Dies ist nun die Fortsetzung des ersten Beitrags in dem ich der Frage nachgehe wie es zu meinem aktuellen FotoBuch gekommen ist.

Es war mal wieder an der Zeit, nach dem Warum zu fragen.

Warum bin ich Fotografin?

Warum habe ich mich schon mit 14 Jahren zu einer Ausbildung entschlossen und warum habe ich 20 Jahre nach meinem Gesellenbrief ein Studium begonnen und meinen Abschluss als Kommunikationsdesignerin gemacht? Es gab für mich zahlreiche Hürden zu überwinden, bis ich mein Diplom in Händen halten konnte, das hat mich nie gehindert und ich war stolz, es geschafft zu haben.

Søren Kierkegaard war es, der gesagt hat: “Das Leben kann man nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben – und das ist eine sehr schwierige Aufgabe.”

Jetzt, mit  73 Jahren habe ich den Eindruck, es war richtig, dass ich Fotografin geworden bin, doch da ist etwas, das ich nicht verstehe und dem ich schon recht lange versuche auf die Spur zu kommen. Ich denke, ich habe ein Gefühl dafür, welche große Bedeutung die Fotografie in meinem Leben hat. Ich habe sehr gelitten, als ich aufgrund von Corona keine Aufträge hatte und nicht fotografieren konnte. Es war traumatisierend für mich, als ich 2020 mein Studio räumen musste, weil der Mietvertrag nicht verlängert worden war. Mir war jedoch nicht klar, warum genau dieses Ereignis sich so „lebensbedrohend“ für mich angefühlt hat.

In einer schweren Lebenskrise vor über 20 Jahren hatte ich das Gefühl, nie wieder fotografiere zu können. Es stellte sich als falsch heraus. Immer und immer wieder habe ich darüber nachgedacht, warum die Fotografie so sehr mit dem Konzept „Überleben“ für mich verbunden ist. Eine Antwort wollte sich nicht einstellen. Die Fotografie ist sicher ein mächtiges Mittel, um Emotionen, Erfahrungen und Perspektiven auszudrücken, doch warum hat sie bei mir was mit „Überleben” zu tun? Die Kreativität hat mich durch alle meine bisherigen Lebenskrisen geleitet wie ein Sherpa. Sie war der erfahrene Führer mit außergewöhnlichen Fähigkeiten dafür berühmt, mich beim Besteigen von hohen Gipfeln zu unterstützen, mit ihrer Stärke, Ausdauer und umfassendem Wissen. Kreativ sein war für mich immer schon so wie mit dem Leben Liebe zu machen.

Schwarz-weiß Akt, Düsseldorf

Die Fotografie gibt meinem Leben Sinn und ein Gefühl von Bedeutung. Die Fotografie hilft mir eine Verbindung zur Welt herzustellen, indem ich Geschichten erzähle, Aufmerksamkeit auf wichtige Themen lenken oder Menschen mit meinen Fotografien berühre. Das gibt mir auch Selbstvertrauen, da ich erkenne, dass meine Arbeit einen Wert und eine Wirkung hat. Ich erinnerte mich an mein Nachdenken über den Begriff Eros, denn ich war aufgefordert zu erkennen, wann ich Eros in meinem Alltag spüre. Dabei ist mir bewusst geworden, dass, wenn ich fotografiere, ich mich an der richtigen Stelle fühle, ich mich richtig finde, ich fühle mich in diesem Augenblick verbunden mit allem, fühle mich lebendig und beseelt, bin zutiefst glücklich. Durch diese Erkenntnis ist mir auch klar geworden, warum es mir schlecht gegangen ist, als ich aufgrund von Corona fast ein Jahr lang nicht fotografieren konnte!

Eros und Logos

Die Begriffe “Eros” und “Logos” stammen aus der antiken griechischen Philosophie und haben verschiedene Bedeutungen und Zusammenhänge. Eros wird oft mit Liebe, Leidenschaft und Verlangen assoziiert, während Logos mit Vernunft, Vernunftprinzip und Sinnhaftigkeit in Verbindung gebracht wird. Als Einzelunternehmerin mit eigenem Fotostudio musste ich Logos leben. Eros ist ein vielschichtiger Begriff, der die verschiedenen Dimensionen der Liebe, des Verlangens, der Inspiration und der Selbstentwicklung umfasst. Eros ist für mich die Quelle von leidenschaftlicher, sinnlicher und vitaler Energie, die ich lebe, wenn ich fotografiere oder mich mit Fotografie beschäftige. Ich denke, es ist nachvollziehbar, dass ich diese Form von Energie benötige, um leben zu können, oder? Fotografie ist für mich die Lebensenergie, die ich zum Überleben benötige.

