Die Fotografie zieht sich wie ein roter Faden durch meine Biografie. Als Kind war ich das Motiv meiner fotografierenden Mutter; später bekam ich eine eigene Kamera und legte 1968 meine Gesellenprüfung als Fotografin ab und zwanzig Jahre später mein Diplom als Kommunikationsdesignerin.
Memories
Selbstportrait

Nun, im Januar 2023, noch Monate vor meinem 73sten Geburtstag realisierte ich den Paradigmenwechsel in meinem Leben. Ich hatte keine Hunde mehr, für die ich über 18 Jahre lang verantwortlich gewesen bin und ich war keine “Dienstleisterin” auf dem Gebiet der Fotografie mehr. Vor einem Jahr noch hatte ich die Angestellten einer großen, über die Grenzen Düsseldorfs hinaus arbeitenden Kanzlei fotografiert und im Laufe des Jahres den ein oder anderen Portraitauftrag gehabt. Doch jetzt war absolut tote Hose. Keine Anfrage, kein Auftrag. War ich inzwischen offiziell in “Rente”, oder was? Mein Leben hatte auf jeden Fall einen bedeutenden Zuwachs an Freiheit erlangt. Das wurde mir langsam bewusst, doch auch dass ich “alt”, in den Augen meiner Umwelt bin.

Dann diese Beschäftigung mit dem Thema Bildsprache und mein Unvermögen einem Gegenüber zu erklären, wann diese sexistisch war. Über unsere sowohl patriarchale als auch kapitalistische Gesellschaft habe ich bereits an anderer Stelle ausführlich geschrieben. Auch über die Auswirkung dieser strukturellen Gegebenheiten auf die “Ressource” Frau. Darum spare ich mir hier jede Wiederholung.

Ich war mit dieser Gefühlslage  – alt – in Rente und weniger Verantwortlichkeiten im Außen – vollkommen überfordert. Und gleichzeitig überzeugt davon, dass es ein Buch zum Thema “nackte Frau” geben wird.

Ich bin schon lange Fotografin und ich arbeite gerne in Serien, so ist es nicht verwunderlich, dass alle meine Projekte im Grunde zusammengehören. Angefangen mit “Silbergrau”, “fuck you cancer”, “Was ist WEIBLICH?” oder “Das Göttlich Weibliche“, “70×70″ oder “Embrace” und zuletzt “Human Body” – es geht um die Wahrnehmung von Frauen in den Medien, um das FRAUENBILD.

Frau, nackt, Hals, Busen, schwarz-weiß

Ich begann Fotos zu sortieren und zusammenzustellen und buchte ein Wochenende zum Thema Fotobuch. Je mehr ich meine Arbeiten betrachtete, umso größer wurde meine Verwirrung und ich versuchte mich in Abgrenzung zum Mainstream. Versuchte nachzuvollziehen, warum meine Portraits einmal als außergewöhnlich gefeiert worden waren und ich sie aktuell eher altbacken und langweilig fand.
War ich erschöpft?
Fühlte sich so ein burn out an?
Doch da waren noch die Stillleben, die mich nach wie vor begeisterten und inspirierten.

Als ich zu dem Workshop fuhr, hatte ich eine bestimmte Vorstellung davon, wie das Buch aussehen und welche Fotos es beinhalten, sollte, was komplett über den Haufen geschmissen wurde. Zu Recht, wie ich eingesehen habe. Und dann begann dieser existenzielle Kampf mit mir selbst. Ich fragte nach meinem Anspruch. Ich musste mein Dienstleisterin-sein aus meinem Kopf bekommen, sondern mich fragen, ob dieses oder jenes Foto dem Thema entsprach. Doch was war das Thema? Das war dann auch der Moment, in dem mir der Titel eingefallen ist:
I can make a rhythm of confusion in your mind.

Ich war hochgradig verwirrt – keine Frage, mehr als einmal wollte ich das gesamte Projekt in die Tonne schmeißen. Worum ging es mir? Um weibliche Identität? Um weibliche Vielfältigkeit? Es ging mir darum, dass Frausein nicht so aussieht, wie es in den sozialen Medien vorgeführt wird. Auf keinen Fall. Ich hatte die Abgründe erlebt, in die Frauen sich selbst stürzen können, wenn sie sich mit diesem Frauenbild anfangen abzugleichen. Dem wollte ich etwas entgegensetzen. Doch wie mache ich das? Ich musste an den Sehgewohnheiten rütteln, den Mainstream kreuzen.
Doch es ging auch um mich, eine Frau und Fotografin, die auf der Suche nach ihrem Platz in dieser Gesellschaft und der Welt der Fotografie ist.

