Also von Standards. Diese beziehen sich auf bestimmte Merkmale wie Körpergröße, Körpergewicht, Gesichtsform, Hautfarbe, Haartyp, Augenform und andere physische Eigenschaften. In einigen Kulturen werden dünne Körper als schön angesehen, während in anderen Kulturen kurvige Körper bevorzugt werden. Die normative Schönheit, die ich meine, wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, wie Massenmedien, Werbung, Modeindustrie und soziale Normen und dem Druck von gesellschaftlichen Erwartungen. Wobei wir wieder bei der patriarchalen Gesellschaft angekommen sind.

Liegt Schönheit wirklich im Auge des Betrachters?

Persönliche Erfahrungen und Erziehung spielen eine wichtige Rolle bei der Formung der Wahrnehmung von Schönheit. Die Umgebung, in der du aufwächst, die Menschen um dich herum und ihre Interaktionen können dazu beitragen, bestimmte ästhetische Vorlieben zu entwickeln oder zu beeinflussen. Zeitschriften, Fernsehen, Filme, soziale Medien und Werbung prägen stark die Wahrnehmung von Schönheit. Die Darstellung bestimmter Körperideale, Schönheitsstandards und ästhetischer Merkmale in den Medien beeinflusse die individuelle Wahrnehmung und formen persönliche Schönheitsnormen.

Frau-sein ist schon immer mein Thema gewesen:
 
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Ich verfüge über ein gerütteltes Maß an Lebens- und Berufserfahrung und habe meine Situation in dieser Gesellschaft reflektiert und bin mir meiner Rolle als Frau sehr bewusst, was braucht es mehr?
Hauptsächlich verstehe ich mich als Portraitfotografin und daher sind meine Fotografin von unbekleideten Frauen in erster Linie auch Portraits.
Lange galt die Fotografie als eine realistische Abbildung der Wirklichkeit. Ich pflege zu sagen, dass das Einzige, was diese Bezeichnung verdient, das Teil vorn in der Kamera ist: das Objektiv. Sobald ich auf den Auslöser drücke, materialisiere ich keinesfalls die Realität, sondern immer meine subjektive Sicht auf das, was ich für die Wirklichkeit halte.
In der sogenannten „erotischen“ Fotografie, die ich kritisiere, wird weniger das gezeigt, was die nackte Frau vor der Kamera ausmacht, sondern es wird eine Fantasie inszeniert. Es sind hauptsächlich die Fantasien von Männern. Wenn Frauen nackte Frauen fotografieren, so bedienen sie sich oft der von mir kritisierten Bildsprache, und bedienen eben diese Fantasien. Das will ich nicht.

Ich möchte ein Frauenbild in die sozialen Medien transportieren, das mehr mit der Lebensrealität von Frauen zu tun hat.

 
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