Dienstleisterin versus Künstlerin

Mit meinem Fotostudio war ich Dienstleisterin. Was ich machte, war angewandte Fotografie, denn ich benutze die Fotografie zur Erfüllung bestimmter Aufgaben. Im Gegensatz zur künstlerischen Fotografie, bei der ich meine persönliche Vision ausdrückt, steht bei der angewandten Fotografie die Kommunikation von Informationen, Emotionen oder Botschaften im Vordergrund. Das Hauptziel besteht darin, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, z.B  die Dokumentation eines Ereignisses und sie ist stark von den Bedürfnissen des jeweiligen Anwendungsbereichs und den Anforderungen des Marktes geprägt. Die künstlerische Fotografie ist ein kontinuierlicher kreativer Prozess, der oft eine persönliche Entwicklung und Auseinandersetzung mit dem Medium erfordert. Es geht um die Schaffung von Bildern, die über die bloße Dokumentation hinausgehen und den Betrachter zum Nachdenken anregen, Emotionen wecken oder neue Perspektiven bieten. Mir ging es immer um die Exploration neuer Ideen, Konzepte und Techniken und darum meine eigene künstlerische Stimme zu finden und meine individuelle Bildsprache zu entwickeln.

Frau, Boudoir, Fotografie, Düsseldorf

Portrait

Warum das Portrait mein besonderes Interesse fand, kann ich heute nicht mehr sagen, oder doch? Sind Portraits vielleicht die originäre Aufgabe der Fotografie? Es war sie zumindest in den Anfängen der Fotografie, denn die originäre Aufgabe der Fotografie bestand darin, Menschen die Möglichkeit zu geben, Porträts anzufertigen, ohne dabei auf Malerei angewiesen zu sein. Vor der Erfindung der Fotografie waren Porträts in der Regel teuer und zeitaufwendig, da sie von Künstlern gemalt oder gezeichnet werden mussten. Die Fotografie revolutionierte diese Praxis, indem sie eine schnellere, präzisere und kostengünstigere Methode zur Erstellung von Porträts bot. Anfänger in der Fotografie konnten nun mit relativ wenig Aufwand qualitativ hochwertige Porträts erstellen.

Doch warum ein Portrait?

Offensichtlich möchten Menschen ihr Aussehen und ihre Persönlichkeit durch ein Abbild repräsentieren und ausdrücken. Porträts dienen als visuelle Darstellung der eigenen Identität und sie dienen als visuelle Rückblicke auf vergangene Erfahrungen. Das Verlangen nach einem positiven Selbstbild und dem Streben nach Bestätigung spielen ebenfalls eine Rolle. Menschen möchten oft ihr bestes Aussehen zeigen und Komplimente oder positive Reaktionen erhalten, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Fotografische Portraits dienen als visuelles Erbe, das über Generationen weitergegeben werden kann. Menschen schaffen Abbilder von sich selbst, um eine Spur ihrer Existenz zu hinterlassen und für zukünftige Generationen greifbar zu sein. Alles verständliche Gründe. Ich wollte durch meine Portraits speziell von Frauen jeden Alters Frauen helfen, sich selbst anzunehmen und zu lieben. Mein Wunsch war es, dass sie durch meinen Blick auf sie, einen Blick auf die eigene Schönheit, Einzigartigkeit und Individualität haben, der ihnen hilft, ein positives Selbstwertgefühl und ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Und genau das war beim scrollen z.B. durch die Fotos bei Instagram nicht möglich. Da sehe ich viele Fotos auf denen, vorwiegend junge Frauen abgebildet sind. Doch sind das Portraits? Sollen das welche sein? Ich fand, dass die Personen auf diesen Fotos austauschbar waren, also können diese Fotos keine Portraits sein. Was sind sie dann? Einfach nur schöne Fotos? Beim Nachdenken über dieses Phänomen hatte ich Erkenntnisse vor allem zu dem Frauenbild, das hier vermittelt wird und mir nun wirklich nicht gefallen hat.

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