I can make a rhythm of confusion in your mind

Auf dem Workshop hatte ich erlebt, wie durch die Zusammenstellung meiner Fotografien etwas ganz Neues entstand, etwas anderes als, das ich mir vorgestellt hatte, doch es waren immer noch meine Fotografien, also war es meine Arbeit, immer noch.
Dann kam der mörderische Teil: Ich fragte andere um ihre Meinung. Ja, ich benötigte Meinungen zu meinem Entwurf, der sich täglich änderte. Was ich an Antworten bekam, war wirklich schillernd.

  • Da kann ich nichts mit anfangen
  • Warum machst du so ein Buch mit diesen Fotos, du hast bessere
  • Wie kommst du darauf, dem Buch deinen Namen als Titel zu geben, wer bist du?

Mir wurde klar, dass ich mir keine Marketingüberlegungen gemacht hatte. Wer war die Zielgruppe meines Buches, wer sollte es kaufen? Dann sagte jemand, was sagt dein Bauch? Und die Antwort wusste ich, er sagte ganz laut: Ich will dieses Buch machen!

Zugegeben, ich habe den Entwurf auch Menschen gezeigt, die mir eine große Hilfe und Inspiration waren und denen, die das Buch vorbestellt haben, bin ich zu ganz besonders großem Dank verpflichtet.
Es gab Tage, an denen habe ich täglich an der Zusammensetzung der Fotos gewerkelt und habe mich gefragt, ob sie zueinanderpassen und miteinander kommunizieren. Es war ein heftiger Kampf, eine Auseinandersetzung wie ich sie niemals zuvor hatte. Eines Tages habe ich beschlossen, dass es nun gut ist und habe die PDF Datei der Druckerei übergeben. Punkt. Es musste zu einem Ende gebracht werden.

Aufregend war es dann noch, die ersten Andrucke zu sehen und Entscheidungen zu treffen, welches Papier gut aussieht und noch bezahlbar ist.
Inzwischen habe ich 103 Exemplare aus der Druckerei abgeholt. Ganz vorsichtig habe ich schon in einem Exemplar geblättert und ich konnte feststellen, dass das Titelbild ein wenig zu dunkle ist und dass ein oder andere Foto wäre etwas heller auch besser. Doch da gibt es noch so ein eigenartiges Gefühl. Es scheint mir so, dass es mir wohl leichter fallen würde, mich nackt auf den Balkon zu stellen, als dieses Buch wirklich anzusehen. Auch habe ich nicht den Eindruck, dass es dabei um mich geht – eigenartig. Dabei geht es genau um mich, es geht um meine Auseinandersetzung mit dem Thema weibliche Identität.
Diese Gefühlslage erinner mich an meine Reportage zu einem Polizeieinsatz gegen demonstrierende Frauen in Brüssel 1983. Damals konnte ich die Filme zwar entwickeln, jedoch ansehen konnte ich mir die entstandenen Fotografien erst einmal nicht.
Was ist passiert? Was geht mir so nahe? Was sind das genau für Gefühle? Gefühle, die ich vielleicht von mir fernhalten will? Waren Gefühle mit in diese Fotos geflossen und in dieses Buch, denen ich mir nicht bewusst bin, mit denen ich mich nicht erneut konfrontieren möchte?  Die Frage ist, was hält mich konkret davon ab mir das Buch, jetzt, wo es fertig vor mir liegt, in Ruhe anzusehen? Warum traue ich mich nicht, einen Blick darauf zu werfen?  Ich weiß es einfach nicht. In der Situation 1983 war ich den Ereignissen ausgeliefert. Bei dem FotoBuch-Entwurf war ich nur mir selbst ausgeliefert. Ist ausgeliefert das Schlüsselwort? Es scheint so, als wenn es mir peinlich wäre meine Auseinandersetzung in103 Exemplaren nun vor mir liegen zu haben, es auch noch verkaufen zu wollen – was für eine Anmaßung.

In der Welt der Fotografie gibt es unzählige Möglichkeiten, seine Kreativität auszuleben. Doch manchmal braucht es Mut, um aus der eigenen Komfortzone auszubrechen und NEUES zu erkunden. Genau das habe ich jedoch im Anschluss an die Buchproduktion versucht. Mit dem Ziel meine fotografischen Fähigkeiten zu erweitern und Emotionen auf eine einzigartige Weise einzufangen, habe ich mich entschieden, neue Wege zu beschreiten. Nicht mehr im Quadrat zu arbeiten z. B. und, was die größte Herausforderung für mich ist, auf die Blitzanlage zu verzichten und mit Tageslicht zu experimentieren. Somit habe ich eine Reise begonnen, die meine Arbeiten und meine Perspektive grundlegend verändert.
Mich hat das bisher Unbekannten gereizt. Geblieben bin ich jedoch bei Schwarz-Weiß, weil nur das eine besondere Intensität und eine zeitlose Ästhetik bieten kann. Der Verzicht auf Farben ermöglicht es den Betrachter:innen, sich auf die essenziellen Elemente des Bildes zu konzentrieren: Ausdruck, Formen und Licht. Die Abwesenheit von Farbe erlaubte es den Betrachter:innen, sich auf die Nuancen der Mimik und den Zauber der Augen zu fokussieren, doch diese sollten auch scharf im Foto zu erkennen sein, was ich im Moment nicht wirklich hinbekomme. Doch daran arbeite ich. Ob Tageslicht wirklich zu meinem Partner wird, steht noch nicht fest – es wird weiter gehen mit den Experimenten, auch wenn es mir wirklich schwerfällt, die Fotos nicht in Quadrate zu verwandeln.
Alles in allem war es eine wunderbare Erfahrung für mich, mit Tageslicht in meinem Studio zu arbeiten und neue Sichtweisen auszuprobieren.

Dann war ich für ein paar Tage in Berlin. Dort habe ich jeden Tag eine Ausstellung besucht, und empfinde seitdem eine mir bis dato unbekannte Distanz zu meiner eigenen Arbeit. Essenziell ist jedoch: Sie gefällt mir wieder. Meine eigenen Arbeiten gefallen mir wieder.

Es wird mich sehr freuen, wenn du mein Buch bestellst. Es kommt dann handsigniert inkl. einer Überraschung zu dir nach Hause. Es gibt 103 Exemplare, von denen bereist 30 vorbestellt sind. Lass dir nicht zu viel Zeit mit deiner Bestellung. Über diesen Link kommst du direkt zu meinem Shop.

Roland Barthes, der sich intensiv mit der Theorie der Fotografie befasst hat, argumentierte, dass die Bedeutung eines Fotos nicht einfach im Foto selbst liegt, sondern in der Art und Weise, wie es von
verschiedenen Menschen in verschiedenen Kontexten interpretiert wird.

„I can make a rhythm of confusion in your mind

Während des Entstehungsprozesses dieses Buches habe ich eine bemerkenswerte Auseinandersetzung mit mir selbst geführt. Es ist mir zunehmend klar geworden, welche immense Bedeutung dieser innere Dialog für mich hatte. Es war eine Reise der Selbstreflexion und des persönlichen Wachstums, die mir jetzt ermöglicht, meine bisherige Arbeit mit einer gewissen Distanz zu betrachten. Diese Perspektive ist äußerst wohltuend, da sie es mir erlaubt, meine fotografische Arbeite in einem neuen Licht zu sehen. Somit markiert „I can make a rhythm of confusion in your mind“ einen bedeutungsvollen Moment in meinem Leben als Fotografin.

„I can make a rhythm of confusion in your mind

(„Ich kann einen Rhythmus der Verwirrung in deinem Geist erzeugen“) bezieht sich nicht darauf, dass sich im Buch Fotografien mit ungewöhnlichen Perspektiven, Muster oder Farben befinden, die die Betrachter:innen verwirren oder ihre Erwartungen brechen sollen. Auch wenn diese Verwirrung eine Form von Rhythmus wäre, die das Auge und den Geist der Betrachter:innen stimuliert und sie dazu bringt, die Bilder genauer zu betrachten. Der Titel bezieht sich eher auf den Prozess der Entstehung des Fotobuchs. Da ich verschiedene Fotografien ausgewählt und sie in unerwarteten Weisen angeordnet habe, um eine nicht-lineare Erzählung und eine visuelle Collage zu schaffen, die die Betrachter:innen verwirrt und herausfordert. Der Gestaltungsprozess selbst hatte einen kreativen Rhythmus, der mein Denken beeinflusste.

 

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